Manchmal hörten wir als Kinder im Bergischen Land (wo es damals rechts und links des Schulwegs noch allerhand kleine Werkzeugmaschinenbauer gab) den Satz: »Mit dem neuen Auftrag hat der Nachbar ja einen schönen Reibach gemacht.« Ohne, dass es uns ein Erwachsener hätte erklären müssen, ahnten wir, mit welch gemischten Gefühlen von dem Gewinn eines anderen die Rede war. Im Reibach schwang eine Mischung aus Anerkennung und Unmut mit und wohl auch eine kleine Portion Neid. Dass das Wort aus dem Jiddischen stammt und eigentlich »Zins« (»rewach«) heißt, wusste ich damals noch nicht.
An einer Göttinger Brücke leuchten mit Schlössern besiegelte Treueschwüre in der Wintersonne. Monate später wieder an der Leine-Brücke: Ob all die Liebesbekenntnisse noch Bestand haben? Das Gedicht Le pont Mirabeau von Guillaume Apollinaire kommt mir in den Sinn: »Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine… Wie der Strom fließt die Liebe, geht die Liebe fort…«
Ich gehe mit meiner Frau ins Konzert. Bei der Platzsuche stellt sich heraus, dass wir nicht nebeneinandersitzen. Die Dame, neben der ich stattdessen Platz nehme, bemerkt meine Enttäuschung und sagt: »Während der Aufführung können Sie ohnehin nicht mit ihr sprechen.« Ich: »Wir sind mehr als dreißig Jahre verheiratet!« Meine Nachbarin, selbst wohl um die siebzig: »Na, da ist ohnehin alles gesagt!«
Harry, der Schrankenwart der Manchester Grammar School, der, wie ich während meines Schüleraustauschs erleben durfte, bei Regen wie bei Sonnenschein (und das wohl seit fast 25 Jahren) alle Zöglinge mit einem freundlichen »Good morning« und »How are you?« begrüßt.
Zubrot ist ein Wort, das auf keinen Fall untergehen sollte. Weil es bedeutet, dass man neben dem eigentlichen Einkommen noch ein Zusatzeinkommen braucht, wird dieses Wort sogar immer wichtiger in einer Zeit, in der mehr und mehr Menschen von ihrer Arbeit Lohn nicht ausreichend leben können.
Unser Haus ist Teil einer denkmalgeschützten Siedlung aus dem Jahr 1926. Hinter dem Haus steht ein alter Hasenstall, den wir ursprünglich den sechziger Jahren zuordneten. Als wir jetzt aber das Dach der Hütte erneuern mussten, kamen unter der Dachpappe viele alte Zeitungen zum Vorschein, und es waren auch Bruchstücke einer Ausgabe von 1928 dabei. Besonders die Kleinanzeigen haben es mir angetan.
Sein Klick ist von vorüberziehenden Profilen
so müd geworden, dass ihn nichts mehr hält.
Ihm ist, als gäb’s der Singles viele,
doch hinter tausend Fotos keine Welt
Die große Zahl gefällig schöner Frauen,
die sich vor seinem Auge zeigt,
scheint wie ein Auftrag, endlich sich zu trauen,
sonst wär die Chance vielleicht vergeigt
Nur manchmal tut sich die Fassade
ganz sachte auf, dann geht ’ne Nachricht ein.
Er liest und denkt sich: spannend,
schön und süß wie Schokolade
und hofft, die Frau ließ’ doch sich auf ihn ein
Meine tägliche Fahrradstrecke, morgens am Rhein entlang: Die Burgen thronen in zartem Licht auf dem Fels, die schon von Goethe beschriebenen Wassergeister steigen aus dem Fluss empor, und der Graureiher wartet auf seinen ersten Fisch. Ich atme all die Schönheit, und der Arbeitstag kann beginnen.