Immer noch: Die Karte, die meine Tochter für mich unter den Weihnachtsbaum gestellt hat. Sie hat im vergangenen Juli mit 19 Jahren ihren Sohn Till geboren. Und schreibt: »Meine allerliebste Mama, ich danke Dir dafür, dass Du in diesem Jahr, dem schwersten und aufregendsten meines Lebens, hinter mir gestanden bist. Womöglich wäre ohne Dein festes Vertrauen darauf, dass alles gut wird, Till jetzt nicht bei uns.«
Ein langer Abend: Ich hatte Zeit für die ZEIT. Und Muße.
Frank Thiel, Leipzig
Raum für Gedankenspiele hieß ein Bericht im Chancen-Teil der ZEIT Nr. 01/12. Da berichteten vier Kreative, was sie inspiriert – und als Inspiration für die Leser blieb die halbe Zeitungsseite (fast) frei. Viele Leserinnen und Leser haben den Freiraum genutzt und uns ihre Kreationen geschickt. Hier veröffentlichen wir noch eine Einsendung, die uns besonders gut gefallen hat.
In Zeiten einer immer lauter werdenden Event-Kultur sagt mir stillvergnügt: Man kann auch ganz alleine für sich ein stilles Vergnügen finden. Man braucht dazu nicht viel: Nach einem langen Arbeitstag die Füße hochlegen, etwas Käse und ein Glas Wein. Den Gedanken nachhängen und sonst nichts tun. In Zeiten höchster Effizienz und eines lauernden Freizeitstresses ein wahrer Luxus. Klein und unscheinbar wie auch dieses schöne Wort, für das ich unserer Sprache danke!
Nach einem Schlaganfall vor sechseinhalb Jahren ist meine Mutter halbseitig gelähmt. Aber jeden Vormittag absolviert sie beim Fernsehen ihr Training mit dem Zimmerfahrrad. Sie ist 90 Jahre alt.
Dies ist zwar streng genommen kein Straßenbild, sondern ein Schienengebundeneverkehrswegebild, aber trotzdem nett. Aufgenommen vor etwa einem Jahr im Bahnhof Hamburg-Altona. Passt doch gut zu der immer wieder aufkeimenden Debatte, den Bahnhof Altona aus dem Fernverkehr zu nehmen.
Der alte Stuhl ist mein Lieblingsgegenstand. Er wurde Anfang der sechziger Jahre in der Fabrik ausgemustert, in der mein Vater arbeitete. Der Stuhl sei »von oben«, erklärte er uns. »Oben«, das waren die Büros der Angestellten. In meiner Erinnerung war die Hierarchie zwischen Büroarbeitern und den Männern in der Fabrikhalle noch eklatant. Dieses Möbel begleitet mich seither durch alle Stationen meines Lebens und passt sich der jeweiligen Einrichtung wunderbar an. Allerdings hält es gerade noch das Gewicht meines Katers aus …
Meine Mitreisenden morgens in der S-Bahn. Beim Umsteigen etwa wartet oft mit mir zusammen eine Frau mit Rucksack, meist hat sie auch noch Tragetüten dabei. Sie trägt eine dicke Brille und immer Hut, sommers wie winters. Und sie liest viel, meistens englische Krimis im Original. Wo sie wohl hinfährt? Vielleicht ist sie Nanny einer englischen Familie? Oder führt sie einem älteren, ohne Zweifel distinguierten Herrn den Grunewalder Villenhaushalt?