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Republikaner denken schon an Bush III

Am Rande des Republikanerparteitags in Tampa unterhalten sich einige bereits recht offen darüber, was eine Niederlage Mitt Romneys bei der Präsidentschaftswahl am 6. November wohl für die Partei bedeuten würde.

Die einen sagen, die Republikaner würden noch weiter nach rechts rücken und würden behaupten, die Wahlen hätten doch gezeigt, dass man mit einem eher moderaten Wendehals wie Romney nicht siegen könne. Beim nächsten Mal müsse man mit einem lupenreinen Konservativen antreten.

Jeb Bush auf dem Parteitag der Republikaner in Tampa (Stan Honda/Getty Images)

Die anderen wetten, dass sich die Partei nach einem schmerzlichen Prozess zur politischen Mitte hin öffnen und Latinos und Asiaten umwerben würde. Sie sagen, alles andere wäre politischer Selbstmord, denn ohne größeren Rückhalt bei den rasant wachsenden Minderheiten könnten die Republikaner in Zukunft keine Mehrheiten mehr gewinnen.

Letztere haben für diese Partei auch schon einen Präsidentschaftskandidaten für 2016 parat: Jeb Bush, ehemaliger Gouverneur von Florida, Sohn des Präsidenten Nummer 41, George H. Bush. Bruder des Präsidenten Nummer 43, George W. Bush. Verheiratet mit einer Latina und der spanischen Sprache mächtig.

Am Nachmittag trat er in Tampa auf einem Latino-Forum auf und sagte frank und frei, dass sich seine Partei mit der rabiaten Anti-Einwanderungsrhetorik ins Aus zu manövrieren drohe. Nicht jetzt, nicht sofort, aber in den nächsten Jahren.

Seine Anhänger sagen, 2016 sei Jebs ungeliebter Bruder George W. Vergangenheit. Chancen also für Bush III.

 

Gretchenfrage

Das Interessanteste erfährt man meist am Rande der Parteitage. In kleinen Hinterstübchen und größeren Cafés, wo politisch Eingeweihte, Meinungsforscher und Experten ihr Wissen preisgeben. Bei diesen Treffen merkt man auch, dass man in einer bunten Stadt tagt und nicht in irgendeinem gesichtslosen, klimatisierten und indirekt beleuchteten Betonklotz.

Eine dieser Veranstaltungen organisieren zum Beispiel die Zeitschriften National Journal und the Atlantic gemeinsam mit dem Fernsehsender CBS. Sie laden ins Carnegie Chophouse, eine Jazz-Kneipe in Ybor City, dem historischen hispanischen Zentrum von Tampa. Musik dringt aus den Fenstern, auf den schmiedeeisernen Balkonen räkeln sich die Nachtschwärmer.

Doch drinnen geht es nicht um Miles Davis, sondern um den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney und seine Wahlchancen am 6. November. Heute waren zwei renommierte republikanische Wahlforscher zu Gast, die Romneys Wahlkampfteam mit pausenlosen Umfragen zur Seite stehen. Am Spannendsten war darum ihre Antwort auf die Gretchenfrage: Welche Zahlen bereiten ihnen derzeit die größten Sorgen? Wovor muss Romney sich fürchten?

Die Demoskopin Kellyanne Conway, Chefin von „The Polling Company“ sagte: Vor alleinstehenden Frauen jüngeren und mittleren Alters. Ihre Zahl wachse und wachse – und sie neigten eher Barack Obama und den Demokraten zu. Man dürfe nicht warten, bis sie irgendwann verheiratet seien oder alt würden und damit traditionsgemäß mehrheitlich wieder ins konservative Lager fielen. Denn das würde nicht mehr massenhaft geschehen. Der demographische und soziale Trend weise in die andere Richtung.

Whit Ayres, Chef von North Star Opinion Research erwiderte: Die Latinos, die Amerikaner lateinamerikanischen Ursprungs. Sie votieren, wenn sie denn zur Wahl gehen, mit überwältigender Mehrheit für die Demokraten.

Besorgniserregend für die Zukunft der Republikaner sei vor allem diese Entwicklung: Jeden Monat erreichten 50 000 junge Latinos das wahlfähige Alter – und dieser Trend würde die nächsten 20 Jahre anhalten. Die Republikaner hätten es schon vor langer Zeit versäumt, diese Gruppe für sich zu erwärmen. Und auch Mitt Romney habe sich zu wenig um diese wichtige Gruppe bemüht. Sein einer Sohn, der fließend Spanisch spreche und Wahlwerbung um Wahlwerbung für seinen Vater schalte, könne die kulturelle und emotionale Distanz nicht wettmachen.

Einen klaren und sehr deutlichen Vorteil für Romney sehen jedoch beide Meinungen bei den weißen Wählern, vor allem den weißen Arbeitern, den sogenannten blue-collar-workers. Diese wichtige Gruppe, die verlässlich wählen geht, gewann bereits vor vier Jahren John McCain mit 54 Prozent. Gelänge es Romney, sie diesmal mit 60 Prozent in sein Lager zu holen, habe er die Wahl klar gewonnen.

 

Politischer Hurrikan

Es pfeift und stürmt in Tampa, dem Tagungsort der Republikaner. Die Palmen auf der Straße biegen sich unter den heranstürmenden Winden, mein Hotelfenster bebt und rattert unter dem gewaltigen Druck. Einige Geschäfte unten auf der Straße haben bereits Holzplatten vor Türen und Fenster geschraubt.

Im Kongresszentrum, wo bis Donnerstag die Republikaner tagen und gute Laune für die Wahl ihres Spitzenkandidaten Mitt Romney machen sollen, herrscht gähnende Leere. Der Parteitagsbeginn wurde um einen Tag auf Dienstag verschoben, das Programm gestrafft.

Dafür ist in erster Linie der tropische Sturm Isaac verantwortlich, der sich vielleicht noch in einen Hurrikan oder in Tornados verwandeln könnte. Auch wenn die größte Gefahr für Tampa gebannt zu sein scheint und die Winde weiter westlich zu toben scheinen, bleibt Vorsicht geboten. Flüge wurden gestrichen, Delegierte stecken fest.

Gefühle zur besten Sendezeit

Doch hinter der Verschiebung und Straffung steckt auch ein politischer und taktisch-strategischer Grund. Am Montagabend sollte ursprünglich Ann Romney, die Ehefrau von Obamas republikanischem Herausforderer Mitt Romney, ihren großen Auftritt haben. Ihre wichtige Aufgabe ist es, den Wählern im Land deutlich zu machen, dass ihr Mann kein kalter Exekutor ist, sondern ein Mann mit Herz, ein Gefühlsmensch. Auf ihre Worte kommt es an, sie sollen zu bester Sendezeit ins ganze Land ausgestrahlt werden.

Doch die großen Fernsehanstalten haben den Republikanern signalisiert: Vier Abende Liveschaltung vom republikanischen Parteitag, das ist zu viel. Drei Tage. Schluss, Punkt. Also kam der Sturm Isaac den Planern durchaus gelegen, bot er doch Vorwand und Anlass, den Montag vollständig aus dem Programm zu streichen und Ann Romneys Auftritt geschwind auf Dienstagabend zu verlegen.

Erinnerungen an Katrina

Stürme scheinen die Republikaner geradezu schicksalhaft zu verfolgen. Bereits vor vier Jahren musste die republikanische Krönungsmesse für den damaligen Präsidentschaftskandidaten John McCain wegen eines Hurrikans zusammengestrichen werden. Kein Republikaner wollte Bilder feiernder und johlender Anhänger zeigen, während gewaltige Winde abermals Louisiana und Mississippi zu zerlegen drohten.

Die Erinnerung an den furchtbaren Hurrikan Katrina im Jahre 2005 war noch hellwach. Er hatte Amerika damals nicht nur in eine humanitäre, sondern ebenso in eine tiefe politische Krise gestürzt. Damals regierten die Republikaner im Weißen Haus, Präsident Bush reagierte viel zu spät und schaute sich das Elend an der Küste lieber aus der Luft an.

Auch jetzt rast Isaac wieder auf diesen von tropischen Stürmen so oft heimgesuchten Landstrich zu. Hier in Tampa verharren die Republikaner darum in Habacht-Stellung: Denn niemand kann im Augenblick voraussehen, was diese Winde in den nächsten Tagen an menschlichem Leid und politischem Streit aufwirbeln werden.