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Was mein Leben reicher macht

Die Urlaubssonne setzt Ideen für die weitere Lebensplanung frei: Ich verkünde der Familie, dass ich ab sofort Lotto spielen und eine Million gewinnen werde und dann nie mehr arbeiten müsse. Mein Sohn, 12, ist wenig begeistert. »Papa, träum ruhig weiter!«, sagt er. Ernüchternd! Aber heute hat man schon in der sechsten Klasse Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Michael Sasse, Hannover

 

Ich lag auf einer Wiese

(nach Walther von der Vogelweide, »Ich saz ûf eime steine«)

Ich lag auf einer Wiese
und dachte an die Krise.
Darauf ward mir ganz ungemütlich;
die Banken waren mir nicht gütlich:
Kredite gab es nur für Reiche,
die gleicher sind als andre Gleiche.
Wie sollte ich nur überleben?
Wer würd mir Subventionen geben?
Kein Rat ward mir zuteile,
doch galt ja höchste Eile!
Wie konnt ich Ehre, Steuerschuld
und täglich Brot mit Staates Huld
verbinden ohne Widerstreit?
Ja, leider! Da kam ich nicht weit,
denn überleben ehrenhaft,
wenn auf dem Konto Lücke klafft,
der Weg ist leider mir benommen,
und nichts ist nirgends zu bekommen.
Untreue, Raffgier und Gewalt
sind auf der Straß im Hinterhalt,
und Friede, Recht sind tief verletzt.
Dem Armen gibt man kein Geleit,
eh sie nicht wieder eingesetzt!

Lothar Schwarz, Troisdorf-Bergheim

 

Froh: Mein Wort-Schatz

Als Kinder haben wir gesungen: »Froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein König.« so richtig verstanden haben wir das Lied wohl nicht, aber wenn wir gesungen haben, dann waren wir froh. »Froh«, nicht nach einem Sieg, sondern nach Errettung. Nicht der laute Ausruf »Geil«, »Mega« oder »Hammer«, sondern das stille Glück, ein bescheidenes, einfaches Glück, gepaart mit Dankbarkeit. Manchmal sag ich zu meiner Frau: »Bin ich froh, dass ich dich hab!« Längst haben wir beide Runzeln und sie auch noch ein paar Beschwerden. »Froh«, die Sicherheit, angenommen zu sein von einem lieben Freund, einem Partner fürs Leben. Wenn nicht die Leistung zählt, sondern das ehrliche Bemühen, dann sind wir ja so froh. Wenn man uns kennt und mit unseren Schwächen akzeptiert, dann stimmt uns das froh. Instrumente stimmt man, damit sie im Zusammenspiel harmonisch klingen. Frohe Menschen findet man dort, wo das Zusammenleben harmonisch ist. Da werden die Schwachen getragen, und man freut sich über das Glück und die gaben der andern. Manche Gasthäuser tragen den Namen »Frohsinn«. Ich bin froh, dass geduldige Lehrer und Lehrerinnen mir lesen und schreiben beigebracht haben. So kann ich jede Woche die Rubrik »Was mein Leben reicher macht« lesen und werde froh, weil es viele Menschen gibt, die fühlen wie ich. »Froh«: ein königliches Gefühl, das so manchem König vorenthalten blieb.

Hans Graf, Zürich, Schweiz

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Fische wieder im klaren Wasser beobachten zu können. Sie waren in Quarantäne, bis wir den Teich vom Schlamm des Donauhochwassers befreit hatten.

Heidemarie Petrasch, Ottensheim, Oberösterreich

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn ich nach einer Fahrradtour im Norden Berlins etwas erschöpft bei Heiko in der Koppelschänke in Schönfließ ankomme, mir dort ein verträumtes Ruheplätzchen suche und Heiko mir freundlich lächelnd ein kühles Weißbier kredenzt mit den Worten: »Erste Hilfe!«

Karin Dix, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Jedes Mal, wenn ich meine Eltern besuche, liegt in meinem Jugendzimmer schon die ZEIT bereit. Liebevoll sammelt mein Vater Artikel für mich, von denen er denkt, dass sie interessant für mich sind. Immer mit dabei: Die ZEIT der Leser. Dankeschön, Papa!

Katharina Schäfer, Ubstadt-Weiher, Baden-Württemberg

 

Zeitsprung: Wir Brüder

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Unsere Eltern waren Landwirte in der Nähe von Karlsruhe. Zwischen 1952 und 1969 bekamen sie vier Söhne und waren froh, dass wir als Helfer in der Landwirtschaft auch lange Zeit verfügbar waren. Als wir alle auf weiterführende Schulen gehen und schließlich studieren wollten, da ahnten die Eltern wohl, dass es mit dem Nachfolger für den Hof schwierig werden würde. Aber dass wir uns auf der ganzen Welt verstreuen würden? Karlfried, der Älteste, ging direkt nach dem Studium in die USA, wo er seit 36 Jahren mit seinem Wohnmobil durch die Lande zieht. Ich als Zweiter studierte zumindest Landwirtschaft, aber auch mich zog es in die Ferne, über Japan, Hongkong und Polen nach Hamburg. Nur der Dritte, Martin, ist in der Nähe der Eltern geblieben, und Andreas, der Jüngste, landete in München. Wir vier treffen uns selten. Das erste Bild entstand bei einem der wenigen Besuche von Karlfried in Deutschland. 2012 sind wir anderen drei Brüder zu ihm gereist, um mit ihm seinen 60. Geburtstag zu feiern. Von Las Vegas ging’s mit dem Wohnmobil durch den Wilden Westen. Am Lagerfeuer gab’s viele lange Diskussionen über die gemeinsame Kindheit und die verschiedenen Lebenskonzepte. Auf einer Viehweide entstand das zweite Bild, das uns wie das erste dem Alter nach von rechts nach links zeigt.

Hartmut Glaser, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Im See zu baden und nach dem letzten Bad des Tages im frisch bezogenen Bett in herrliche Träume zu sinken. Die Wäsche duftet noch nach der Sommersonnenhitze, in der sie getrocknet wurde.

Tanja Schumacher, Kressbronn, Bodensee

 

Was mein Leben reicher macht

Sternenhimmel. Zufrieden sitzt die Familie am Grill, der noch warm ist. Da fragt der Älteste unserer drei Söhne, er ist sechs: »Mama, wie war das eigentlich, als du Papa kennengelernt hast?«. Mama erzählt. »Und wie ging es dann weiter?« Papa erzählt. »Und dann?« Wir lassen fast 20 Jahre Revue passieren. Schöne Erinnerungen und nicht so schöne, kleine und große Begebenheiten. Endlich sind wir im Heute angekommen. Und postwendend: »Mama, kannst du die Geschichte bitte noch mal erzählen? Die ist so schön!«

Tina Weiler, Berlin