Maximo Park retten den Britpop. Ihre neue Platte treibt uns den Schmerz der Liebe ins Ohr, gießt warmen Klang hinterher und lässt die Beine nicht ruhen.
Paul Smith trägt neuerdings einen Bowler, wenn er sich für die Presse fotografieren lässt, und das darf man wohl als klare Aussage verstehen: „Seht her, ich bin britisch. Unsere Musik ist es auch!“ Ob dieser Hinweis nötig ist? Der Sänger und seine Band Maximo Park haben gerade ihre zweite Platte, Our Earthly Pleasures, veröffentlicht, und die wirkt auf den ersten Blick schon etwas befremdlich. Was ist das für ein Cover? Fast würde man hinter dem trüben Paar eine jammerige Placebo-Scheibe erwarten.
Um es vorwegzunehmen: Die zehn Lieder auf dem neuen Album jammern nicht. Sie sind aufregend und besänftigend, harmonisch und schräg, rhythmisch und fließend. Sie laufen einem ins Ohr wie warmes Öl. Erst dröhnend, dann mit akzentuierten, zackigen Gitarren beginnt das Lied Girls Who Play Guitar. Hier und in vielen anderen Stücken schimmert noch der erste, aufwühlende Tonträger-Ritt der Jungs aus Newcastle durch, am Anfang von Our Velocity etwa oder im punkigen New Wave von The Unshockable.
Trotzdem wird schnell klar, dass Our Earthly Pleasures keinesfalls die logische Fortsetzung von A Certain Trigger ist – oder gar dessen zweiter Aufguss. Die Band hat vielmehr das vorangetrieben, was sich ganz leise schon auf vielen Stücken der B-Seiten-Sammlung Missing Songs ankündigte: Duncan Lloyd bettet Smiths Stimme mit akustischer und elektrischer Gitarre jetzt in einen satten, flüssigen Klang. Lukas Wooler am Keyboard schöpft nicht mehr ausschließlich aus der vollsynthetischen Tonbox, sondern zeichnet seine Linien häufiger mit dem Klavier, Streichern oder Glöckchen. Die neue Platte ist, selbst wenn sie richtig laut wird – das wird sie oft –, erstaunlich klar und geschliffen arrangiert. Und so ungern wir dieses Wort benutzen: Sie ist auch deutlich eingängiger als ihre Vorgängerin. Our Earthly Pleasures ist eine richtig feine Pop-Platte.
Bestechend ist aber nicht allein die Intelligenz, mit der die Töne zusammengefügt wurden. Es sei mal dahingestellt, ob Paul Smith seit dem ersten Album wirklich so viele Frauen gehabt und so voll gelebt hat, wie nun überall herauf-, herunter- und abgeschrieben wird. Völlig uninteressant auch all die Referenzen an die Weltliteratur, die Smith teils sogar als anmaßend vorgeworfen werden – als müsse man entweder rechtfertigen oder anzweifeln, dass der Mann ganz feinsinnige Texte schreiben kann.
In allen zehn Liedern singt Smith von der Liebe und von den vielen Tönungen, in denen sie dem Menschen begegnet: Da ist der Schatten des Vorgängers, der Schmerz nach dem Ende, die Getriebenheit des Betrugs, die Leere nach dem Tod – und der Zauber des sinnlichen Details. Ob es die leisen Seufzer des Mädchens an der kleinen Bar sind oder die Äderchen auf dem Rücken Rebeccas. Smiths Verse sind Andeutungen, Fragmente, Wortspielereien voller Zärtlichkeit und Zynismus. Es bleibt offen, was sich tatsächlich zugetragen hat. Das Gefühl aber, die Stimmung wird perfekt inszeniert.
Das ist größtenteils sehr traurig, so, wie die Liebe manchmal eben ist. Das Schöne an der neuen Platte von Maximo Park ist: Selbst ein trauriges By The Monument, ein düsteres Karaoke Plays und das melancholische letzte Lied der Platte, Parisian Skies, klingen wild, leidenschaftlich, und vor allem – lebensbejahend.
Hören Sie hier „Our Velocity“
„Our Earthly Pleasures“ von Maximo Park ist erschienen bei Warp/Rough Trade
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