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Was mein Leben reicher macht

Es ist Sonntagmorgen, und eigentlich möchte ich nur schnell etwas bei meiner Freundin abholen. Aber sie hat leckere Brote geschmiert und ein Fläschchen Sekt kalt gestellt! Wir schnacken uns fast drei Stunden fest. Schöner kann ein Sonntag nicht beginnen.

Marie Luise Kappe, Delmenhorst

 

Was mein Leben reicher macht

Der 18. Geburtstag meiner Tochter, gleichzeitig der Tag ihrer letzten schriftlichen Abiturprüfung. Vor Freude sprühend, kommt sie nach Hause, in der Hand eine Rose mit einem Zettel: »Danke für 18 Jahre der schönsten Kindheit, die man haben kann.«

Anke Nerlich, Halle

 

Zeitsprung

Das Bild oben entstand 1997 auf einer Fähre nach Schweden. Unsere Tochter Tinna war ein Jahr alt und schien sich nichts Schöneres vorstellen zu können, als mit uns Eltern in den Urlaub zu fahren, bei ihrer Mama auf dem Arm zu sein und mit ihr zu knuddeln. 15 Jahre später dagegen kann sich unsere Tochter fast nichts Schöneres vorstellen, als ohne uns Eltern durch die Welt zu reisen. Zum Knutschen sind wir auch nicht mehr die erste Wahl. Den engsten Kontakt haben wir über Facebook. Es hat sich viel verändert, nicht alles verstehen wir. Manchmal jedoch blitzen kleine Funken der Erinnerung auf. Wie nach Tinnas Rückkehr von einem mehrmonatigen Aufenthalt in Australien, als sich Mutter und Tochter voller Freude um den Hals fielen.

Frans Brood, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

An einem Mittwochmorgen versuche ich meine Erstklässlerin wach zu machen. »Ist heute Freitag?«, fragt sie mich strahlend, ihre Zahnlücke zeigend.

Anna Matt, Bad Waldsee, Baden-Württemberg

 

Hollerbusch: Mein Wort-Schatz

Zwölf Jahre lang radelte ich auf dem Weg zur Arbeit an einem Wiesengrundstück vorbei, an dessen Rand ein alter Hollerbusch stand. Ich freute mich in jedem Frühjahr über die Knospen und erntete hin und wieder einzelne Dolden, um mir daraus ein erfrischendes Blütenwasser zu bereiten. Vor ein paar Tagen musste ich bestürzt feststellen, dass Landschaftsplaner das Grundstück neu gestalten und mein lieber alter Hollerbusch moderneren Pflanzen Platz machen musste. Nun fehlt mir auf dem Weg etwas, stattdessen geht mir täglich der alte Kinderreim durch den Kopf: »Wir sitzen unterm Hollerbusch und machen alle husch, husch, husch.«

Dietlinde Schmalfuß-Plicht, Erfurt

 

Was mein Leben reicher macht

Am Ende des Unterrichts über den Zweiten Weltkrieg zeige ich Bernhard Wickis Film Die Brücke. Sieben Jungs aus einer Kleinstadt werden in den letzten Kriegstagen eingezogen, einer nach dem anderen wird abgeknallt bei dem sinnlosen Versuch, die heranrückenden Amerikaner aufzuhalten. Wenn zum Schluss der junge Fritz Wepper als überlebender Albert über die Brücke nach Hause torkelt, ist es in der Klasse still. Einigen stehen Tränen in den Augen.

Christian Merl, Papenburg

 

Die Kritzelei der Woche

Solche Kritzeleien meines Mannes Dieter gibt es viele bei uns zu Hause. Sie entstehen bei Gesprächen ganz nebenher – auch, wenn er sich mit mir unterhält. Anfangs fiel es mir schwer, das nicht als Zeichen von Desinteresse zu betrachten und nicht gekränkt zu reagieren. Inzwischen habe ich gelernt: Das Kritzeln hilft ihm, sich zu konzentrieren. Er ist hinterher oft selbst ganz erstaunt, was da entstanden ist. Diese Zeichnung hier stammt aus einer Gesamtlehrerkonferenz.

Angelika Dworschak, Ulm

 

Was mein Leben reicher macht

50-jähriges Abiturtreffen in Berlin. Unsere Deutschlehrerin, inzwischen 87 Jahre alt, kam mit dem Rad zwölf Kilometer aus Lichterfelde dazu. Wir standen im Kreis und lästerten über unsere alten Pauker, besonders über den mehr als ungeliebten Mathelehrer. Unsere Lehrerin beteiligte sich lebhaft: »Ja, der F. war wirklich ein blöder Hund!« Schallendes Gelächter, und die alte Dame strahlte, als habe sie gerade mit uns Abi gemacht.

Jörg Heidelberger, Grünstadt, Rheinland-Pfalz

 

Was mein Leben reicher macht

Frühlingsregen, die Amseln tapsen durch das Gras und verschwinden mit den Köpfen darin. Wenn sie mit einem Wurm im Schnabel wieder auftauchen, sieht man förmlich den Stolz in ihren Gesichtern.

Constanze Kremer, Runkel-Schadeck, Hessen

 

Das ist mein Ding

Mein Vater hat als junger Mann wunderschöne Segelschiffe aus Walnussschalen gebaut. Leider gingen sie mit der Zeit kaputt oder fielen Umzügen zum Opfer. Als er schon sehr krank, auf einem Auge blind und über seinen Zustand auch zunehmend deprimiert war, erinnerte ich mich seiner Kunstwerke und bat ihn, es doch noch einmal zu versuchen. Meine Hoffnung war nicht sehr groß, dass er darauf eingehen würde. An meinem darauffolgenden Geburtstag jedoch überraschte er mich mit diesem kleinen Segler. Wie viel Mühe hatte er darauf verwandt! Leider ist mein Vater vor fünf Jahren gestorben. Dieses Schiffchen jedoch wird mir stets ein Beweis seiner Zuneigung sein – es hat einen Ehrenplatz, und ich erfreue mich jeden Tag daran.

Hildegard Herzog, Rottenburg, Bayern