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Pöbeln ist gut fürs Image

 

Mancher muss seine Weste weiß halten, ein anderer suhlt sich gern im Dreck. Tyler, The Creator heizt die Presse mit explizitem Videomaterial an.

© Beggars Group

Tyler, The Creator ist ein ganz böser Junge. Er flucht viel, zieht sein Ding durch und lässt sich vor keinen Karren spannen. Auch nicht von Pressevertretern, die ihn zum Interview treffen wollen, um endlich mal leibhaftig zu verstehen, was Straßenglaubwürdigkeit ist. Ein Reporter der kostenlosen, aber oft sehr wertvollen britischen Musikzeitschrift The Stool Pigeon fragte Tyler, wo er denn wohne. „In Compton.“ Klar, Straight Outta Compton, das muss ein West-Coaster sagen, der was auf sich hält. „Stimmt das?“ fragt der Reporter. „Nein, ist gelogen. Lügen machen Interviews doch erst interessant“, sagt Tyler.

Er spielt mit seiner Rolle des wortexpliziten Überfliegers, legt sogar ihr Geheimnis offen und schafft es doch immer wieder, das Publikum zu verwirren. Was ist jetzt echt? War das ernst gemeint?

Ähnlich geht’s dem Betrachter zunächst auch mit einem Videobeitrag vom ZDFkulturpalast (der Name klingt nicht gerade nach junger Zielgruppe): Der Redaktionspraktikant Johannes trifft Tyler, The Creator zum Interview und wird von ihm wegen seiner dummen Fragen übelst beschimpft. Hier dekonstruiert also ein 20-jähriger Rapper mal eben das leichtfertige Geschäft mit der Presseterminfaselei. „Fuckin‘ Questions! This shit is fucking crazy! Do I look like some fuckin‘ psychiatrist?“ Um die Folgen seines Ausbruchs scheint er sich keine Sorgen zu machen.

*** Erst das Video ansehen, dann weiterlesen. ***

Aber hat sowas negative Folgen? Ist Pöbeln nicht auch gut für’s Image? Tatsächlich haben sich Johannes und Tyler nie getroffen. Das Videomaterial mit all seinen fucks und shits gehört zur Werbestrategie von Tyler, The Creator. Die Plattenfirma hat es den Journalisten zur Verfügung gestellt. Das ZDF, und da muss man doch mal die Kreativität der Redaktion loben, hat die Aufnahmen seines Reporters gegengeschnitten und einen erheiternden, selbstironischen Beitrag draus gebastelt. Tyler ist’s sicherlich fucking egal, die Plattenfirma freut sich, und das ZDF hofft auf einen viralen Erfolg unter jungen Netzwerkern.