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Donald Trump ist nicht Hollywood

Wer Präsident der USA bleiben oder werden will, darf nicht wählerisch sein – jede Hilfe ist wichtig, besonders wenn sie Geld in die Wahlkampfkasse spült. Manchmal aber wäre es Barack Obama und seinem Herausforderer Mitt Romney sicher lieber, der eine oder andere prominente Unterstützer bliebe einfach still und schriebe lediglich einen großen Scheck. Doch so läuft das Spiel nicht.

Obama hat es da in diesen Tagen sicher einfacher als Romney. Der Präsident umgibt sich gern mit Stars, die ihre Portemonnaies öffnen und ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen, um seine Wiederwahl zu ermöglichen. George Clooney schmiss eine rauschende Dinner-Party mit illustren Gästen von Barbara Streisand bis Tobey Maguire in seinem Garten, „Sex and the City“-Schauspielerin Sarah Jessica Parker lädt demnächst mit Vogue-Chefin Anna Wintour in ihr New Yorker Zuhause ein, Mariah Carey wird dort singen. Dafür wirbt Parker in einer Videobotschaft: „Okay, der Typ, der den Irak-Krieg beendet hat, der Typ, der sagt, Ihr solltet jeden heiraten können, den Ihr wollt, der Typ, der vier Millionen neuer Jobs geschaffen hat, dieser Typ, Präsident Obama, und Michelle kommen am 14. Juni zum Dinner in mein Haus. Und ich möchte, dass Ihr auch da seid. Weil wir ihn brauchen, und er braucht uns.“

Wie zuvor bei Clooney können Obama-Anhänger mit einer kleinen Spende an einer Verlosung teilnehmen; zwei Plätze am Tisch sind für den Gewinner reserviert. Clooneys Spendendinner brachte so und dank der 40.000-Dollar-Tickets für die prominenten Gäste fast 15 Millionen Dollar für den Wahlkampf ein. Und dass sich die Stars als treue Anhänger Obamas zeigen, kann auch nicht schaden.

Das Romney-Lager ist offenbar neidisch. Der konservative Radio-Haudrauf Rush Limbaugh holte jedenfalls wieder einmal mächtig aus: Obama werde zu Barack Kardashian, verglich er den Präsidenten mit dem Partygirl Kim Kardashian. „This (is) celebrity-of-the-United-States kind of stuff. This is not president-of-the-United-States kind of stuff“, wetterte er. Man könne nur darüber lachen, und es zeige, welche Distanz Obama zu den Menschen habe, die das Land am Laufen hielten.

Mit einigen Einschätzungen dürfte Limbaugh trotzdem nicht ganz falsch liegen: „Jetzt werdet ihr von der Obama-Kampagne mit E-Mails und Bitten um Geld überhäuft, nur darum geht es hier.“ Alles sei nur ein Schwindel, um die Mailingliste für das Spendensammeln in diesem Sommer zu füllen.

„Two Words: Donald Trump“

Doch Obama kann angesichts solcher Vorwürfe gelassen bleiben. In einer informellen Fragerunde an Bord der Air Force One hakte ein Journalist in der Sache beim Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, nach. Was denn die Reaktion sei, wenn es aus Richtung der Republikaner heiße, der Präsident tummele sich am liebsten mit Figuren aus dem Showbusiness. Carneys Antwort war kurz und boshaft: „Two words: Donald Trump. Next question.“

Donald Trump also, milliardenschwerer Immobilientycoon und Kasinomagnat, der Clown des amerikanischen Traums – und eben eifriger Unterstützer Romneys. Als sich dieser mit einem Sieg in Texas endgültig genug Stimmen gesichert hatte, um als Präsidentschaftskandidat der Republikaner nominiert zu werden, stahl ihm Trump schnell die Show. Und nicht auf die gute Art: Anlässlich einer Spendengala für Romney in Las Vegas, die der Milliardär mit ausrichtete, trompetete Trump seine Überzeugungen in jedes Mikrofon und jede Kamera. Vor allem aber machte er sich wieder einmal lächerlich mit der längst widerlegten und ohnehin irrwitzigen Theorie, Obama sei gar nicht in den USA geboren. Trumps Auftreten war im besten Fall eine skurrile Ablenkung von jenen Themen, bei denen Romney seinem Gegner wirklich etwas entgegenzusetzen hätte. Distanziert hat er sich der Republikaner allerdings nicht von Trump – und das ist Gift für die Kampagne.

 

Kleine Wahl, große Folgen

Was hat die Bestätigung des republikanischen Gouverneurs von Wisconsin durch sein Wahlvolk mit der Präsidentschaftswahl im November zu tun? Genug, um dem Demokraten Barack Obama und seinen Beratern schlaflose Nächte zu bereiten. Denn das Votum im ehemals liberalen Bundesstaat Wisconsin zeigt, dass Obamas Wiederwahl durchaus gefährdet ist. Wisconsins republikanischer Gouverneur Scott Walker trat vor anderthalb Jahren mit einem konservativen Radikalprogramm an: weniger Steuern, weniger Staat, weniger Tarifverhandlungsrechte für die Gewerkschaften von Staatsangestellten! Und: sparen, sparen und nochmals sparen! Daraufhin mobilisierten die Linken, die Gewerkschaften, die Demokraten. Sie besetzten das Kapitol von Wisconsin und sammelten genügend Unterschriften für die Abwahl des Gouverneurs. Doch als das Wahlvolk von Wisconsin am Dienstag zur Abstimmung schritt, bestätigte es Walker im Amt – und zwar wider Erwarten mit einer satten Mehrheit.

Vier Lehren muss Obama daraus für die Präsidentschaftswahl im November ziehen:

Erstens, das radikale Austeritätsprogramm der Republikaner findet immer noch genügend begeisterte Anhänger. Und die Skepsis gegenüber Obamas staatlicher Ausgabenpolitik und seinen Konjunkturankurbelungsprogrammen bleibt.

Zweitens, die Republikaner verstehen es inzwischen weit besser als noch vor vier Jahren, ihre Truppen mit allen Mitteln zu motivieren und vor allem zu mobilisieren. Das Internet und die Wählerregistrierungskampagnen sind für sie keine böhmischen Dörfer mehr.

Drittens, die konservativen Geldquellen sprudeln reichlich. Dank prall gefüllter Kassen und üppiger Geldspenden konservativer Millionäre aus allen Winkeln Amerikas konnten die Republikaner in Wisconsin siebenmal so viel Geld in die Wahlschlacht werfen als die Demokraten. 56 Millionen Dollar kostete sie Scott Walkers Sieg.

Viertens: Seit 30 Jahren votierte Wisconsin bei Präsidentschaftswahlen verlässlich für die Demokraten. Das war einmal, jetzt ist die einst liberale Bastion ein Wackelkandidat. Und was für Wisconsin gilt, gilt ebenso für eine Reihe anderer Staaten des Mittleren Westens.

 

Der Wahlkampf der Netzwerke

Anhänger mobilisieren, Spenden sammeln, Themen setzen: Als Barack Obama 2008 ins Weiße Haus einzog, hatte er das auch einem Wahlkampf zu verdanken, der wie kein anderer zuvor dafür die Möglichkeiten des Internets nutzte. Mit einer beispielgebenden Onlinekampagne aus der Werkstatt der Agentur Blue State Digital setzte der Präsidentschaftskandidat Maßstäbe, bei denen weder seine parteiinternen Mitbewerber noch sein republikanischer Gegner John McCain mithalten konnten. Nur ein paar Zahlen, um zu verdeutlichen, in welchen Dimensionen die Website barackobama.com und alle damit zusammenhängenden Aktivitäten zu Obamas Sieg beigetragen haben dürften:

  • 3 Millionen Spender brachten der Kampagne mit rund 6,5 Millionen einzelner Zahlungen gut 500 Millionen Dollar ein.
  • Mehr als 13 Millionen Menschen trugen auf der Seite ihre E-Mail-Adresse ein, um sich über die Fortschritte des Kandidaten auf dem Laufenden zu halten; sie erhielten mehr als 7.000 unterschiedliche Nachrichten, ganz zugeschnitten auf ihre Zielgruppe oder auch auf die Höhe ihrer Zuwendungen; insgesamt wurden mehr als zwei Milliarden E-Mails verschickt.
  • Mehr als zwei Millionen Anhänger legten auf der Seite ein Nutzerprofil an, schrieben mehr als 400.000 Blogeinträge, organisierten sich in mehr als 45.000 Freiwilligengruppen und verteilten mehr als 200.000 Veranstaltungshinweise.
  • Im Laufe der Kampagne verbrachten die Nutzer rund 14 Millionen Stunden damit, sich die mehr als 1.000 Videos auf YouTube anzusehen, die Obamas Wahlkampf zustande brachte.

Weil mittlerweile auch die Gegenseite dazugelernt und das Potenzial von Onlinekampagnen entdeckt hat, legt das Obama-Lager nun mit seinem Dashboard nach: Die neue Plattform, schon vor dem Launch als „Heiliger Gral“ des digitalen Wahlkampfs glorifiziert, bringt den Kandidaten noch näher an seine Anhänger heran. Vor allem aber hilft sie den unzähligen freiwilligen Unterstützern, sich untereinander zu vernetzen. Im Prinzip ist Dashboard eine Art Wahlkampf-Facebook mit hochentwickelten Funktionen. Die Anhänger können miteinander kommunizieren, die Aktivitäten anderer verfolgen, gemeinsam Veranstaltungen und Aktionen organisieren, sich Teams in ihrer Region anschließen, neue Unterstützer mobilisieren – egal ob vom Computer zu Hause aus oder unterwegs per Laptop, Tablet, Smartphone.

Aus Sicht der Anhänger gab es davon vieles bereits 2008. Doch die neue Social-Campaigning-Plattform ist nicht nur ein hilfreiches Werkzeug und eine kurzweilige, motivierende Spielerei für die Freiwilligen. Für die professionellen Obama-Wahlkämpfer ist es in erster Linie der Versuch, Online- und Offline-Aktivitäten zusammenzubinden. Denn besonders wertvoll sind diejenigen Helfer, die sich als lokale Teamleiter engagieren. Über sie dokumentiert das System alles, was vormals getrennt erfasst wurde: von gesammelten Unterschriften an einem Infostand bis zur Spende und ihrer Vorgeschichte. Jedoch fehlt in der neuen Version eine Möglichkeit, direkt online zu spenden, und die alten Accounts mitsamt bereits bestehenden Vernetzungen lassen sich (noch) nicht übertragen.

Letztlich ist Dashboard damit in erster Linie ein riesiger Datenpool und zugleich ein Mittel für die Kampagnenchefs, noch einmal stärker als bisher Einfluss auf und Kontrolle über die vielen kleinen Wahlkampfaktionen auf lokaler Ebene auszuüben. Das wird etwa deutlich mit der Funktion des Systems, die es erlaubt, für motivierte Aktivisten Ziele zu definieren, die es zu erfüllen gilt. Es geht also nicht nur darum, mehr über die Anhänger und ihre Aktivitäten zu wissen, sondern diese Aktivitäten auch stärker steuern zu können und schnelleres Feedback zu erhalten – immer mit dem Ziel, dass der online generierte und ausgedrückte Enthusiasmus auch auf der Straße seinen Widerhall findet. Die Stärke dieser Art Onlinekampagne ist dabei, dass sie On- und Offline eben nicht als zwei getrennte Welten betrachtet.

Arsenal an Spezialisten

Doch wie gesagt: Der technologische Vorsprung, den Obamas Kampagne 2008 zweifellos hatte, ist längst nicht mehr so überwältigend. Gegenspieler Mitt Romney setzt auf eine vielleicht nicht so weit entwickelte, aber doch sehr ähnliche Plattform: Über das Netzwerk MyMitt können auch seine Anhänger miteinander in Kontakt treten und sich für den Wahlkampf engagieren. Die Republikaner als Partei versuchen es über eine Facebook-App: Dank des Social Victory Center können sich Unterstützer dort ebenfalls direkt miteinander vernetzen. Doch was Obamas Internetwahlkampf so überlegen machte, waren nicht die Technik und die Dimensionen, sondern vielmehr, was die Kampagne aus der Interaktion mit den Anhängern zog, wie sie den Enthusiasmus kanalisierte.
Deshalb ist der interessanteste Teil nicht das Dashboard selbst, wie es sich den Nutzern darstellt. Viel spannender – und Details dazu halten Obamas Digitalstrategen unter Verschluss – ist die Auswertung und Steuerung. Was also passiert mit den detaillierten Daten über die Anhänger? Wie werden diese Informationen mit Umfrageergebnissen oder in bestimmten Regionen besonders wichtigen politischen Themen in Verbindung gebracht? Wie wird das Netzwerk genutzt, um ganz gezielt nach Region, Alter oder Lebenssituation Wahlwerbung zu schalten und Wähler zu mobilisieren? Dafür beschäftigt Obama mehr als 100 Statistiker, Experten für Data Mining, Meinungsforscher, Fachleute für gezielt verbreitete Internetanzeigen, ein ganzes Arsenal also an Spezialisten, deren Arbeit den Unterschied zur Konkurrenz darstellen könnte. Denn längst geht es nicht mehr allein darum, wer das meiste Geld für Werbung ausgibt. Die Kandidaten wissen: Jeder einzelne Wähler muss genau die Botschaft erhalten, die ihn veranlasst, das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen.