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Brezzelgeschrabbelz: Mein Wort-Schatz

Mein Vater, Jahrgang 1903, erzählte mir früher gerne Geschichten aus seiner Jugend in Wermelskirchen. Also: Die Jungens konnten damals, wenn sie hungrig waren, mit ihren Mützen zur Backstube gehen und sich dort vom Bäcker für drei Pfennige Brezzelgeschrabbelz einfüllen lassen, eine Mütze voll. Man hört diesem Wort förmlich an, wie der Bäcker mit ei­nem Metallschaber die knusprigen Reste von einem Blech kratzt, auf dem gerade Brezeln gebacken worden sind.

Peter Haas, Emmendingen

 

Was mein Leben reicher macht

Donnerstags oder freitags zum Bahnhof Genève ­Cornavin zu gehen und meine Frau abzuholen. Oder auf dem Balkon zu stehen und zu warten, bis die Söhne mit den Freundinnen für ein verlängertes Wo­chenende kommen. 2015 zwei Schwieger­töchter zu bekommen und Opa zu werden.

Uwe Schuhardt, Annemasse, Frankreich

 

Zeitsprung: Der Apfelbaum

Im Jahre 1942 – zufällig auch mein Geburtsjahr – verewigte der Maler Eduard Gabelsberger (1861–1950) den schiefen kleinen Apfelbaum in seinem Garten. Es wird erzählt, der Baum habe dort nicht stehen bleiben wollen – wegen Wasseradern oder irgendwelcher Energiefelder. Und weil er mit den Füßen nicht wegkonnte, habe er es mit seiner Krone versucht.
Heute, nach 72 Jahren steht der Baum immer noch an seinem Platz. Oder: Er liegt beinahe. Innen ist er durchgehend hohl, aber er wird umhegt und gepflegt, blüht so manches Jahr und trägt dann köstlich duftende, wohlschmeckende Früchte.
Ich hoffe sehr, er stirbt nicht vor mir!

Frigga Dettmer, Dießen am Ammersee, Oberbayern

 

Was mein Leben reicher macht

Trotz aller Vorsätze, auch langjährige Weggefährten verliert man aus den Augen. Nicht so unseren Freund, den Kapitän einer großen Boeing: Er hat uns versprochen, einen Extrastreifen an den Himmel zu zaubern, wann immer er über unser Dorf fliegt. Wir glauben, er schwindelt ein bisschen – im Dienste alter Freundschaft.

Christel und Jaroslav Olejar, Sexau, Baden-Württemberg

 

Eigen: Mein Wort-Schatz

Direkt nach meinem Abitur 1942 musste ich als »Pflichtjahrmädchen« in einem Haushalt arbeiten. In der Küche meiner Arbeitgeberin gab es ein Regal für Besen, Teppichklopfer und Schrubber. Als Vorhang vor diesen Utensilien hing ein liebevoll besticktes Tuch. Darauf konnte man lesen: »Willst du eigen sein, halt deine Besen rein!« Ich wollte damals alles andere als »eigen« sein! Aber das Wort ist mir als Kuriosum in Erinnerung geblieben.

Britta Czulius, Erlangen

 

Was mein Leben reicher macht

Die Spinne, die sich an unserem Wohnwagen häuslich niedergelassen hat und mit uns in den Urlaub gereist ist. Mit Allgäuer Fliegen gut ernährt, hat sie nach 1400 Kilometern wieder ihren Heimatort erreicht.

Peter Hamelmann, Coesfeld

 

Selbander: Mein Wort-Schatz

»Wir gingen Selbander«, dieser heute nicht mehr gebräuchliche Ausdruck kam mir bei einem Spaziergang an der Ostsee in den Sinn. Er vermittelt eine vertraute Zweisamkeit, auch Zuversicht, die »wir gingen miteinander« nicht haben kann. Miteinander kann man zu vielen sein, miteinander kann man streiten. Die Geborgenheit, die in selbander mitschwingt, ist nur noch im festen Begriff der »Anna selbdritt« zu spüren. Die Darstellungen der fülligen Großmutter mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind im Schoß flößen mit der Würde der reifen Frau das Vertrauen ein, dass diesem Kindchen nie etwas Böses widerfahren könnte – auch wenn man weiß, dass es ganz anders kam.

Ellen Börner, Heilbronn