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Das ist mein Ding


»Als er fünf Jahre alt war, bin ich zu meinem Chef gekommen, und jetzt wache ich seit siebzig Jahren über seinen Schlaf. Was habe ich in dieser Zeit nicht alles erlebt! Ausgebombt in Berlin-Südende, bin ich 1943 mit in den Westen gezogen und wurde von der Mutter des Chefs in Verwahrung genommen, als er mich als 14-Jähriger glaubte entbehren zu können. Ich wurde mit einem neuen Fell eingekleidet und bei der Hochzeit meines Schützlings präsentiert. Seitdem habe ich die beiden begleitet, von Marburg nach Essen, Düsseldorf, Köln, Kassel und Siegburg. Ganz toll finde ich es, wenn die Enkel meines Chefs kommen und sagen: ›Cool, dass der Opa auch einen Teddy im Bett hat!‹ Die wollen dann manchmal mit mir spielen. Aber bei aller Fitness: Dafür bin ich jetzt doch zu alt.«

Walter Bitter, Siegburg

 

Zeitsprung

1962

2011

Im vergangenen Sommer entstand das Farbfoto von meiner dreijährigen Enkeltochter Hanna. Als ich es sah, musste ich an meine eigene Kindheit zurückdenken. Ich suchte in meinem alten Fotoalbum und wurde tatsächlich fündig: Auch von mir gibt es ein Bild in genau so einer Zinkwanne. Es stammt aus dem Sommer 1962 und zeigt mich als Vierjährige mit einem Nachbarsjungen. Ist es nicht schön, dass auch nach fast 50 Jahren so eine einfache Wanne, ein wenig Wasser und Sonne reichen, damit Kinder sich freuen?

Petra Riemerschmid, Reichertsheim, Oberbayern

 

Was mein Leben reicher macht

Von rechts nach links watschelt ein Entenpaar über die Kreuzung. Alle Autos fahren langsamer und halten schließlich an, da Ente und Erpel mitten auf der Kreuzung stehen bleiben und sich stoisch umgucken. Dann watscheln sie erhaben auf die andere Straßenseite. Die Autofahrer zeigen sich gegenseitig ein »Daumen hoch« und fahren lächelnd weiter.

Astrid Redelfs, Aurich

 

Frühling

(Nach dem Volkslied »Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt«)

Im Märzen der Bauer den Traktor einspannt.
Er sprühet die Gülle auf Wiesen und Land.
Er mästet die Schweine und stopft’s Federvieh,
Er melkt mit Maschinen die Turbomilchküh’.

Die Schweine und Rinder, sie wollen nicht ruh’n,
Sie darben in Kästen, aber dürfen nichts tun.
Sie fressen und fressen und träumen ihr Lied:
Wie schön wär’s da draußen, wo’s grünet und blüht!

So vergeht ohne Himmel ihr Leben allhier,
Bis greift sich der Metzger das g’schund’ne Getier.
Wir machen uns Schnitzel und Braten daraus,
So steiget am Abend manch fröhlicher Schmaus.

Wir genießen das Leben von morgens bis spät,
Die Menschen nur ernten was selbst sie gesät.
Was schert uns das Morgen, wir leben ja heut,
In the long run, my darling, we are nothing but dead.

Hartmut Stieger, Flums, Schweiz

 

Was mein Leben reicher macht

Einer der ersten Frühlingstage: sonnig, aber trotzdem kalt. Eine junge blinde Frau sucht mit Blindenstock am Bürgersteig neben einer stark befahrenen Straße ihren Weg. Mit Sicherheitsabstand folgt ihr eine Passantin. An der Straßenecke bleibt sie stehen, blickt der jungen Frau nach, bereit, ihr hilfreich zur Seite zu springen. Es gibt sie doch, die Schutzengel!

Alexandra Edlinger, Graz, Österreich

 

Was mein Leben reicher macht

Seit fünf Monaten sind wir glückliche Großeltern eines kleinen Mädchens. Impulsiv umarmt mich meine 32-jährige Tochter und sagt: »Ach Mami, ich freu mich schon so darauf, wenn Clärchen mitkriegen wird, was für eine herrlich verrückte und inspirierende Omi sie hat!« Ich muss schlucken.

Helga Leichert, München

 

Renitent


Hier ein Straßenbild aus unserer Landeshauptstadt. »Bitte vorwärts einparken« – und keiner hält sich daran. Und es hat noch nicht einmal was mit »S 21« zu tun!

Markus Koch, Stuttgart

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Freund, der gerade wirklich Anlass zu mieser Stimmung hat, schreibt mir eine SMS: »Hab die ganze Zeit schlechte Laune. Aber wenn ein Blitzer auf der Friederikenstraße angesagt wird, freu ich mich trotzdem. Ich liebe dich!«

Friederike Degner, Leipzig

 

Kritzelei der Woche


Doodle heißt so eine Kritzelei auf Englisch. Und auch ich habe ein ganzes Sammelsurium von doodles. Hier eines, das während eines Seminars unserer Arbeitsgruppe im Department of Chemistry an der hiesigen Universität entstand, als ich zwei der Vorträge mehr oder weniger konzentriert verfolgte.

Dagmar Urgast, Aberdeen, Schottland

 

Was mein Leben reicher macht

Auf dem Weg zur Arbeit. Radio Figaro bringt einen Beitrag über die Bibliothek von Alexandria. Mehrfach fällt das Wort »Papyrus«. An einer Kreuzung muss ich anhalten. Wieder ein Satz mit »Papyrus«. Im selben Moment fährt ein Lkw über die Kreuzung. Auf seinem Aufbau in großen Buchstaben nur ein Wort: »Papyrus«. Solche Momente sind für mich die Salzkörnchen in der Lebenssuppe.

Peter Weckmüller, Wietze, Niedersachsen