Lesezeichen
 

Was mein Leben reicher macht

Die Sendung SWR 2 am Morgen. Noch im Dunkeln greife ich nach dem Radioknopf, und Wohlklang macht mich langsam wach. Ich glaube, dass ich Musik nie intensiver höre als in dieser Stunde, und die kurzen Wortbeiträge zwischen den Musikstücken geben dem erst halb wachen Hirn schon mal was zu denken.

Ingeborg Kaether, Alpirsbach

 

Was mein Leben reicher macht

Außer im Hochsommer trug meine Großmutter über ihren Kleidern immer eine kleine schwarze Wollweste mit zierlichen Knöpfen. Sie fror leicht im Rücken und nannte das Kleidungsstück »meinen Seelenwärmer«. Ich fand das eine schöne, anheimelnde Bezeichnung. Und da ich auch oft im Rücken friere, habe ich diesen Usus übernommen und mir eine Kollektion von Westen für alle Jahreszeiten zugelegt, die ich gerne trage und die mir Seelenwärme geben.

Eleonore Uhlig, Tübingen

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn das Flugzeug startet, sitze ich immer in Angst erstarrt, Schwitzehändchen inbegriffen. Neulich beim Abheben nimmt mein fremder Sitznachbar spontan meine Hand und hält sie fest, bis wir oben sind. Wir haben nicht gesprochen.

Regine Gfesser, Stuttgart

 

Was mein Leben reicher macht

Draußen Silvesterknaller, drinnen auf dem alten Plattenspieler Songs from a Room von Leonhard Cohen. Im Glas ein wunderbarer Sagrantino aus Umbrien. 2012 kann kommen!

Werner Link, Wachtberg

 

Grund genug


Auf dem Weg zu einem Spaziergang an der Elbe fiel uns kürzlich diese Mitteilung an einem Lokal am Dresdener Schillerplatz auf.

Mathias Meuer, Freital-Pesterwitz

 

Was mein Leben reicher macht

Die Amsel, die seit vier Wintern auf meinem Balkon Futter sucht, ist wieder da. Ich erkenne sie an einer weißen Feder auf jedem Flügel. Wie schön, dass sie ein weiteres Jahr überlebt hat!

Rita Herber, Bad Camberg

 

Sekundärrohstoffannahmestelle: Mein Wort-Schatz

Dieses Wort geht mir nicht aus dem Kopf: Sekundärrohstoffannahmestelle. Tatsächlich war das in meinen Kindertagen in der damaligen DDR ein nicht nur gebräuchliches Wort, sondern eine kleine Einnahmequelle für Kinder. Es war nichts anderes als eine Annahmestelle für Flaschen, Gläser und Papier. Diese wurden – soweit mir noch bekannt ist – nur an diesen Stellen abgegeben und nicht im Geschäft, wo man eingekauft hatte. Ausgerüstet mit einem Bollerwagen, zog man samstags von Plattenbau zu Plattenbau. Hundertmal geklingelt, hundertmal treppauf, treppab, hundertmal die Frage: »Guten Tag, haben Sie Flaschen, Gläser und Altpapier?« Ich war froh, wenn jemand Marmelade lieber mochte als Bier, denn für Gläser gab es ein paar Pfennige mehr als für Flaschen. Altpapier war nicht sehr rentabel, aber wer wollte schon auf eine zusätzliche Tafel Schokolade verzichten? Resultat eines ganzen Samstags: vier Stunden Sammeln, vier Stunden Anstehen, fünf Minuten am Kiosk für ein paar Süßigkeiten. Heute werde ich schon nervös, wenn ich am Mehrwegautomaten eine Minute zu lang warten muss. An Gummibärchen und Co gehe ich lustlos vorbei. Aber an das Wort und die Anstrengungen von damals erinnere ich mich heute noch gern. Da war Zeit noch relativ.

Sylke Brand, Wiesloch

 

Akklimatisieren: Mein Wort-Schatz

Ich mag das Wort akklimatisieren. In den achtziger Jahren fuhr ich als Kind jedes Jahr mit meinen Großeltern in den Urlaub. Egal, ob im Sommer am Gardasee oder im Herbst an der Nordsee – erst mussten wir uns langsam an die ungewohnten Temperaturen, das andere Essen, die raue Luft gewöhnen. In der Hitze Italiens verließ man zur Mittagszeit den Strand, um sich in der Kühle des Hotelzimmers eine Auszeit zu gönnen, in Büsum war Barfußlaufen in den ersten Tagen tabu. Körper und Seele mussten erst mal ankommen können. Nach drei bis vier Tagen fing der Urlaub dann so richtig an! Heute jetten wir für zwei Nächte zum Sightseeing oder über Silvester in die Karibik. Mein Lieblingswort und sein Sinn spielen dabei keine Rolle mehr. Dafür haben wir gar nicht die Zeit! Vielleicht hat man deshalb manchmal das Gefühl, gar nicht weg gewesen zu sein!

Simona Ernst, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Oma ist 97 und erfreut sich bester Gesundheit. Nur die Ohren und das Gedächtnis! Zu Weihnachten hole ich sie zu uns nach Hause und helfe ihr in den Mantel. Das sei ganz sicher nicht ihr Mantel, sagt sie. »Doch Omi, ganz bestimmt!« Sie schüttelt den Kopf, zieht den Mantel trotzdem an und sagt im Hinausgehen: »Du bist zwar ein Schatz, aber recht hast du trotzdem nicht!«

Jan Magatzki, Itzehoe

 

Zeitsprung


1964 bereiste mein Großvater Alfred Hesse die Mongolei und brachte eine Vielzahl von Zeichnungen und Skizzen mit. Seine spannenden Geschichten von wilden Reitern und mystischen Tempeln begeisterten uns Enkelkinder. 41 Jahre später, noch immer seine Worte im Kopf, kam ich selbst in dieses wunderbare Land. Viel hat sich nicht verändert, und an so mancher Stelle entdeckte ich ein mir vertrautes Motiv. Unmittelbar in der Nähe des Gandan-Tempelkomplexes in Ulan Bator befindet sich ein Tempel, der eine Statue des Megdshid Dshanrajsig beherbergt. 1913 eingeweiht, symbolisiert die Skulptur die Unabhängigkeit der Mongolei. 1938 demontierten die Russen den Buddha im Zuge der antilamaistischen Ausschreitungen. Anfang der neunziger Jahre wurde eine Kopie der Statue angefertigt und 1996 am ursprünglichen Ort aufgestellt. Interessanterweise sieht man kleine Unterschiede zwischen dem alten, 1964 gezeichneten, und dem neuen, 2005 fotografierten Dach des Tempels. Auch die Jurten vor dem Gebäude sind verschwunden.

Antje Kakuschke, Hamburg