Lesezeichen
 

Was mein Leben reicher macht

Samstag in meiner süddeutschen Heimatstadt. Ein klassischer Tag zum Autowaschen und -polieren. Auf dem Parkplatz des Edelitalieners sehe ich eine Menge schneller, schöner Autos. Vor einem BMW steht eine Gruppe junger Männer. In der Mitte der Wagenbesitzer, der voller Stolz sein Baby auf der Kühlerhaube wickelt. »Heilix Blechle!« Wie schön sich die Zeiten doch manchmal ändern.

Renate Maier-Scheffler, Plochingen, Baden-Württemberg

 

Leibweh: Mein Wort-Schatz

Mein Vater, 102 Jahre alt, hat keine Magenschmerzen. Nein, er hat Leibweh. Ich glaube, wenn er nicht mehr bei mir ist, wird kein Mensch mehr Leibweh haben. Schade!

Ute Munz-Alexi, Mannheim

 

Was mein Leben reicher macht

Ich habe heute Morgen auf dem Weg ins Büro den charmantesten Busfahrer Berlins erlebt! »Die Hübschen dürfen auch vorne aussteigen!«, sagte er. Und er meinte tatsächlich mich.

Stefanie Kraus, Berlin

 

No smoking

s88-wiedergefunden

Diesen Versagerknopf fand ich im Freilichtmuseum Finsterau an einem Ziga- rettenautomaten aus dem Jahr 1936. Weiter oben befand sich noch der Hinweis: »Zigaretten: 2x 10 Pfg. – Bei Versagen Knopf drücken.« Durch Betätigen des Rückgabemechanismus konnten also das Geldstück und auch der Raucher vor dem Versagen bewahrt werden. Wer sich beim Drücken dieses Knopfes wohl angesprochen gefühlt hat?

Konrad Obermeier, Mauth, Bayerischer Wald

 

Was mein Leben reicher macht

Im Berner Bahnhof falle ich samt meinem neuen Elektrofahrrad rückwärts die Rolltreppe runter. Drei junge Türken stoppen die Treppe, stellen mein Velo auf die Räder und mich auf die Beine, und einer zeigt nach rechts: »Mann, dort hat Lift!«

Charles Haldi, Bern

 

Was mein Leben reicher macht

Die Elster, die mir für ein Stück Brot glitzernde Fundstücke hinlegt. Heute war es der Perlenohrring meiner Nachbarin, den sie – wie sich herausstellte – vor Monaten verloren hat.

Martha Unterholzner, Meran, Südtirol

 

iNkehr

(nach Ludwig Uhland, »Einkehr«)

Es hat der gute Apple-Wirt
tagtäglich viele Gäste;
ein silb’ner Apfel lädt uns ein
zum digitalen Feste.

Die Gästeschar, sie springt umher,
sie schaut so fröhlich drein;
nur ich bin platterdings verzagt
und fühl’ mich sehr allein.

Ein iPad hab’ ich mir gekauft,
wollt’ topmodern mich geben;
des Nachmittags im Stammcafé.
Es ging total daneben.

Obschon das Wirtsgesind’ zuhauf
sich meiner angenommen,
hab’ ich bis dato nichts kapiert;
das macht mich schier beklommen.

Dies Universum bleibt mir fremd,
verstehe Bahnhof nur;
Dropbox: Ist das ein Katzenklo?
Und erst die Tastatur!

Wie doch mein Leben still und sacht
verlief in ruhigen Bahnen,
eh’ in dies Äpfelchen ich biss!
Sagt mir: Wer konnt’ es ahnen?

Elfie Riegler, Genf

 

Kolonialwaren: Mein Wort-Schatz

Eigentlich hat es ja nicht viel Sinn, der »guten alten Zeit« nachzutrauern, zumal sie ja auch gar nicht immer so gut gewesen ist. Wenn ich aber mal wieder (notgedrungen!) in ein Einkaufszentrum auf der grünen Wiese komme und der Lebensmittelabteilung mit ihrem unüberschaubaren Angebot einen Besuch abstatte, dann kommt mir doch das schöne, alte Wort Kolonialwaren in den Kopf. Und die Gedanken schweifen zurück in die Zeit, als die Gemischtwarenhandlung im Dorf neben den Dingen des täglichen Bedarfs auch Waren aus fernen Ländern anbot – und das alles auf engstem Raum.

Wilfried Harms, Wiefelstede, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Die liebste Kinderpflegerin der Welt. Sie holt meinen fünfjährigen Sohn täglich zu Hause ab, nimmt ihn mit in den sechs Kilometer entfernten Ganztagskindergarten und bringt ihn auch wieder nach Hause. Ich bin nämlich alleinerziehend, berufstätig, wohne auf dem Land und habe kein Auto. Sie nennt es »Fahrgemeinschaft«.

Ramona Wenzel, Haisterkirch, Baden-Württemberg