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Was mein Leben reicher macht

Vollgepackt mit Einkaufstüten laufen mein Freund und ich von der Tram-Haltestelle zu seiner Wohnung. Es regnet wie aus Kübeln, und wir teilen uns nur einen kleinen Schirm. Neben uns hält ein Auto, und eine Frau fragt, ob sie uns ein Stück mitnehmen kann. Wir lehnen dankend ab und gehen die letzten 200 Meter fröhlich durch den Sommerregen nach Hause.

Maike Hölscher, München

 

Was mein Leben reicher macht

Vor drei Wochen bin ich mit dem Fuß umgeknickt und gehe seither auf Krücken durch meinen Kiez. Immer wieder kommt es vor, dass mir wildfremde Menschen aufmunternd zulächeln, den Weg frei machen oder alles Gute wünschen. Gestern begegnete mir ein junger Mann, ebenfalls auf Krücken. Als wir auf gleicher Höhe waren, sagten wir beide gleichzeitig »Gute Besserung«. Ich kam danach nur langsam nach Hause: Ich musste immer wieder stehen bleiben, um zu lachen.

Florence von Bodisco, Berlin

 

Internationale Küche

»Blaue Schweineschnur« fand ich in einem Restaurant bei Colmar im Elsass auf der Karte. Es handelte sich um Cordon bleu vom Schwein. Was lernen wir daraus? Das Elsass ist und bleibt deutschsprachig. Es hat ausgezeichnet geschmeckt.

Hanns Brugger, Horben, Schwarzwald

 

Und jetzt?

Straßenschilder auf der Insel Kefalonia, Griechenland. Argostoli ist die Inselhauptstadt – und offenbar führen alle Wege nach Rom. »It’s all Greek to me«, sagt man auf Englisch, wenn man »nur Bahnhof« versteht. Ich aber folgte dem Weg nach rechts und kam tatsächlich im schönen Argostoli an. Im nächsten Urlaub probiere ich dann den anderen Weg aus!

Ruth Stoller, Ennetbaden, Schweiz

 

Was mein Leben reicher macht

Neulich als frisch Zugezogene in einem kleinen Dorf in Westfalen. Hektisch gehe ich aus dem Haus und will mit dem Auto zur Arbeit fahren. Erneut fällt mir auf, dass die Glocken mittwochmorgens anders läuten als an den anderen Tagen. Eine Dame mit Gesangbuch in der Hand geht vorbei, und ich frage sie. Ja, es sei immer Wortgottesdienst, mittwochs früh. Leider fehle mir jetzt die Zeit für Besinnliches, entgegne ich. »Fahren Sie vorsichtig!«, meint die Dame und fügt nach ein paar Schritten hinzu: »Wissen Sie was, ich bete einfach für Sie mit!«

Kirsten Reckeweg, Eikeloh

 

Dabei: Mein Wort-Schatz

1984, als ich drei Jahre alt war, ist meine Familie aus der Türkei nach Deutschland migriert. Damit wir so schnell wie möglich Deutsch lernten, gingen meine Zwillingsschwester und ich schon wenige Wochen nach unserer Ankunft in München in den Kindergarten. An unserem ersten Tag im Kindergarten dachte unsere Mutter gar nicht daran, uns was zu essen einzupacken. Sie nahm an, dass wir im Kindergarten etwas zu essen kriegen würden, wie sie es eben aus der Türkei kannte. Zur Mittagszeit packten dann alle Kinder ihre Brote aus. Nur wir hatten nichts zu essen. Als die Kindergärtnerin bemerkte, dass wir mit großen Augen die Brote der anderen Kinder anschauten, kam sie auf uns zu und fragte: »Na, ihr zwei, habt ihr nichts dabei?« Da wir noch kein Deutsch konnten, verstanden wir gar nichts. Schauten uns fragend an und dann wieder mit großen Augen auf die Brote der anderen Kinder.

Zu Hause sagten wir unserer Mutter, dass wir von jetzt an auch »Dabei« haben wollten. Unsere Eltern wussten natürlich erst mal gar nicht, was wir meinten, und fragten am nächsten Tag die Kindergärtnerin, was ein »Dabei« sei. »Dabei« war eines der ersten Wörter, die wir auf Deutsch lernten, und das Wort hat in unserer Familie immer noch eine ganz besondere Bedeutung. Noch heute fragen meine Zwillingsschwester und ich uns manchmal scherzhaft: »Na, Lust auf ›Dabei‹?«

Basak Tezcan, Brüssel

 

Europa

(Nach Gottfried Benn, »Astern«)

Europa – kriselnde Tage,
vergangener Sünden Bann.
In Brüssel berät man die Lage
und stellt Überlegungen an.

Noch einmal die vielen Moneten?
Noch einmal Milliardengrab?
Wohl besser als tausend Raketen,
das, was man Siechenden gab.

Noch einmal das leise Geraunte,
die Hoffnung: solidarisches Du.
Europa lehnte und staunte
den fließenden Euros zu.

Noch weitere bange Stunden,
wo längst es jeder weiß:
Die Geier drehen die Runden
und ziehen ihren Kreis.

Ulrich Novotny, Immenstadt im Allgäu

 

Was mein Leben reicher macht

Im Gespräch mit meinem fünfjährigen Enkel verwende ich einen Kraftausdruck, der mit »Sch« beginnt. Sagt Manolo: »Opa, das darf man doch nicht sagen! Nur im Auto!«

Frank Laier, Stuttgart

 

Die Mickeymaus-Akkreditierung

Ischgl, Tirol, im April 2002. Der Hotelier Günther Aloys hat keine Kosten und Mühen gescheut, um den 42. Präsidenten der USA, Bill Clinton, kurz nach dessen zweiter Amtszeit zu einem Besuch auf die 2300 Meter hoch gelegene Idalpe einzuladen. Clinton wird eine Message from the Mountains an die Jugend Europas richten. Geheimdienstmitarbeiter bereiten den Aufenthalt des Ex-Präsidenten minutiös vor. Als Journalistin soll ich darüber berichten. Kurz zuvor war ich in Disneyland Paris, habe noch meine Eintrittskarte. In Plastik eingeschweißt, an einem breiten schwarzen Band. Nicht ganz ernsthaft sage ich, das sei mein »pass to the president«. Heiterkeit. Dann Hektik. Und so schaffe ich es mit meiner gelben Mickymaus-Akkreditierung tatsächlich bis in den VIP-Bereich. Bill Clinton kommt mit ausgestreckter Hand auf mich zu und begrüßt mich mit einem freundlichen »Hello again!«.

Caroline Kleibel, Salzburg

 

Internationale Küche

In Alausi, einem kleinen Ort in Ecuador, fanden wir »Hähnchenzimmer« auf der Speisekarte eines Restaurants. Die englische Übersetzung (chicken rooms) half uns auch nicht wirklich weiter. Erst bei Betrachtung der spanischen Karte ging uns ein Licht auf: cuarto de pollo bedeutet »1/4 Hähnchen«. Cuarto heißt aber eben auch »Zimmer«.

Susanne Becker, Baden-Baden