Die schlagkräftigste Links-Rechts-Kombination seit Martin Luther King und Malcolm X: Der Sänger John Legend hat mit The Roots Songs des afroamerikanischen Aufbruchs eingespielt.
Es gab Pat und Patachon. Es gab Dick und Doof. Es gab Nick Cave und Kylie Minogue. Nun gibt es John Legend & The Roots, vielleicht nicht die absurdeste Paarung in der Geschichte seltsamer Kombinationen, aber doch eine recht eigenwillige.
Zumindest auf den allerersten Blick: In der einen Ecke steht der wie aus dem Ei gepellte, in Kirchenchören musikalisch sozialisierte Legend, der Großmeister der schillernden Oberfläche aus Springfield, dem der R’n’B in erster Linie eine auf Hochglanz polierte Liebeserklärung an den lieben Gott ist. In der anderen warten die Herausforderer aus Philadelphia, die eher fusseligen, aus dem Hip-Hop kommenden Roots, die den Soul als Dreckschaufelei in den dunkelsten Ecken der Seele verstehen.
Doch anstatt sich gegenseitig auf die Nase zu hauen, verbünden sich die schwergewichtigen Kontrahenten auf Wake Up! zur schlagkräftigsten Links-Rechts-Kombination seit Martin Luther King und Malcolm X. John Legend und Ahmir „?uestlove“ Thompson, Schlagzeuger und Mastermind der Roots, haben Polit- und Protestsongs aus den Sechzigern und Siebzigern, den goldenen Jahrzehnten des schwarzen Soul, zusammengestellt. Die Auswahl wird – neben wenigen halbwegs prominenten Stücken wie Marvin Gayes Wholy Holy – jedoch dominiert von kaum bekannten Songs.
Die Idee dazu entstand im Sommer 2008, als die USA während des Vorwahlkampfes der Demokraten erstmals vom Obama-Fieber erfasst wurden: Die Coverversionen sollten die damalige Aufbruchstimmung einfangen. Heute nun ist Barack Obama ein dreiviertel Jahr im Amt. Dorthin ist er unter anderem gekommen, weil sich Popmusiker für ihn engagiert haben, weil Hymnen auf ihn geschrieben und gerappt wurden. Doch während auf dem politischen Feld die Euphorie der Ernüchterung gewichen ist, hat sich auch Wake Up! verwandelt: Aus einem Instrument des politischen Kampfes ist ein historischer Rückblick geworden, ein bisweilen auch sentimentaler.
Denn auch wenn sie immer wieder durch Rap-Einlagen auf die Moderne verweisen, beziehen sich Legend und Thompson doch vor allem auf den von kräftigen Blechbläsern, Jazz-Einflüssen und butterweichen Arrangements geprägten Philly Soul, etwas weniger auch auf die ebenso prägenden Stax Records oder den poppigeren Entwurf von Motown.
So wird Compared To What beherrscht von steinschweren Bläsersätzen, und Wake Up Everybody ist ein herzerweichend schmalzendes Duett mit Melanie Fiona, in dem es allerdings eben weniger um Liebe geht, als gleich um die Rettung der Welt. If I Can’t Write Left Handed zitiert den wütenden Talking Soul eines Gil Scott-Heron, das gospelgleiche I Wish I Knew How It Would Feel To Be Free macht gar einem We Shall Overcome Konkurrenz.
Aber es geht auch anders: In Love (The Way It Should Be), im Original vom jamaikanischen Sänger Prince Lincoln Thompson, fleht Legend über einem trägen Reggae-Rhythmus um „Gerechtigkeit und ein bisschen Frieden“ und setzt doch, ungewohnt für ihn, keinen Schnörkel zuviel.
Zum Abschluss aber, in seiner einzigen eigenen Kompositon Shine, findet der Sänger schließlich wieder ganz zu sich. Da darf die zweifellos begnadete Stimme jede Silbe knuddeln, als sei sie die letzte. Die Kampfeslust geht dabei vielleicht verloren. Der Soul aber, der bleibt für immer.
„Wake Up!“ von John Legend & The Roots ist erschienen bei Columbia/SonyBMG