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Wiedergefunden: Der Ehering

Nach einer Viertelstunde verzweifelten Suchens blitzt mit einem Mal der verlorene Ehering meines Mannes im hohen Schnee auf. Vorsichtig grabe ich ihn aus und stecke ihn meinem Liebsten feierlich an den Finger. Wir küssen uns und heiraten zum zweiten Mal – diesmal zwischen den Mülltonnen.

Katharina Lipskoch, Halle (Saale)

 

Zeitsprung: Nackte Provokation

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Vor einiger Zeit fand ich diese alte Postkarte aus dem Jahr 1912 auf dem Flohmarkt. Sie zeigt den im Jahr zuvor aufgestellten Brunnenknaben auf dem Aachener Fischmarkt. Seiner Nacktheit wegen sorgte das sogenannte Fischpüddelchen des Bildhauers Hugo Lederer sofort für moralische Entrüstung. Es wurde bemalt (mit Herbstblättern, um seine Männlichkeit zu kaschieren), abmontiert und – unter Polizeischutz – wieder aufgestellt. Nachdem es 1943 zu Rüstungszwecken eingeschmolzen worden war, fertigte man schließlich 1954 eine originalgetreue Nachbildung an. Sie erfreut sich inzwischen großer Beliebtheit – auch bei der Aachener Polizei, die die rechte Abbildung zur Verfügung stellte.

Arthur Kaiser, Aachen

 

Straßenbild: Stufig

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Unterwegs in Paris. Am Arc de Triomphe konnte ich mir ein Bild machen von der Barrierefreiheit in Frankreich – und das nach Ziemlich beste Freunde!

Judith Weitzel, Düsseldorf

 

Was mein Leben reicher macht

Omis in den Arm piksen und dabei ihren Lebensgeschichten lauschen; bei kleinen Jungs hören, ob das Frühstück im Bauch angekommen ist; mich daran erfreuen, wenn ein Opi im Demenztest schreibt: »Life is good always!«

Svenja Hahne (Medizinstudentin im PJ), Dunedin, Neuseeland

 

Logorrhöe: Mein Wort-Schatz

Als der Latein- und Griechisch-Kollege den Begriff zum ersten Mal verwandte – Anlass war der Redeschwall eines Museumsführers – hielt ich Logorrhöe für ein Kunstwort, spontan gebildet als Parallele zur Diarrhöe. Doch ein Blick in den Fremdwörter-Duden belehrte mich eines Besseren: Es gibt den Begriff tatsächlich – als medizinischen Fachbegriff für »krankhafte Geschwätzigkeit«. Nun ist man als Lehrer am Gymnasium nicht selten mit Schülern auf Noten- und Punktejagd konfrontiert, die unter dieser Krankheit zu leiden scheinen. Man kann sie nur bestimmt, aber diskret und höflich in ihre Schranken weisen. Genervte Mitschüler sind da oft direkter. So erlebte ich, dass einem solch geschwätzigen Kursteilnehmer kurzerhand ein Schild vorgehalten wurde: »Einfach mal die Schnauze halten!«

Gerd Heimann, Wünsdorf, Brandenburg

 

Was mein Leben reicher macht

Im Dezember hatte ich die Nistkästen im Garten gereinigt. Nun überraschte mich der Frühling, und ich hängte die Kästen schnell wieder auf. Vom letzten hatte ich mich gerade entfernt, als ein Blaumeisenpärchen schon Besitz ergriff von seiner neuen Behausung.

Hartmut Liebich, Röttenbach, Franken

 

Die Kritzelei der Woche

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Einen 80. Geburtstag am Niederrhein gefeiert, zuvor die Anreise aus Berlin. Es war ein wunderbarer Abend. Nun sind die Gäste dabei, sich zu verabschieden. Unser Gastgeber braucht lange – mit jedem werden noch ein paar Worte gewechselt. Gelegentlich mündet das in ein weiteres Gespräch. Ich habe allen schon guten Weg und gute Nacht gewünscht und warte nun, dass wir ins Bett können, denn morgen geht es schon wieder nach Hause. Ich bin sooo müde. Kritzelnd versuche ich, immer schön locker zu bleiben.

Sabine von Bargen, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Nach langer Zeit auf die Rettungswache zurückzukehren, wo ich während des Studiums viele Jahre gearbeitet habe. Alte Weggefährten, die einfach nur sagen: »Mensch Junge, lange nicht gesehen. Kaffee? Zigarette?« Wer ich heute bin oder was ich habe – hier spielt das alles keine Rolle.

Sascha Bechmann, Düsseldorf

 

Was mein Leben reicher macht

Am Steuer vor dem Zebrastreifen. Zwei Kindergärtnerinnen – jede mit Kindern an der Hand – überqueren die Straße. Eine schier endlose Zweierreihe kleiner Wichtel. Plötzlich stockt der Zug: Die Kinder haben ein Spiel entdeckt. Sie hüpfen jeweils zu zweit von Streifen zu Streifen. ich denke an meine Kindergartenzeit, als Straßen noch nicht lebensgefährlich waren.

Florian Schirmer, Buchholz in der Nordheide

 

Das ist mein Ding

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Meine Mutter schnitzte mir – vor etwa 40 Jahren – dieses Bild. Es hat einen Ehrenplatz in meiner Wohnung. Nun waren heute meine Nachbarskinder zum Frühstück zu Besuch bei mir: David, knapp 8 Jahre, sah sich das Bild an und meinte: »Die eine schaut in ihr Handy, und die andere spielt Nintendo.« Witzig, für mich haben die Mädchen bisher Bücher gelesen.

Beate M.T. Nagel, Oy-Mittelberg, Allgäu