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Was mein Leben reicher macht

Ich arbeite im ambulanten Pflegedienst. Frau Hoppe ist nach einem Krankenhausaufenthalt glücklich wieder zu Hause. Jemand hat auf ihrem Kulturbeutel ein Pflaster mit ihrem Namen angebracht, aber falsch geschrieben, ein p fehlt: »Fr. Hope«. Das Namenspflaster wird nicht entfernt, die Hoffnung geht weiter mit durch den Tag.

Anne Ullner, Herten, Nordrhein-Westfalen

 

Was mein Leben reicher macht

…wenn ich mit dem Schlitten, den ich vor 57 Jahren von meinen Eltern geschenkt bekam, morgens den Berg zur Arbeit hinunterflitze und mir der Fahrtwind Tränen in die Augen treibt.

Hellmuth Eisinger, Blaubeuren

 

Schiebewurst: Mein Wort-Schatz

In der sowjetisch besetzten Zone gab es auf Lebensmittelkarten wie in allen anderen Besatzungszonen auch Abschnitte für Fett und Wurst. Aber die Zuteilungen waren mager, unregelmäßig und besonders im Hungerwinter eine Rarität. Aber wenn es Wurst gab, in den meisten Fällen handelte es sich um Dauerwurst, eine Art Plockwurst, war das für uns Kinder wie eine Feier.
Auf das abgeschnittene Brot wurde eine kleine Scheibe Wurst gelegt, ganz an den Anfang der Scheibe. Wir führten das Brot zum Mund, schoben mit den Lippen die Wurstscheibe ein Stück weiter, genossen den seltenen, würzigen Duft, bissen dann vom Brot ab, langsam und zögerlich, um so lange wie möglich im Wurstduft zu schwelgen, bis das Ende der Scheibe erreicht war. In die Wurst zu beißen, war dann der Kaiserbissen. Gab es Schiebewurst, war immer ein Festtag, deshalb gehört der Begriff bis heute zu meinem Wortschatz.

Bernd Januschke, Ratzeburg

 

Was mein Leben reicher macht

Ich (16 Jahre) sitze zusammen mit meiner Mutter und meiner 80-jährigen Oma am Tisch. Mir rutscht ein Rülpser heraus. Meine Mutter wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Meine Oma grinst nur und rülpst zurück. Die ist und bleibt die Beste.

Nele Fröhlich, Hemsbach, Baden-Württemberg

 

Das Griechenröslein

(Nach Johann Wolfgang von Goethe, »Das Heidenröslein«)

Europa sah den Tsipras steh’n,
Tsipras nach den Wahlen.
War so jung und morgenschön,
Lief sie schnell, ihn nah zu sehn;
Sah ihn und litt Qualen.
Tsipras, Tsipras, Tsipras rot,
Tsipras nach den Wahlen.

Europa sprach: Ich breche dich,
Tsipras nach den Wahlen!
Tsipras sprach: Ich ärg’re dich,
Dass du ewig denkst an mich.
Und ich zeig’s euch allen.
Tsipras, Tsipras, Tsipras rot,
Tsipras nach den Wahlen.

Und EU, die wilde, brach
Tsipras nach den Wahlen.
Tsipras wagt den Börsenkrach
Und auch jede weit’re Schmach,
Will eben nichts mehr zahlen.
Tsipras, Tsipras, Tsipras rot,
Tsipras nach den Wahlen.

Brigitte König, Ingolstadt

 

Mit dem Messer nach Paris: Mein Wort-Schatz

Wenn meine Mutter, die viel und gerne kocht, ein Küchenmesser in die Hände bekommt, das schlecht schneidet und ihr die Arbeit erschwert, protestiert sie, seit ich denken kann, mit den Worten: »Mit diesem Messer kann ich ja nach Paris reiten!«
Zu Besuch bei uns verschanzt sie sich auf Bitten meiner Tochter zum geheimen Keksebacken in der Küche. Plötzlich höre ich eine Reklamation bis in den Flur schallen: »Mit diesem Messer kann ich ja nach Paris reiten!«

Kerstin Keller, Bensheim

 

Was mein Leben reicher macht

Ich bin krank und ungeduldig, weil die Grippe nicht weichen will und der Winter auch nicht. Doch als ich ins Wohnzimmer komme, schauen mich durchs Fenster Narzissen und Primeln an. Ein Kasten Frühlingshoffnung, von der Nachbarin!

Ruth Mader-Koltay, Freiburg