Beim Blick in diese Straße in Sprockhövel (NRW) lief es mir kalt den Rücken runter. Hier also hat die »Kalte Welt« ihr Zuhause! Noch beim Weiterfahren mit dem Fahrrad hatten die inzwischen recht kräftigen Sonnenstrahlen erhebliche Mühe, meine Stimmung aufzuhellen. Ob es wohl irgendwo auch eine »Warme Welt« gibt?
Im Keller eines alten Bauernhauses fand ich diesen Stein: dreieckig, die Spitzen abgeschrägt, auf einer Seite glatt mit drei Vertiefungen, eine Kante deutlich abgenutzt. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Der Stein weckte meine Neugier. Wozu mag er wohl gut gewesen sein?
Inzwischen habe ich es herausgefunden: Er gehörte auf den Dielenboden in der Stube. Darauf stand der gusseiserne Kanonenofen, mit den drei Füßen in den Vertiefungen. Eine Kante ist abgenutzt von den vielen Schuhen, die zum Trocknen beziehungsweise Wärmen daran lehnten. Ein Ding aus einer fernen, längst vergangenen Zeit erzählt seine Geschichte – wenn man sie nur zu lesen weiß.
Meine Großmutter strickte früher sehr viel – oft hörte sie damit erst bei Anbruch der Dämmerung auf. Dann steckte sie die freie Nadel durch das Wollknäuel, um ihr Werk vor dem Herabfallen der Maschen zu bewahren, und verstaute das Strickzeug in einem Korb. Das war das Signal für den Beginn der Schummerstunde: Sie erzählte mir Märchen oder Geschichten von zu Hause, das heißt aus Ostpreußen.
Über 20 WG-Jahre lang hat mich dieses Spiel begleitet – an alle Wohnorte. Beim jüngsten Scrabble kamen die Erinnerungen hoch – dabei suchten wir nur einen freien Zettel. Als Gelegenheitsspieler waren wir alle keine Helden, hatten aber meistens viel Spaß am Küchentisch. Was Manu, Anne und Bigi machen, ist mir bekannt, wo Antje, Marion, Sandra und all die anderen stecken, würde ich zu gerne wissen. Vielleicht finde ich sie ja auf diesem Weg wieder …
Ein Nebeltag am Ammersee auf dem verlassenen Dampfersteg in Breitbrunn. Das Wasser eine graue Spiegelfläche, die Bäume leuchten am Uferrand, die Enten ziehen ihre Bahnen. Absolute Stille.
Ich schreibe Tagebücher für meine Enkelkinder. Darin ist auch immer wieder mal der Satz zu lesen: »Opas größter Wunsch wäre, euch die Faszination der Bergwelt zu zeigen.« Kürzlich war es so weit: Meine Enkelin (12) war eine Woche mit mir wandern. Über den Wolken, an Drahtseilen gesichert, den Blick auf die Alpspitze und Zugspitze. Abstieg durchs Höllental und die Klamm. Sie war begeistert – und der Opa überglücklich!
Vier Führerscheine in der Familie und nur ein Auto – mit dem nun der Nachwuchs Fahrpraxis erwerben will. Der christlich-grüne Familienrat entscheidet: kein Zweitwagen, stattdessen E-Bikes für die Eltern. Seitdem radle ich mit meinem »Zweiradhybridcabriolet« jeden Morgen 18 Kilometer durch die Ems-Auen und am Nachmittag wieder zurück. Lange habe ich die Farben des Herbstes nicht mehr so intensiv wahrgenommen!
An einem trüben Novembermorgen in mein altes Auto zu steigen und festzustellen, dass das auf der beschlagenen Windschutzscheibe erscheinende Herz und die Erinnerung daran, wie es vor einem Jahr dort entstand, wider Erwarten ein Lächeln in mein Gesicht zaubern.