Lesezeichen
 

Sankt Martin, reloaded

(Nach dem Kinderlied »Sankt Martin, Sankt Martin«)

Sankt Martin, Sankt Martin,
Sankt Martin fuhr durch Schnee und Wind,
sein SUV, der trug ihn fort geschwind.
Sankt Martin fuhr mit leichtem Mut,
im SUV, da war’s ihm warm und gut.

Im Schnee saß, im Schnee saß,
im Schnee, da saß ein armer Mann,
hat Kleider nicht, hat Lumpen an:
»Oh helft mir doch in meiner Not,
sonst ist der bitt’re Frost mein Tod!«

Sankt Martin, Sankt Martin,
Sankt Martin hält den Wagen an,
macht’s Fenster auf zum braven Mann.
Sankt Martin wirft ’ne Decke raus
da lag sein Hund noch gestern drauf.

Sankt Martin, Sankt Martin,
der denkt, er sei ein guter Mann,
weil er so herrlich teilen kann.
Sankt Martin gibt jetzt richtig Gas,
denn Geben macht doch so viel Spaß!

Sankt Martin, Sankt Martin,
Sankt Martin legt sich müd zur Ruh,
da tritt im Traum der Herr hinzu.
Er trägt die Hundedeck’ als Kleid,
sein Antlitz strahlet Zornigkeit.

Sankt Martin, Sankt Martin,
Sankt Martin sieht ihn staunend an,
der Herr spricht ihn jetzt zornig an:
»Die Decke half dem Armen nicht,
er starb im frühen Morgenlicht.

Sankt Martin, Sankt Martin,
Decken schenken reicht nicht aus
bei all der Armut großem Graus.
Der Armut Grund, der liegt bei dir,
bei deinem Reichtum, deiner Gier!«

Sankt Martin, Sankt Martin,
wacht auf aus diesem bösen Traum,
erleichtert, weil allein im Raum.
Ein Gott mit solch’ Gerechtigkeit
das geht dem Martin echt zu weit.

Kurt Eimers, Düsseldorf

 

Was mein Leben reicher macht

Heute im Supermarkt. An der Kasse erklingt laut und klar Mozarts Kleine Nachtmusik. Die Brünette vor mir zerrt ihr Handy aus den zu engen Bluejeans und schreit dezent, aber für alle hörbar in das neueste Gerät: »Hallo! … Hi! … Super! … Cool! … Okay! … Geil! … Tschau!«

Joseph Rossa, Weerberg, Österreich

 

Zeitsprung

Chicago im August. Wir sind zu Besuch bei Sohn und Schwiegertochter. Die Stadt machte ihrem Beinamen windy city alle Ehre: Regen und Wind peitschen fast waagerecht durch die Stadt. So hielten wir einen Museumsbesuch für eine gute Idee und entscheiden uns für das Aquarium am Lake Michigan. Dass die Idee doch nicht so gut war, stellten wir schnell fest, als wir von 12 bis 13 Uhr (im Regen!) auf Einlass warten mussten. Die Zeit vertrieben wir uns mit dem Aufnehmen von – Regenfotos. Bald aber, schon gegen 14 Uhr, verließen wir das Museum entnervt, weil es so überfüllt war. Und waren total begeistert von dem veränderten Bild, das sich uns bot. Anschließend begleitete uns das schöne Sommerwetter für den Rest des Urlaubs.

Elisabeth Freyberger, Bonn

 

Bregenklöterig: Mein Wort-Schatz

Es ist eigentlich ein Wort aus dem Niederdeutschen: bregenklöterig. Das bedeutet so viel wie »etwas durcheinander« oder »verwirrt«, manchmal auch schlichtweg »blöd«. Meine Frau, die in Mittelfranken aufgewachsen ist, hat große Schwierigkeiten, bei der Aussprache des Wortes das r richtig zu rollen, und zwar mit der Zunge am vorderen Gaumen oben. Dann und wann kann ich meine Frau mit diesem Wort etwas reizen, denn sie hat es bisher nicht fertiggebracht, es mit dem richtig gerollten r über ihre Lippen zu bringen. Allerdings werde ich dann meinerseits gefordert, bestimmte Wörter in der fränkischen Mundart zu artikulieren, was mir auch nur teilweise oder gar nicht gelingt. Immerhin: »Bregenklöterig« hat sich in unserer Alltagssprache eingebürgert.

Helmut P. Hagge, Hamburg

 

Die Fahrkarten in die Freiheit

Im Sommer starb unsere Mutter, und als mein Bruder und ich ihre Wohnung auflösten, stießen wir völlig verblüfft auf diese beiden Fahrkarten. Sie dokumentieren unsere Reise in die Freiheit: 1958 gab es zwar noch keine Mauer, aber es war trotzdem verboten, in den Westen auszureisen.

Mein Bruder (damals vier) und ich (knapp sieben) lebten damals mit unseren Eltern und Großeltern in Leipzig. Und plötzlich hieß es: Ihr dürft mit der Mutter eine Tante in Berlin besuchen. Große Aufregung! Ein Abenteuer! Wir wunderten uns nur, dass wir trotz enormer Hitze doppelt Unterwäsche anziehen mussten. Mit einem Kinderkoffer voller Spielzeug in die Hand ging es los. In Berlin angekommen, gingen wir ins Bahnhofsrestaurant. Plötzlich erschien mein Vater im schwarzen Anzug. (Er war mit Freunden im Auto nach West-Berlin gefahren, bewaffnet mit einer Schachtel Pralinen, »für eine Hochzeit«.) Wir Kinder waren schon ein wenig enttäuscht, denn wir wollten ja allein mit der Mutter verreisen. Eine Stunde später erschienen auch noch die Großeltern, und alle lagen sich in den Armen. Nur mein Bruder und ich waren echt sauer. Dann erfuhren wir alles: Wir würden nie mehr zurückkehren, nie mehr in unsere Wohnung, nie mehr die Spielkameraden wiedertreffen. Damals war es ein Schock für uns Kinder. Aber wir haben nie aufgehört, unseren Eltern für diesen mutigen Schritt in die geistige und geografische Freiheit dankbar zu sein.

Claudia Klode, Halstenbek, Schleswig-Holstein

 

Was mein Leben reicher macht

Ich sitze im Garten und lese entspannt meine Lieblingsseite in der ZEIT. Plötzlich entdecke ich den Beitrag eines Lesers, der vor vierzig Jahren mein Klavierlehrer war. Ich erinnere mich voll Dankbarkeit an diese Zeit. In schwierigen Phasen hat mir dieser Lehrer immer zugehört und mir viel Mut gemacht.

Wiebke Heidemann, Isselburg, Nordrhein-Westfalen

 

Was mein Leben reicher macht

Meiner über 70-jährigen Oma, die seit einer Woche Internet hat, eine (erste) E-Mail zu schreiben: »Hallo Oma. Hier die Adresse der Enzyklopädie, von der ich Dir erzählt habe: www.wikipedia.de. Da findet man wirklich alles. Viel Spaß!«

Lara Pistorius, Osnabrück

 

Die Kritzelei der Woche

Neulich in Berlin kehrten wir in ein total unscheinbares Sushi-Restaurant ein. Es hatte vielleicht vier Tische, aber ich habe noch nie so guten Fisch gegessen! Dabei entstand diese Kritzelei. Sie zeigt den Koch und Besitzer, ich glaube, es war ein Afghane. Er erzählte in einer Tour von Makrelen, Thunfisch, Austern und sonstigem Meeresgetier und wie man dieses zur optimalen Geschmacksentfaltung zubereiten müsse. Bloß nicht zu viel Sojasoße! Ein wahrhafter Liebhaber …

Rafael Parente, München

 

Was mein Leben reicher macht

Seit einigen Wochen haben wir ein wunderbares Gute-Nacht-Ritual: Severin (4) und Valentin (2) wollen statt einer Geschichte nochmals den Tag besprechen. Dieser Blick zurück zeigt mir immer wieder, welche kleinen und großen Dinge wir erleben dürfen, welchen spannenden und lieben Menschen wir begegnen. Und ich freue mich schon auf morgen Abend, wenn die Jungs im Bett liegen und fragen: »Papa, was wir gemacht haben?«

Klaus Schwertner, Klosterneuburg, Österreich

 

Herzig

Woran der Waldarbeiter wohl gedacht hat, als er den Ast absägte? Ob er in Gedanken bei seiner Liebsten war? Oder ist ihm sein zufällig entstandenes Kunstwerk gar nicht aufgefallen? Mich jedenfalls bringt es jedes Mal zum Schmunzeln, wenn ich bei meinem Spaziergang an den Buchenstämmen vorbeikomme.

Elisabeth Weber-Strobel, Heidenheim