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Frostig

Beim Blick in diese Straße in Sprockhövel (NRW) lief es mir kalt den Rücken runter. Hier also hat die »Kalte Welt« ihr Zuhause! Noch beim Weiterfahren mit dem Fahrrad hatten die inzwischen recht kräftigen Sonnenstrahlen erhebliche Mühe, meine Stimmung aufzuhellen. Ob es wohl irgendwo auch eine »Warme Welt« gibt?

Dieter Böttcher, Kaarst

 

Das ist mein Ding

Im Keller eines alten Bauernhauses fand ich diesen Stein: dreieckig, die Spitzen abgeschrägt, auf einer Seite glatt mit drei Vertiefungen, eine Kante deutlich abgenutzt. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Der Stein weckte meine Neugier. Wozu mag er wohl gut gewesen sein?

Inzwischen habe ich es herausgefunden: Er gehörte auf den Dielenboden in der Stube. Darauf stand der gusseiserne Kanonenofen, mit den drei Füßen in den Vertiefungen. Eine Kante ist abgenutzt von den vielen Schuhen, die zum Trocknen beziehungsweise Wärmen daran lehnten. Ein Ding aus einer fernen, längst vergangenen Zeit erzählt seine Geschichte – wenn man sie nur zu lesen weiß.

Niko Leiß, Tholey, Saarland

 

Lores Leid

(Nach Heinrich Heine, »Lied von der Loreley«)

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin.
Ein Mädchen aus früheren Zeiten,
Das geht mir nicht aus dem Sinn.

Es ist so schön und es lächelt.
Im Spiegel find’ ich es nicht.
Der laue Wind, er fächelt
Die Sehnsucht ihr ins Gesicht.

Eine Frau seh’ ich vor mir stehn,
Mit Haaren so weiß wie der Schnee.
Mich kann ich nirgendwo sehn.
Mein Herz, es tut mir so weh.

Das Mädchen singt leise Lieder,
Von Liebe im nahenden Mai.
Am Ufer blüht prächtig der Flieder.
Ich wünschte, ich wäre dabei.

Friedhelm Kappenstein, Euskirchen (inspiriert durch die Alzheimer-Erkrankung seiner Schwiegermutter)

 

Mein Wort-Schatz

Meine Großmutter strickte früher sehr viel – oft hörte sie damit erst bei Anbruch der Dämmerung auf. Dann steckte sie die freie Nadel durch das Wollknäuel, um ihr Werk vor dem Herabfallen der Maschen zu bewahren, und verstaute das Strickzeug in einem Korb. Das war das Signal für den Beginn der Schummerstunde: Sie erzählte mir Märchen oder Geschichten von zu Hause, das heißt aus Ostpreußen.

Barbara Sonnewald, Tübingen

 

Scrabble-Notizen

Über 20 WG-Jahre lang hat mich dieses Spiel begleitet – an alle Wohnorte. Beim jüngsten Scrabble kamen die Erinnerungen hoch – dabei suchten wir nur einen freien Zettel. Als Gelegenheitsspieler waren wir alle keine Helden, hatten aber meistens viel Spaß am Küchentisch. Was Manu, Anne und Bigi machen, ist mir bekannt, wo Antje, Marion, Sandra und all die anderen stecken, würde ich zu gerne wissen. Vielleicht finde ich sie ja auf diesem Weg wieder …

Reiner Schilling, Donat, Schweiz

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Nebeltag am Ammersee auf dem verlassenen Dampfersteg in Breitbrunn. Das Wasser eine graue Spiegelfläche, die Bäume leuchten am Uferrand, die Enten ziehen ihre Bahnen. Absolute Stille.

Suzanne Jobst, Gauting bei München

 

Was mein Leben reicher macht

Ich schreibe Tagebücher für meine Enkelkinder. Darin ist auch immer wieder mal der Satz zu lesen: »Opas größter Wunsch wäre, euch die Faszination der Bergwelt zu zeigen.« Kürzlich war es so weit: Meine Enkelin (12) war eine Woche mit mir wandern. Über den Wolken, an Drahtseilen gesichert, den Blick auf die Alpspitze und Zugspitze. Abstieg durchs Höllental und die Klamm. Sie war begeistert – und der Opa überglücklich!

Gert Mohrhardt, Bonn

 

Was mein Leben reicher macht

Vier Führerscheine in der Familie und nur ein Auto – mit dem nun der Nachwuchs Fahrpraxis erwerben will. Der christlich-grüne Familienrat entscheidet: kein Zweitwagen, stattdessen E-Bikes für die Eltern. Seitdem radle ich mit meinem »Zweiradhybridcabriolet« jeden Morgen 18 Kilometer durch die Ems-Auen und am Nachmittag wieder zurück. Lange habe ich die Farben des Herbstes nicht mehr so intensiv wahrgenommen!

Birgit Hollenhorst, Telgte, Münsterland

 

Was mein Leben reicher macht

An einem trüben Novembermorgen in mein altes Auto zu steigen und festzustellen, dass das auf der beschlagenen Windschutzscheibe erscheinende Herz und die Erinnerung daran, wie es vor einem Jahr dort entstand, wider Erwarten ein Lächeln in mein Gesicht zaubern.

Daniela Hohl, Bad Wimpfen, Baden-Württemberg