(nach Johann Wolfgang von Goethe, »Erlkönig«)
Wer schreibt denn so spät noch ein Gedicht?
Es ist Herr Goethe im Dämmerlicht;
Er wiegt die Reime wohl zärtlich fein,
Doch plötzlich, da fällt ihm nichts mehr ein.
Was stehst du so spät noch hier am Pult?
Fragt ihn Christiane voll Ungeduld.
Ich schreibe dir ein Liebesgedicht,
Doch meine Gedanken, sie fließen nicht.
Ach Liebster, lass doch das Dichten sein!
Ich lieg’ schon seit Stunden so allein.
Ich möcht’ nicht lesen von der Liebe,
Möcht’ spüren all die süßen Triebe!
Komm, mein Geliebter, folge mir nach!
Komm mit mir in unser Schlafgemach!
Hier kannst du rasten, kannst du schmusen
Und dich ergötzen an meinem Busen.
Da leistet er keinen Widerstand
Und folgt ihr gern in himmlisches Land.
Er öffnet ihr das feine Mieder,
Und alsbald sinken beide nieder.
Was sonst noch geschah in jener Nacht,
Hat Eckermann uns nicht überbracht.
Tags drauf schrieb Goethe mit leichter Hand:
»Von meiner Liebe so zartem Band.«
Am Abend liest er die Verse vor.
Christiane lauscht mit offenem Ohr,
Und hochbeglückt sie zu ihm spricht:
Das ist das schönste Liebesgedicht!
Mit all den Worten, die du findest,
noch fester du mich an dich bindest.
Oh Liebster, du bist ein Genie;
Im Bett und in der Poesie!
Wolfgang Lörzer, Berlin