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Parken

(nach Gottfried Benn »Reisen«)

Meinen Sie Hamburg zum Beispiel
sei eine Stadt,
in der es jede Menge
Parkplätze hat?

Meinen Sie auf St. Pauli
oder bei Hagenbeck
wären nicht auch schon
alle Parkplätze weg?

Parkhochhäuser, Radfahrwege
vollgestellt mit SUV und Van
überall schauen Sie
abgestellte Autos an.

Ach, vergeblich das Suchen,
es ist doch eh für die Katz.
Nehmen Sie Rad oder Füße,
die brauchen nur wenig Platz.

Frank Bosenick, Seevetal

 

Wenn das Wörtlein wenn nicht wär …

(nach Johann Gottfried Herder
»Wenn ich ein Vöglein wär«)

Wenn ich ein Vöglein wär
Und einen Flügel hätt’,
Spielte ich Bach;
Weil’s aber nicht kann sein,
Spiele ich halt Schach.

Wenn ich ein Entlein wär
Und jung und hässlich wär,
Würd’ ich ein Schwan;
Weil’s aber nicht kann sein,
Werd’ ich halt Fasan .(Umso besser !)

Wenn ich die Merkel wär
Und einen Euro hätt,
Gäb’ ich, Hellas, ihn dir.
Weil’s aber nicht kann sein,
Bleibt der Euro hier …

Heidrun Pelz, Freiburg im Breisgau

 

Minnefürst

(nach Johann Wolfgang von Goethe, »Erlkönig«)

Wer schreibt denn so spät noch ein Gedicht?
Es ist Herr Goethe im Dämmerlicht;
Er wiegt die Reime wohl zärtlich fein,
Doch plötzlich, da fällt ihm nichts mehr ein.

Was stehst du so spät noch hier am Pult?
Fragt ihn Christiane voll Ungeduld.
Ich schreibe dir ein Liebesgedicht,
Doch meine Gedanken, sie fließen nicht.

Ach Liebster, lass doch das Dichten sein!
Ich lieg’ schon seit Stunden so allein.
Ich möcht’ nicht lesen von der Liebe,
Möcht’ spüren all die süßen Triebe!

Komm, mein Geliebter, folge mir nach!
Komm mit mir in unser Schlafgemach!
Hier kannst du rasten, kannst du schmusen
Und dich ergötzen an meinem Busen.

Da leistet er keinen Widerstand
Und folgt ihr gern in himmlisches Land.
Er öffnet ihr das feine Mieder,
Und alsbald sinken beide nieder.

Was sonst noch geschah in jener Nacht,
Hat Eckermann uns nicht überbracht.
Tags drauf schrieb Goethe mit leichter Hand:
»Von meiner Liebe so zartem Band.«

Am Abend liest er die Verse vor.
Christiane lauscht mit offenem Ohr,
Und hochbeglückt sie zu ihm spricht:
Das ist das schönste Liebesgedicht!

Mit all den Worten, die du findest,
noch fester du mich an dich bindest.
Oh Liebster, du bist ein Genie;
Im Bett und in der Poesie!

Wolfgang Lörzer, Berlin

 

Stuttgart 21

(nach Friedrich Hölderlin, »Hyperions Schicksalslied«)

Ihr wohnet droben im Licht
Auf halben Höhen, ihr
Stadtplaner, Investoren!
Frisch umsäuseln euch
Lüfte leicht,
Ihr fahrt Mercedes.

Schicksalhaft, weil sie wissen,
Atmen die Mächtigen.
Blind bewahrt
In edelen Villen,
Erträumen sie
Zukunft.
Und ihre Augen
Blicken am Unheil
Immer vorbei.

Doch uns ist gegeben,
An keiner Stätte zu ruhn
Es fahren tief unten
Die einfachen Menschen,
Blindlings wie Rohrpost
Von Bahnhof
Zu Bahnhof geworfen,
Atmen Tunnelluft
In tiefer Station.

Siegfried Busch, Mössingen, Baden-Württemberg

 

Klassische Lyrik, neu verfasst

Die totgesagte frau
(nach Stefan George, »Komm in den totgesagten park«)
Schau sie dir an, die totgesagte frau:
Ihr fernes lächeln zeugt von jenen tagen,
Da sie – so jung, und blond statt grau –
Ihr los auf sich nahm, ohne viel zu klagen.
Nimm ihren mut (ja, doch, er ist noch ganz,
Bei ihrer krankheit braucht sie ihn erst recht).
Dann küsse sie und flicht ihr einen kranz.
Ein bisschen zärtlichkeit: es wärmt sie echt.
Vergiss nicht, ihr von deiner zeit zu geben,
In ihrem alter hat sie so viel nicht.
Doch auch was übrig bleibt von ihrem leben,
Es schimmert hell in ihrem herbstgesicht.
Elfie Riegler, Genf, Schweiz

 

Ein Gedicht!

Die Kerls
(nach Erich Kästner, »Die Entwicklung der Menschheit«)

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt
bis zur hundertsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen
und schauen nun bös am Telefon
und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen. Uuhh!

Sie skypen geschminkt vor dem Monitor
und jagen und züchten Mikroben,
sie versehn die Natur mit allem Komfort,
sie starten steil in den Himmel empor
und bleiben auch wochenlang oben.

Sie schleppen die Frauen im Übermut
wegen Fehlern zum Schönheitschirurgen,
und finden: Das Silikon steht ihr gut!
Und züchten dabei eine Drachenbrut
als sexistische Dramaturgen.

Was aufreizend nun in der Freiheit sich glaubt,
ob inner ob außer der Hülle,
auch wenn es den Männern den Atem raubt:
Hinschauen, anfassen – nicht mehr erlaubt!
Die Fortpflanzung regelt die Pille.

Obwohl sie die Umgangssprache erlernt
und Körpernähe geschaffen,
da hamm sie sich von einander entfernt,
nachdem sie den Inhalt der Wörter entkernt,
und kehren zurück zu den Affen

Joseph Rossa, Weerberg, Österreich

 

Ein Gedicht!

Sozusagen grundlos sauer
(nach Mascha Kaléko, »Sozusagen grundlos vergnügt«)

Mich ärgert, dass der Himmel blau ist
Die Sonne scheint, die luft so lau ist.
Mich ärgert auch die weiße Jahreszeit,
Wenn Eiskristalle blühen und es von oben schneit.
Dass Wölfe heulen und die Bären brummen,
Dass Gänse schnattern und die Krähen krähen.
Dass Flocken aus dem Schwarzen fallen.
Dass Vögel stumm sind. Und dass Fische singen.

Mich ärgert, dass kein Stern vom Himmel fällt
Und dass die Sonne uns den pelz verbrennt.
Dass Herbst dem Sommer folgt und lenz dem Winter
Gefällt mir nicht. Da steckt kein Sinn dahinter,
So wenig wie in diesem komischen Gedicht.
Wenn auch die ach so Schlauen einen sehn
Man kann nicht alles ungeköpft verstehn!
Ich ärgre mich. Und das ist meines lebens Sinn.
Ich ärgre mich vor allem, dass ich bin.

In mir ist alles durcheinander und ganz düster:
Hab keine Kohle, keinen Kerl und kaum noch Kraft.
An solchem Tag, da fällt man von der leiter
Die Stufen bis zur Hölle und noch weiter.
Da kann kein Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,
weil er sich selber hasst – den Nächsten lieben.
Mich ärgert, dass gedankenlos ich nach dem Schönen greife
Und blind bin für die Wunder dieser Welt.
Dass alles immer gleich bleibt, so beim Alten!
Mich ärgert so, dass ich … Dass ich mich ärgere.

Corinna Reinke, Hamburg

 

Ein Gedicht!

Frühlingssehnsucht
(nach Rainer Maria Rilke, »Herbsttag«)

Herr, es ist Zeit. Der Winter war sehr lang.
Leg deine Sonne auf die Schattenseiten,
und auf den Fluren halt die Winde an.

Befiehl den Bäumen, endlich auszutreiben;
schenk ihnen sonnig warme Tage,
dränge sie zum Blühen hin und jage
die eis’gen Schauer endlich fort.

Wer dann im Haus noch ist,
den wird’s nach draußen treiben,
wer dann allein noch ist, wird es nicht lange bleiben,
wird in den Alleen hin und her schlendern
und keine Briefe schreiben.

Georgette Hagedorn, Römhild, Thüringen

 

Ein Gedicht!

Löcher klauen
Eine Fortsetzung von Christian Morgensterns »Der Lattenzaun«

Zwar war nun jener Lattenzaun
da – ohne jeden Zwischenraum,

doch waren nun noch Löcher drin.
»Ein Loch ist was mit nichts darin«,

denkt sich ein Landschaftsarchitekt,
als er die löcher dort entdeckt.

Spontan bricht es aus ihm heraus:
»Da mache ich ’nen Golfplatz draus.«

Er nimmt die Löcher – unerlaubt,
und macht sich damit aus dem Staub,

er setzt sie in die Erde, sät,
damit ein Golfplatz bald entsteht.

Und siehe da: nicht lang ist’s hin,
dass ihm die Greenfee bringt Gewinn.

Jedoch war da dies Handicap:
im Zaun waren die Löcher weg,

Man suchte, fand sie in dem Grün,
und machte aus den Schuldigen.

Der Landschaftsplaner musste fliehen,
nach Arab’ od’r Usbekien.

Gregor Murmann, Xanten

 

Aus einem März

(nach Rainer Maria Rilke »Aus einem April«)

Wieder zwitschert ein Spatz.
Es klingeln die bimmelnden Glocken
mit Schwung die Schwermut hinaus, die meiner Seele Grau war;
zwar sah man noch durch das Fenster den Frost, wie er rau war, –
aber nach vielen, eisenden Fahrradfahrten
kommen die tauübersprengten
zarteren Stunden,
in denen schillernd auf grünen
Wiesenfluren
alle die runden
Blüten sehnsüchtig Sonne erwarten.
Dann wird es warm. Sogar die Katze wird rege,
streckt biegend schmiegsamtene Pfoten aus.
Frohe Gedanken eilen hinaus
und bringen die Ahnung von Frühling zuwege.

Beate Hugenschmidt, Freiburg