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Welterklärer


Wer sein Fischgeschäft eine »Fisch-Oase« nennt, der sieht Lachsforellen unter Dattelpalmen oder hat nicht das innigste Verhältnis zur Sprache. Jedenfalls gibt es diese Fisch-Oase in Bensheim-Auerbach an der Bergstraße. Eben buchstabiert ein Erstklässler an der Hand seiner Mutter auf der anderen Straßenseite das merkwürdige Wort: O-A-S-E. Dann: »Mama, was ist eine O-a-s-e?« Die Mama etwas ungehalten: »Das siehst du doch! Eine Oase ist ein Geschäft, das Fische verkauft!« Das Kind nickt vage. Irgendwie hat es sich mehr erhofft.

Gisela Wand, Bensheim-Auerbach

 

Was mein Leben reicher macht

An einem dieser goldenen Oktobertage wandere ich im Hochschwarzwald und bin so überwältigt vom Blick über Berge und Täler, dass ich mich prompt verlaufe. Ich frage die Bewohnerin eines einsamen Forsthauses, wo ich denn gelandet sei. Sie kocht mir erst einmal Kaffee und bringt mich dann mit ihrem Auto auf den richtigen Weg. »Man soll doch jeden Tag etwas Gutes tun«, erklärt sie mir strahlend, »und heut sind Sie dran!«

Elke Habel, Grenzach-Wyhlen

 

Was mein Leben reicher macht

Bob, assistant principal der Highschool, mit der uns ein Schüleraustausch verbindet, und drei Wochen lang mein fürsorglicher Gastgeber‚ ließ es sich nicht nehmen, mich persönlich zum Chicagoer Flughafen zu bringen. Mit englisch-trockenem Humor begabt und eher unamerikanisch spröde, sagt er zum Abschied »Goodbye« und – zum ersten Mal – »my friend«. Alle pathetischen »We’ll miss you« anderer Kollegen in Saint Charles habe ich tränenfrei als rituelle Kommunikation abgehakt. Aber Bobs Worte beschäftigen mich während des Rückflugs über sieben Zeitzonen hinweg.

Andreas Goletz-de Ruffray, Ammersbek

 

Lieber Emil,

ich weiß nicht, ob Du diese Zeilen je in Deinem Leben wirst lesen können. Du bist in unseren Armen im Sommer dieses Jahres an einem Stückchen Möhre erstickt. Dein Schutzengel war nicht da, und alles hat sich gegen Dich verschworen. Der Rettungswagen kam viel zu spät, und im Krankenhaus konnte zwar Dein Leben gerettet werden, aber Dein Gehirn hat sehr großen Schaden genommen. Ich danke Dir für die Freude, die wir mit Dir und Deinem Zwilingsbruder in den fast zwei Jahren hatten. Dein Lachen, Deinen Wagemut, Dein Liebkosen, wenn Du in meine Backe gebissen hast, weil Du nicht wusstest, wie ein richtiger Kuss geht. Ich werde Dich immer lieben und Dir all mein Lachen widmen, in der Hoffnung, Dich eines Tages auch wieder lachen zu sehen. Deine Oma.

Brigitte Bauer, Pretzfeld

 

Kritzelei der Woche


Ich habe während meines nun zu Ende gegangenen Berufsweges an zahllosen Vorträgen, Sitzungen und anderen Veranstaltungen teilgenommen, die nur durch Kritzeln zu überstehen waren. Sicher haben sich die Referenten über den aufmerksamen Zuhörer gefreut, der so eifrig mit Stift und Block zugange war. Bei der Vorbereitung des Autodafés meiner beruflichen Unterlagen ist mir auch diese Kritzelei in die Hände gefallen.

Karlheinz Hoseus, Altrip

 

Was mein Leben reicher macht

Frühmorgens auf dem Weg zur Arbeit. Ungemütliches, graues Herbstwetter. Ich bemerke den missmutigen Fahrer einer kleinen Straßenkehrmaschine. Ein kleiner Junge beobachtet staunend, wie die Besen die Blätter aufwirbeln und zusammenkehren. Seine Augen leuchten, das ganze Gesicht strahlt, er lächelt
dem Fahrer zu. Dieser lächelt zurück und fährt eine kleine Extrarunde für ihn. Auch mein Tag hat etwas Sonne abbekommen.

Gabriele Wilms, Kiel

 

Behumsen: Mein Wort-Schatz

Meinen Wort-Schatz habe ich dank unserer Milchkontrolleurin wiederentdeckt. Sie kommt einmal im Monat, um für den Zuchtverband die Leistung unserer Kühe festzustellen. Unsere Unterhaltung beim Krach des Melkmaschinenmotors drehte sich um die Kartoffelernte und die Zahl der eingekochten Gläser Marmelade. Deshalb bemerkten wir nicht, dass unsere Katzen auf die Ablage mit den Milchproben sprangen und dabei beinahe den Computer zur Eingabe der Milchmengen und Probennummern hinuntergestoßen hätten. Da sagte die  Milchkontrolleurin: »Die Versicherung hätte bestimmt angenommen, wir wollten sie behumsen, wenn wir die Geschichte so gemeldet hätten.« Das Wort ist ein verniedlichender Ausdruck für einen versuchten Betrug, von früher kenne ich es aber auch im milderen Sinne von »mogeln« oder »flunkern«. Ob die Versicherung geantwortet hätte: »Sie wollen uns wohl behumsen«? Ich glaube nicht.

Sonja Hellbaum, Ostercappeln-Schwagstorf

 

Was mein Leben reicher macht

Der Brotzeitmann! Jeden Tag, pünktlich um halb zehn, besucht er meinen Arbeitsplatz im Großraumbüro. Er hat belegte Semmeln, Birchermüsli, Brezeln und andere Leckereien dabei, mit denen sich ein Tag im Büro viel leichter überstehen lässt. Außerdem hat er immer Zeit für ein Schwätzchen, mal über privates, mal über die große Welt der Wirtschaft und Politik. Mit seiner fröhlichen Art und seinem guten Essen macht er meine Tage reicher.

Johannes Glas, Jena

 

Frau Merkel stand am Eismeer

(Nach Heinrich Heine, »Das Fräulein stand am Meere«)

Frau Merkel stand am Eismeer
Und seufzte lang und bang:
»Ich sehe hier kein Eis mehr.
Wo ist das hingegang’?«

»Frau Merkel! Kein Geziere!
Das ist ein altes Stück;
Tun Sie fürs Klima das Ihre,
Dann kehrt das Eis zurück.«

Helmut Schnitzspan, Seeheim-Jugenheim