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Der Prediger schwächelt

 
Robert Owens veredelte mit seiner Stimme viele alte House-Klassiker. Sein neues Album „Night-Time Stories“ klingt unterhaltsam, hätte aber ein paar frische Ideen vertragen können.

Robert Owens Night-Time Stories

Nur wenige Stimmen vermögen das Lebensgefühl einer musikalischen Ära heraufzubeschwören. Robert Owens ist für den House das, was Frank Sinatra für den Swing und Marvin Gaye für den Soul sind: Verkörperungen eines Stils, dessen Einfluss auf die Popkultur sich weit über den musikalischen Rahmen hinausbewegt. In der Kirche seiner Heimatstadt Ohio stimmlich geschult, zog es Owens zunächst hinter die Plattenspieler. Als DJ arbeitete er in Chicago, wo er den jungen Musiker Larry Heard kennenlernte. Gemeinsam hörten sie Musik, spielten mit Heards Drum-Machine herum und erfanden ganz nebenbei eine neue Musikrichtung: die House Music. Die Stücke, die Owens und Heard unter dem Projektnamen Fingers Inc. aufnahmen, wurden zu Klassikern – Mysterys of Love, Can You Feel It und Bring Down The Walls verbanden Owens suggestiven Bariton mit den harten Vierviertel-Rhythmen, die die Clubmusik prägen sollten.

Als Chicago House Ende der achtziger Jahre seinen kreativen Zenit überschritten hatte, zog Owens nach New York. Er versuchte sich als Keyboarder und Produzent, konnte aber nicht an die Erfolge mit Fingers Inc. anknüpfen. Sein Umzug nach London brachte ihn ein paar Jahre später mit europäischer Clubkultur in Berührung und auf neue Ideen. Seine Rückkehr feierte er als Gastsänger auf dem Album Solaris des Drum’n’Bass-Produzenten Photek. Zuletzt war Owens‘ Stimme in Walk A Mile In My Shoes zu hören, einem beseelten Deephouse-Stück des Duos Coldcut.

Nun erscheint Owens’ Platte Night-Time Stories, sein drittes Album in 18 Jahren. Unterstützt wurde er bei den Aufnahmen von einem guten Dutzend Musiker und Produzenten. Neben internationalen Größen wie Atjazz, Charles Webster und Jimpster stehen auch deutsche Produzenten wie Ian Pooley und das Duo Wahoo auf der Gästeliste. Trotz vieler Hände ist Night-Time Stories ein Album aus einem Guss, denn die Stücke sind ganz auf den Gesang zugeschnitten. Kaum ein Produzent verlässt das musikalische Terrain aus elegantem House, der sowohl im klimatisierten Loft als auch auf dem Tanzboden funktioniert.

Owens hat sich hörbar Mühe gegeben, jeden Geschmack zu treffen: Da stehen packende Chicago-House-Zitate neben sommerlichen Nummern für den Großraumclub, Prisen von R’n’B und HipHop inklusive. Charles Webster verpasst Never Give Up ein pulsierendes Breakbeat-Gerüst, während Kid Massive mit Only Me düstere Wege geht. Ebenso vielseitig klingt Owens’ Stimme: Mal lasziv flüsternd, mal mit kraftvollem Pathos besingt er die klassischen Motive des House. Körperliche Selbstbefreiung, erotische Anspielungen und gospelhafte Durchhalteparolen bestimmen die Texte der 15 Stücke.

Das klingt alles gut und unterhaltsam, leider aber auch recht konservativ. Das Album bietet kaum Überraschungen, von den Innovationen zeitgenössischer Tanzmusik ist wenig zu vernehmen. Gefällig geht es zu, Owens setzt ganz auf das bewährte Rollenspiel zwischen Prediger und Verführer – Geschichten hat er nicht zu erzählen. Vielleicht hätten einige frische Ideen dem Klang der Platte gut getan? Mit Night-Time Stories verwaltet Robert Owens sein Erbe als Stimme des House allzu bedächtig.

„Night-Time Stories“ von Robert Owens ist als CD erschienen bei Compost/Groove Attack.

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