Würdiger Abschied ohne Getöse. Das letzte Album von The Streets vervollständigt Mike Skinners bisheriges Œuvre: fünf Platten über fünf Jahrzehnte britischer Geschichte.
Einwegfeuerzeuge zählen zu den symbolträchtigsten Artefakten der Konsumkultur. Jeder hat welche, aber kaum einer weiß, woher. Niemand schert sich um ihre Existenz, denn wenn das eine erlischt, steckt bald ein neues in der Tasche.
Als Mike Skinner alias The Streets vor zehn Jahren mit Einwegfeuerzeug auf dem Cover die britische Hip-Hop-Bühne betrat, erschien seine Leuchtkraft so unprätentiös, als brenne sie schon ewig. Optisch unauffällig, musikalisch variabel, atmosphärisch reduziert, aber dadurch umso eindrücklicher, stieß er in die Lücke zwischen R’n’B und Gangsterrap. Er füllte sie mit Worten, statt bloßen Gesten und kann nun abtreten, ohne seinerseits eine Lücke zu hinterlassen, den es wimmelt längst von Cockney-Poeten wie ihm. Also schnell noch das finale Werk produziert, Gas leer, Aus.
So funktioniert Mike Skinner, so funktioniert auch Computers And Blues, das letzte Album eines Milchgesichts, das ganz allein einige der besten Rap-Platten gemacht hat, aber genau darum wenig Aufhebens. Ein Abschied ohne Getöse – was man hierzulande adligen Kopisten in Ministerrang wünschte: Mike Skinner ist er gelungen. Wie die Vorgänger-Alben führt also auch Computers And Blues Einflüsse von Garage, Pop, Songwriting, 2step und Soul mit Hip-Hop zusammen, als sei alles schon immer eins. Fusion als Zustand, nicht Prozess.
The Streets wählt schwüle Rihanna-Vocals in Roof Of Your Car, Dance-Orgeln zu Trust Me oder Balladengesülze wie in We Can Never Be Friends, und doch bleibt diese Platte ein Kompendium des Samplings um des Songs, nicht seiner selbst Willen. In allen Stücken wohnen – trotz der Referenzen – Mike Skinner und seine textsatten Verse von neuen Kiffern, alten Trinkern, von Alltagslangeweile und falschem Spaß, von Freundschaft, Feindschaft, Liebesgoogeln, Vaterwerden, Ältersein.
Und wie er so davon berichtet, wird plötzlich spürbar, dass sein Œuvre eine Heimaterzählung sein könnte, vom Wandel Birminghams im Zeitraffer. Fünf britische Jahrzehnte, verdichtet in fünf Hip-Hop-Platten: Der industrielle Niedergang der Siebziger, dem die Stadt und die Insel Glamour, Trotz und Revolte entgegensetzten (Original Pirate Material); dann Thatchers Klassenknute, die nicht nur Verlierer in philosophische Melancholie trieb (A Grand Don’t Come For Free); später die servile Umstrukturierung der Neunziger mitsamt des fröhlichen Eskapismus‘ im Jugendwahn (The Hardest Way To Make An Easy Living); im neuen Jahrtausend schließlich überall Megakrisen, die ein kurzes Strohfeuer des Umwälzungswillens, letztlich aber nur Wiederholung erzeugten (Everything Is Borrowed); und 2011 machen wir einfach weiter wie immer, das Ende vor Augen, hoffnungslos in den ewigen Fortschritt, Computers And Blues eben, die 14-teilige Hymne ans gelassene Scheitern, die Schönheit der Ausweglosigkeit.
Ein Jammer, dass wir sie fortan ohne The Streets genießen müssen. Die Flamme echter Coolness – das bisschen Pathos hat er verdient – ist erloschen. Brennen halt andere.
„Computers And Blues“ von The Streets ist erschienen bei Warner.