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Namentlich: Mein Wort-Schatz

Mein Wort-Schatz lautet namentlich. Wie kommt ein nebensächliches Adjektiv zu so hohen Ehren? Durch die hohe Lage, in der ich dieses Wort das erste Mal in seiner durchdringenden Wirkung erlebt habe:

Beim Aufstieg zur Zugspitze durch das Höllental ist auf knapp 2.500 Metern Höhe ein Schild angebracht. Es befindet (oder befand) sich an einer Stelle, an der früher der Weg vom Gletscher in den felsigen Kletterabschnitt überging. Der Text: »Weg von hier noch mühsam und lang. 2 – 3 Stunden, für schwächere Gänger mehr. Ungeübten sei der Aufstieg dringend widerraten, namentlich bei zweifelhaftem Wetter. Neuschnee, Wind und Kälte nehmen mit der Höhe an Stärke zu und bringen schwere Gefahr.« Nie wurde mir eine Warnung eindringlicher nahegebracht. Es wird nicht die Worthülse »alpine Gefahren« bemüht, die Gefahren werden namentlich benannt. Ich weiß nicht, ob das Schild noch existiert. Es hätte nach wie vor seine Berechtigung. Aber der Gletscher ist stark geschmolzen, sein Ende und die Randkluft liegen in der Zwischenzeit wesentlich tiefer, und somit ist die Überschreitung des Blankeises mittlerweile die eigentlich gefährliche Stelle dieser Tour.

Renate Lugmeier, Allershausen, Oberbayern

 

Das ist mein Ding

Diese Lokomotive hat mich bis zum heutigen Tag immer und überall begleitet. In meiner Kindheit wurde die Lok, zu der noch ein Wagen gehörte, allerdings nur in äußerst seltenen Fällen zum Spielen »freigegeben« und dann auch nur unter Mutters wachsamen Augen. Waren es doch die letzten Gegenstände, die unmittelbar von unseren Vater kamen und an ihn erinnerten. Wie unsere Mutter uns erzählte, hatte ihr Mann Lok und Wagen in den wenigen freien Zeiten des Russlandfeldzuges für seine Kinder geschnitzt, und sie erreichten uns, in einem Feldpost-Paket gut verpackt, auf beinahe wundersame Weise kurz vor Weihnachten 1943. Unser Vater geriet dann 1944 in rumänische Gefangenschaft, galt als vermisst und starb vermutlich im darauf folgenden Winter in den endlosen Weiten Sibiriens.

Über den Wert und die Bedeutung dieses Spielzeuges haben meine Schwester und ich als Kinder verständlicherweise selten nachgedacht. Erst später bekam dieses Geschenk seinen beinahe reliquienhaften Charakter. Sicherlich wird diese Kostbarkeit wohl auch von den nachfolgenden Generationen behütet und bewahrt werden, als Erinnerung an einen unglücklichen Menschen, der damals in einem sinnlosen Krieg nicht nur sein Leben verlor.

Henning H. Drescher, Bad Arolsen, Hessen

 

Was mein Leben reicher macht

Ich sitze in unserem Garten, während nebenan die Nachbarskinder spielen. »Ich bin ein Tiger«, schlägt der vierjährige Jerome vor, doch seine Schwester entscheidet: »Nein, du bist jetzt ein normaler Mensch!« – »Was ist ein normaler Mensch?«, fragt Jerome zurück. Darauf die sechsjährige Fabienne: »Ein normaler Mensch ist ein Mann!«

Dieter Eckert, Kranenburg (Niederrhein)

 

Appetit

Im Spessart begegnete uns dieses halb verzehrte Verkehrsschild. Dazu ist mir dieser Reim eingefallen: Die Eiche hier hat Appetit sogar aufs Straßenschild aus Blech. Das ist für dieses echtes Pech – Schon halb verzehrt, wie man ja sieht.

Georg Blum, Hainburg, Hessen

 

Zeitsprung

Zu Pfingsten 1929 besuchte der damals sechsjährige Hans Schwank zum ersten Mal mit seinen Eltern das Benediktinerkloster Beuron. Auf dem oberen Foto steht er neben seiner Mutter vor der Holzbrücke über die Donau. Noch heute erinnert er sich, wie sehr ihn die Fresken mit abenteuerlichen Szenen aus dem Leben des heiligen Benedikt im Kreuzgang des Klosters beeindruckten. Nur wenige Monate nach seiner Rückkehr aus dem Krieg trat Hans Schwank 1946 als Mönch in die Erzabtei Beuron ein und erhielt den Ordensnamen Benedikt. Ich habe Pater Benedikt 1986 während eines ökumenischen theologischen Studienjahrs in Jerusalem als Professor für Neues Testament und Leiter unserer archäologischen Exkursionen kennengelernt – und noch heute ist die Forscher- und Entdeckerfreude, mit der er die Bibel liest, ansteckend. Jetzt feiert er sein 65. Professjubiläum. Bei einem Besuch in Beuron entstand vor Kurzem wieder ein Foto an der Holzbrücke über die Donau, das den inzwischen 89-jährigen Pater zeigt.

Anne Thillosen, Tübingen

 

Lobesam: Mein Wort-Schatz

Seit mir als Kind der Herr von Ribbeck begegnet ist, liebe ich die Vokabel lobesam. Als Kind glaubte ich zu wissen, was dieses Wort bedeutete, nämlich »leider, zu allem Unglück«. Erst Jahre später, als mir der Wahrig zum sprachlichen Wegbegleiter geworden war, habe ich nachgeschlagen. »Verdienstvoll, tüchtig« stand da. Und doch finde ich bis heute, dass meine eigene Übersetzung genauso passend ist.

Gertraud Obst, Bissendorf (Wedemark)

 

Was mein Leben reicher macht

Vor dem Einschlafen an etwas Schönes zu denken. Früher war es das Gesicht meines ersten Enkelkindes, heute sind es Stimme und Gesicht meines Lieblingstenors Jonas Kaufmann.

Ursula Dumond, Saint-Genis-Laval, Frankreich

 

Was mein Leben reicher macht

Job weg. Exmann und Arbeitsagentur streiten, wer finanziell einspringen muss. Auf dem Amt sieben Termine bei sechs Leuten in fünf Wochen und immer noch kein Geld. Die Miete unbezahlt, der Dispo ausgeschöpft. Beim achten Termin sehen sich nacheinander zwei Mitarbeiter außerstande, mir wenigstens fünfzig Euro Barauszahlung zu gewähren. Keiner in meinem Umfeld, der sich darüber nicht empört. Eine ältere Dame sagt: »Jetzt ist Schluss! Wir essen immer um eins. Bis das geklärt ist, kommen Sie bitte zu uns zum Mittagessen.« Danke, Frau Fendel!

Claudia J. Vogelsang, Köln