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Gretchenfrage

 

Das Interessanteste erfährt man meist am Rande der Parteitage. In kleinen Hinterstübchen und größeren Cafés, wo politisch Eingeweihte, Meinungsforscher und Experten ihr Wissen preisgeben. Bei diesen Treffen merkt man auch, dass man in einer bunten Stadt tagt und nicht in irgendeinem gesichtslosen, klimatisierten und indirekt beleuchteten Betonklotz.

Eine dieser Veranstaltungen organisieren zum Beispiel die Zeitschriften National Journal und the Atlantic gemeinsam mit dem Fernsehsender CBS. Sie laden ins Carnegie Chophouse, eine Jazz-Kneipe in Ybor City, dem historischen hispanischen Zentrum von Tampa. Musik dringt aus den Fenstern, auf den schmiedeeisernen Balkonen räkeln sich die Nachtschwärmer.

Doch drinnen geht es nicht um Miles Davis, sondern um den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney und seine Wahlchancen am 6. November. Heute waren zwei renommierte republikanische Wahlforscher zu Gast, die Romneys Wahlkampfteam mit pausenlosen Umfragen zur Seite stehen. Am Spannendsten war darum ihre Antwort auf die Gretchenfrage: Welche Zahlen bereiten ihnen derzeit die größten Sorgen? Wovor muss Romney sich fürchten?

Die Demoskopin Kellyanne Conway, Chefin von „The Polling Company“ sagte: Vor alleinstehenden Frauen jüngeren und mittleren Alters. Ihre Zahl wachse und wachse – und sie neigten eher Barack Obama und den Demokraten zu. Man dürfe nicht warten, bis sie irgendwann verheiratet seien oder alt würden und damit traditionsgemäß mehrheitlich wieder ins konservative Lager fielen. Denn das würde nicht mehr massenhaft geschehen. Der demographische und soziale Trend weise in die andere Richtung.

Whit Ayres, Chef von North Star Opinion Research erwiderte: Die Latinos, die Amerikaner lateinamerikanischen Ursprungs. Sie votieren, wenn sie denn zur Wahl gehen, mit überwältigender Mehrheit für die Demokraten.

Besorgniserregend für die Zukunft der Republikaner sei vor allem diese Entwicklung: Jeden Monat erreichten 50 000 junge Latinos das wahlfähige Alter – und dieser Trend würde die nächsten 20 Jahre anhalten. Die Republikaner hätten es schon vor langer Zeit versäumt, diese Gruppe für sich zu erwärmen. Und auch Mitt Romney habe sich zu wenig um diese wichtige Gruppe bemüht. Sein einer Sohn, der fließend Spanisch spreche und Wahlwerbung um Wahlwerbung für seinen Vater schalte, könne die kulturelle und emotionale Distanz nicht wettmachen.

Einen klaren und sehr deutlichen Vorteil für Romney sehen jedoch beide Meinungen bei den weißen Wählern, vor allem den weißen Arbeitern, den sogenannten blue-collar-workers. Diese wichtige Gruppe, die verlässlich wählen geht, gewann bereits vor vier Jahren John McCain mit 54 Prozent. Gelänge es Romney, sie diesmal mit 60 Prozent in sein Lager zu holen, habe er die Wahl klar gewonnen.