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Zeitsprung: Der wandernde Bass

Das erste Foto zeigt mich mit dem Kontrabass vor 50 Jahren an der Seite meines Vaters beim Narzissenfest im Ausseerland (Steiermark). 1965 war er 59 Jahre alt, und ihm war es zu schwer geworden, während des Blumenkorsos musizierenderweise die Bassgeige zu tragen. Daher musste ich mit 23 Jahren den Bass übernehmen, und mein Vater spielte die Kontragitarre.

Mittlerweile bin ich auch schon über 70-jährig, habe vor vielen Jahren »Die Ausseer Geigenmusi« gegründet und (unter anderem aus Konditionsgründen) auch das Instrument gewechselt. Jetzt spiele ich die Steirische Knopfharmonika, den Bass trägt nun ein anderer. Das zweite Bild entstand im Fasching 2014, und natürlich werden wir auch heuer wieder aufspielen!

Herbert Randacher, Bad Aussee, Österreich

 

Was mein Leben reicher macht

Meine 95-jährige, fast blinde, demente, seltsam einfallsreiche und dabei meist zufriedene Mutter. Ein Beispiel: »Heute habe ich keine Zeit zum Sterben.« Warum? »Das Wetter ist so schön!«

Heidrun Maitreau, Freiburg

 

Eisige Pracht

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Als ich frühmorgens das Haus verließ, entdeckte ich diese wunderbare »Kritzelei«, die die Natur über Nacht auf der Frontscheibe meines Autos hinterlassen hatte. Nur mit großem Bedauern bin ich der Sonne mit ihrer zerstörerischen Wärme zuvorgekommen, um pünktlich an meinen Arbeitsplatz zu gelangen.

Mechtild Ennen, Meckenheim, Nordrhein-Westfalen

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Freundin verbrachte Weihnachten bisher entweder bei ihrem Sohn oder bei ihrer Nichte. In diesem Jahr klappte es nicht mit den Absprachen. »Dann laden wir Ursel zu uns ein«, entschied meine Frau, und so feierten wir den Heiligen Abend zu dritt.

Peter Krüger, Ottersberg, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Mutter, die mich adoptierte. Die mich angenommen hat, wie ich bin, und meinen Weg begleitet hat, ob er sinnig war oder nicht. Jetzt, viele Monate nachdem sie verstorben ist, spüre ich immer noch ihre Liebe in mir.

Rainer Linsen, Aachen

 

Wildpark

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Dieses Schild hängt an einem Tor des neuen Parks am Gleisdreieck in Berlin. Dass man nicht reist, um anzukommen, wussten wir ja schon; aber nun scheint etwaiges Ankommen geradezu gefährlich geworden zu sein. Zumindest beugt die Warnung der Hoffnung vor, nach Ankunft in der Hektik der Großstadt hier Ruhe finden zu können…

Holger Holzschuher, Warmsen, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Dreikönigstag 2014: Als Notarztteam haben wir gerade ein Haus verlassen, in dem – völlig unerwartet – eine Frau mittleren Alters verstarb. Beim Wegfahren kommt ein Sternsingerjunge zu unserem Fahrzeug und reicht mir strahlend einen Handzettel mit dem Sternsingermotto »Segen bringen – Segen sein«. Wir bleiben dran – auch wenn wir manchmal zu spät kommen.

Joachim Funk, Saarlouis

 

Was mein Leben reicher macht

Die Weisheit meines fünfjährigen Enkels: Nach dem Essen bleiben wir noch eine Weile still am Tisch sitzen, während die anderen Familienmitglieder sich in der Küche nützlich machen. Da meint er nachdenklich: »Wenn man nichts zu tun hat, vergeht die Zeit ganz langsam.«
Welche Erkenntnis!

Dagmar Hentschel, Mönchengladbach

 

Grienefiez: Mein Wort-Schatz

In meiner Heimatstadt Burg (bei Magdeburg) sagte man zum Lächeln »grienen« statt grinsen. Eine gute Freundin von mir, Person des öffentlichen Lebens, übertreibt es meiner Meinung nach ein wenig damit, uns bei jeder Gelegenheit aus dem Blättchen entgegenzulächeln. Dazu kam mir urplötzlich ein Ausdruck aus früher Kindheit in den Sinn: Grienefiez!
Uff jut Burgsch höre ich noch: »Na, du Jrienefiez, was jriensten?«

Ruth Reimann-Möller, Glückstadt, Schleswig-Holstein