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Sankt-Nimmerleins-Tag: Mein Wort-Schatz

Unter meinen Lieblingsworten ist es für mich das poetischste: Der Sankt-Nimmerleins-Tag. Wie man früher bestimmte Termine am Heiligenkalender ausrichtete (an Mariä Lichtmess etwa wurden auf dem Land Verträge mit dem Gesinde abgeschlossen oder verlängert, auch gab es kleine Geschenke, so für die Bauernmagd etwa ein Paar wollene Strümpfe, die vermutlich entsetzlich kratzten), so gab es für Abmachungen oder Vorhaben, an deren Verwirklichung erhebliche Zweifel bestanden, den Ausdruck, »etwas auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben«. Eine harte, womöglich schmerzliche Erkenntnis wurde in das sanfte Gewand eines Heiligen gekleidet, den es gar nicht gab. Die alten Römer waren da pragmatischer: Etwas auf den Sankt- Nimmerleins-Tag zu verschieben hieß bei ihnen »ad kalendas graecas«, weil der griechische Kalender die »Kalenden«, den ersten Tag jedes Monats, nicht kannte. Dass die armen Griechen schon ab urbem condita einen schlechten Ruf haben, wäre nur eine von verschiedenen Interpretationen, die heutige Zeitläufte nahelegen könnten. Wie dem auch sei, poetischer ist der Sankt-Nimmerleins-Tag allemal. Dass man den im Heiligenkalender vergeblich sucht, teilt er heute mit so manchem Heiligen, der vormals dort seinen Platz hatte.

Klaus Müller, Dortmund

 

Kritzelei der Woche


Meine Kritzeleien entstehen im Unterricht und nachmittags manchmal noch im Konfi-Unterricht. Manche Themen in der Schule finde ich einfach zu langweilig, daher habe ich schon in der dritten Klasse (oder so) angefangen, nebenher Bilder zu malen. Den Lehrern fällt das natürlich auf, doch was sollen sie tun? Ich störe keinen Mitschüler, und über meine Noten gibt es auch nichts zu klagen, also habe ich bis heute, bis in die neunte Klasse damit weitergemacht. Wahrscheinlich werde ich auch noch in der Uni Bilder malen, während die Professoren Vorträge oder Sonstiges halten.

Laura Nell, Fellbach-Schmiden

 

Was mein Leben reicher macht

Dass meine 24-jährige Tochter Katharina Lust hat, mit mir drei Wochen lang mit Rucksack durch Kenia zu reisen. Ich darf aus der Nähe erleben, wie sehr sie ihrem verstorbenen Vater ähnelt. So lebt er weiter. Welch ein Trost!

Karin Hartmann, Jork

 

Was mein Leben reicher macht

Neulich an der Kasse in einem Kreuzberger Bioladen. Kunde zum Kassierer: »Grüß Gott!« Kassierer: »Oh, Besuch aus Bayern!« Pinkhaarige Tochter des Kunden: »Quatsch! Der tut nur so. Der ist aus Braunschweig.«

Herta Kinder, Berlin

 

Erfrischungsraum: Mein Wort-Schatz

Erfrischungsraum. Mein Lieblingswort bezeichnet kein stilles Örtchen, sondern eine laute Lokalität der sechziger Jahre, wo schmatzende und schwatzende Menschen in Eile – man war ja beim Einkauf oder in der Mittagspause – Bratfisch, Bratwurst oder Boullion zusammen mit blassen Toast-Dreiecken vertilgten. In späteren Zeiten wurden die Erfrischungsräume von Selbstbedienungsrestaurants und Schnellimbissen abgelöst. Auf mich als dreizehnjährige Fahrschülerin übte der Erfrischungsraum im Untergeschoss bei Karstadt auf dem Westenhellweg in Dortmund eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Hier begann meine lebenslange Amour fou zu »Pommes mit« (damals Mayo, heute lieber Ketchup), hier blieb zwischen Unterrichtsschluss und dem nächsten Zug nach Hause so mancher Groschen meines knapp bemessenen Taschengeldes. Und was nicht im Erfrischungsraum umgesetzt wurde, landete in der ebenfalls erinnerungsträchtigen Milchbar…

Helga Bothe, Kierspe

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn ich donnerstags von der Arbeit komme, sitzt am S-Bahnhof Alexanderplatz manchmal ein alter Mann und verkauft Landgemüse oder wilde Blumen aus einer kleinen Kiste: ein Strauß Maiglöckchen für einen Euro fünfzig, drei Sonnenblumen für einen Euro, riesige Schmorgurken für ein paar Cent. Es bricht mir jedes Mal das Herz, wie er da im Strom der vorbeieilenden Pendler sitzt und still seine Blumen hält. Ich frage ihn, ob die Blumen aus seinem Garten sind. »Nee, die hab ick heute Morgen auf dem Feld jepflückt.« Ich nehme einen üppigen Strauß aus Mohn- und Kornblumen mit gelben Ähren und Kamillenblüten dazwischen. Ein Euro ist viel zu wenig, ich gebe ihm fünf. Da drückt er mir strahlend auch noch die restlichen beiden Sträuße in die Hand. »Feierabend! « Er packt seine Kiste, schüttet das Blumenwasser in den Ausguss, erhebt sich mühevoll aus seinem Rollstuhl und humpelt los. Danke für die Blumen!

Katharina Abels, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Auf beiden Fotos geht es ums Gleiche: ums Getreidedreschen. Doch an selbst fahrende Mähdrescher war in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch nicht zu denken.  Mein Vater (auf dem linken Bild der Vierte von rechts) erinnert sich noch heute gut an die Getreideernte in seiner Kindheit: Mit ihrem »Mähdrescher« Super-Claas waren sie damals  Vorreiter im Dorf, auch wenn diese Maschine mit den heutigen Hightech-Geräten nur wenig zu tun hat. Das Gerät wurde von einem Traktor gezogen, auf dem Dreschgerät standen zwei weitere Personen, die das gedroschene Korn in Säcke abfüllten und auf dem Acker ablegten. Nach der Ernte mussten die Säcke wieder eingesammelt werden. Um wie vieles ist die  Getreideernte heute einfacher geworden! Der Fahrer sitzt in einer kühlen und sauberen Kabine, das Schneidewerk mit knapp sieben Metern Breite schafft ein Vielfaches von der damaligen Menge. Da kann sogar ein studierter Lateinlehrer wie ich (siehe Foto rechts) für eine kurze Strecke zum Mähdrescherfahrer werden.

Andreas Graf, Eichstätt, Oberbayern

 

Kritzelei der Woche

Nach einem dichten Arbeitstag in der Klinik entstand dieses Bild am Abend während einer Vorstandssitzung unseres Schweizerischen Fachverbandes für Gestaltende Psychotherapie und Kunsttherapie. Etwa drei Stunden lang habe ich meinen Stift leicht rhythmisch über die gesamte Rückseite der Einladung bewegt. Ich mag die Sicherheit in der Strichführung, die der Kugelschreiber mir dabei vermittelt. Das Zeichenspiel mit dem Kugelschreiber habe ich hier für mich (und vielleicht auch für meine kunsttherapeutische Arbeit) neu entdeckt.

Nelson Ramos Pereira, Windisch, Schweiz

 

Was mein Leben reicher macht

Nach einer wunderschönen Klettertour im Alpsteingebirge die Nacht mit meinem Seilpartner im Gebirge zu verbringen. Es ist Vollmond, die Berge rundum glänzen, und der Bergsee  liegt still vor uns. Wir übernachten im Heuschober einer Almhütte, die Tiere sind schon im Tal. Am nächsten Morgen haben wir Überraschungsbesuch: Der Bauer kommt. Nach einer  Entschuldigung sieht er davon ab, die Polizei zu rufen. Hoch lebe die Schweiz!

Ulrike Linke, Kressbronn