Lesezeichen
 

Hier ist Afrika (14)

Es ist Abend. Nach einem Workshop habe ich ein paar junge Kolleginnen bei mir zu Gast: Ernestine und Anembom sitzen auf dem Sofa, Bahiya rekelt sich auf der Ottomane, Esther und Jose entspannen sich gemütlich im Sessel. Die Damen schauen sich um. „Wo ist denn dein Fernseher?“, fragen sie. Ich habe keinen Fernseher. „Du brauchst doch unbedingt einen Fernseher!“, rufen sie. Wozu soll ich ein Fernsehgerät brauchen? Ich habe doch ausreichend Bücher und Zeitungen! Ich deute auf meine kleine Bibliothek und die Stapel der ZEIT. „Du liest Zeitungen? Stimmt es denn, was da drinsteht?“ – „Na klar, überwiegend schon“, antworte ich. „Ist ’ne seriöse deutsche Zeitung.“ Aha. Nun ist die Überraschung auf ihrer Seite. Ob sie denn auch mal was lesen, will ich wissen. „Ja, schon“, antworten sie zögerlich. „Mal ’nen Roman, aber auf alle Fälle nie eine Zeitung“, bekräftigt Ernestine. Es seien alles nur Lügen, was in den Zeitungen stehe. Außerdem gehörten die Kamerunerinnen nicht zu den größten Leseratten, fährt sie fort. Wenn man etwas vor ihnen verbergen wolle, müsse man es in ein Buch schreiben.

Alle meine Kolleginnen haben ein Studium abgeschlossen. Ob sie denn an der Uni nichts gelesen hätten, will ich wissen, Lesen gehöre doch irgendwie zum Studieren. „Nur die Abschnitte, die wir für die Klausuren brauchten, haben wir gelesen“, erklärt Anembom. Vielleicht wäre ja alles anders, wenn es eine kamerunische Ausgabe der ZEIT gäbe.

Tabea Müller, 37, lebt im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Seit drei Monaten erzählt sie auf dieser Seite über den Alltag im Inneren Afrikas. Dies war ihr letzter Bericht.

 

Diesseits von Afrika

Weihnachtsbesuch zu Hause. Mit Neugier und Skepsis hatte ich mich aufgemacht in „mein Land“. Wie würde es mir begegnen? Wie würde es sich anfühlen? Anonym? Distanziert? Konsumbesessen? Mitnichten! Nichts davon erlebte ich auch nur ansatzweise. Deutschland begegnete mir warmherzig, freundlich, herzlich. Alles war vertraut und unkompliziert. Ich kam überall ins Gespräch. Der Optiker erinnerte sich sogar an meinen Namen und an meinen E‑Mail-Hilfeschrei vor einem Dreivierteljahr, als meine Brille ins Meer gefallen war und ich Ersatz anforderte. Die Friseurin reagierte erstaunt, dass die kamerunischen Friseure nichts mit meinem Haar anfangen können, lehnte es aber ab, nach Afrika überzusiedeln – „wegen der vielen Schlangen“. Wieso fallen allen bei Afrika gleich Schlangen ein? Mir fiel auf, dass der Bus sauber war und pünktlich kam. Jeder hatte sogar einen ganzen Sitzplatz für sich allein! Dennoch musste ich arg mit mir kämpfen, überall rechtzeitig zu erscheinen. Das Essen schien mir zu Beginn ziemlich lasch gewürzt. Wer aber kann verstehen, wie wundervoll Flammkuchen, Stollen, Glühwein, Trüffel, Sahnetorte, Lamm in Knoblauch, Chicorée, Puddingtörtchen und Eierlikör-Eisbecher sind? Ich hatte nicht für möglich gehalten, wie eng „Heimat“ mit Essen verbunden ist! Kein Traum mehr! Auf dem Weihnachtsmarkt genieße ich, wie die zartcremige Köstlichkeit auf meiner Zunge zerschmilzt. Aber allmählich komme ich ins Frösteln. Und doch – wie werde ich noch träumen von diesem Sahneberg, zurück in Kamerun!

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte.

 

Hier ist Afrika (12)

Wer kauft nicht gern mal schicke, neue Klamotten? Rein in den Laden, und ran an die Regale! Wo ist meine Größe, meine Lieblingsfarbe, ein hübsches Muster? Anprobieren. Passt. Zur Kasse. In die Tüte. Fertig! Ortswechsel. In Kamerun mache ich mich, schwer bepackt mit Stoff und Zetteln voller eigener Dessins, auf in die winzigen Schneidereien von Grace, Eunice, Adeline, Marie, Prisceline, Winnifred, Sarah, Stella oder Titus. „Hallo, wie geht’s, was gibt es Neues?“ Entwurf diskutieren, modifizieren, Maße nehmen, Preis aushandeln, Abholdatum in Erfahrung bringen und gespannt sein auf das, was aus der Idee geworden sein wird. „Have a nice day! Stay fine. Bye-bye!“ Eine Woche später schlüpfe ich in das Ergebnis. Ein großes Stück Stoff dient als Umkleidekabine im kleinen, voll gestellten Marktverschlag. Spärlich fällt Licht durch ein Fensterchen. Einige Kleider sitzen wie eine zweiteHaut. Andere brauchen Nachhilfe. Manchmal ist mehr als Trippeln leider nicht drin. Dafür sieht’s voll elegant aus, umschmeichelt meine Taille und entzückt meine Mitmenschen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Wohin man auch schaut: Rüschen, Applikationen und Stickereien, Bananastyle oder Fish, Wrappa oder Kabba. Selbst für einen normalen Tag im Büro sind die Kamerunerinnen eleganter gekleidet, als ich vermutlich zu meiner eigenen Hochzeit erscheinen würde. Kleider sind Brücken, Zeichen der Zugehörigkeit. Kleider schützen mich. Niemand scheint meine weiße Haut unter den bunten Stoffen wahrzunehmen. Sister, du bist eine von uns!

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas

 

Hier ist Afrika (11)

Auf dem Markt: An einer Mauer lehnen zwei Rinderköpfe. Auf dem Tisch daneben liegen die Eingeweide der Tiere. Sie werden zu Spießen, Filets und Suppenzutaten verarbeitet. Unten am Tischbein stehen die Füße der Rinder, sicher besondere Leckerbissen. Das Blut ist in einer Schüssel erstarrt. Da kaufe ich mir doch lieber ein paar fett gebackene Puffpuffs und gucke nach schicken Schuhen. Oft findet man secondhand gut erhaltene Markenware zu traumhaften Preisen. Ich stehe vor den Angeboten, sie baumeln an Fäden von Holzpfosten herab, und der Verkäufer schreit: „Probiere! Probiere!“ Ich weiß genau, dass mir Größe 40 nicht passt. Er glaubt mir nicht und will es sehen. Ich probiere die viel zu großen Latschen. „Aber es sieht sooo gut aus!“, jauchzt der Typ. Mag sein! Nur passen die Schuhe nicht. Wir einigen uns: Vielleicht ein anderes Mal!

Ich gehe weiter zu den Stoffen, denn ich muss unbedingt noch mehr Kleider in zauberhaften Dessins nähen lassen. Ich verliere mich schier in den bunten Baumwollballen. Passt das Muster zu mir? Natürlich höre ich wieder: „Es steht dir super! Es wird klasse!“ Wie viel Stoff brauche ich? Wie viel macht das? Wir spielen das alte Spiel: Der Händler nennt einen gigantischen Preis. Ich untertreibe maßlos. Und dann kommen wir, Schritt für Schritt, aufeinander zu, bis wir uns in der Mitte treffen. Oder das Geschäft nicht zustande kommt. Die Händler hier machen alles möglich. Und sie akzeptieren auch, wenn man genug hat. Dann erzählen sie von irgendeinem Kollegen aus Hamburg, einem Verwandten, der in Deutschland lebt und sagen stolz: „Danke schön!“

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas

 

Hier ist Afrika (10)

Wie süß sie sind, diese Mäuse, ganz klein und niedlich! Treuherzig gucken sie mich mit ihren braunen Knopfaugen an, scharren und knistern in der Speisekammer. Zu zweit stecken sie in den zum Trocknen aufgehängten Maiskolben und machen sich noch nicht einmal die Mühe davonzulaufen. In der Küche begrüßt mich Mäusekot, wie an jedem Morgen. Was ist so lecker am papierenen Etikett der Ölflasche? Frech, dreist, gierig und gefräßig haben sich die Viecher durch die Folie in die Butter gefressen und eine teelöffelgroße Menge davon vertilgt. Pfui! Eines Abends rennen sie wieder, die Biester, und da muss ich leider feststellen, dass sie nicht nur Butter, Mais und Reis mögen: Sie nagen auch an Kerzen; an Kaffeepackungen und Korken sowieso. Vor ein paar Tagen haben sie mir einen stabilen Plastikkanister durchgebissen!

Das Wochenende verbringe ich auswärts mit dem Ziel, mal eine Nacht durchzuschlafen. Was geschieht? Knabbergeräusche alarmieren mich. Und ich muss nicht lange darüber staunen, dass meine Sachen so durcheinandergeraten sind: Keine Frage, auch hier gibt es Mäuse! Und die knabbern an allem, was sie finden. So quillt der Inhalt fröhlich aus Zahnpasta- und Cremetuben, Shampoo und Flüssigseife. Überall Plastikraspel und frischer Mäusekot. Eines Tages öffne ich einen Ordner im Büro und muss sehen, dass glatt die Hälfte der Papiere säuberlich abgeknabbert ist! Mitunter bin ich nicht sicher, welche Maus ich am Computertisch benutzen soll. Zumindest die Längen der Schwänze sind sehr ähnlich.

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas

 

Hier ist Afrika (9)

Die Hupe ist hier der wichtigste Teil an einem Auto. Wenn auch sonst alles rostet und klappert, wenigstens die Hupe sollte funktionieren. Wer ein Ziel hat, hupt und fährt einfach los. Denn der kamerunische Straßenverkehr ist ein großes Durcheinander. Alle fahren kreuz und quer, mitunter auf der falschen Seite oder nebeneinander sich unterhaltend. Motorräder schieben sich knatternd zwischen Autos, Busse und Lastwagen, und wenn man eine Kreuzung unbeschadet überquert hat, kann man eigentlich immer froh sein. Oft scheint keine Briefmarke mehr zwischen zwei Fahrzeuge zu passen, die noch dazu üppig beladen sind. In einen Kleinwagen passen locker bis zu zehn Personen, dazu Wasserrohre, Säcke voller Mais oder Mangos, Feuerholz und auch noch ein paar lebende Schweine. Da sich mitunter mitten auf der Straße badewannengroße Löcher öffnen, je nach Saison auch tiefe Rillen und Krater, könnte es generell nicht schaden, gleich mehrere Augenpaare zu besitzen.

©ZEIT Grafik

Oder besser mehrere Schutzengel. Kurz vor einem Frontalzusammenstoß kriegen die Fahrer bei Überholmanövern dann doch immer noch die Kurve, und ich frage sie, eben dem Herzinfarkt entkommen, wie sie das nur aushalten. „Wir beten immer“, ist die Antwort. Mich hat ein ganz weltlicher Trick bisher vor dem Schlimmsten bewahrt, wenn ich auf einem Motorrad mitfahre. Um meinen Fahrer wenigstens ein bisschen zu bremsen, sage ich einfach: „Fahr nicht so schnell, sonst muss ich mich übergeben!“ Das wirkt in jedem Fall. So groß ist die Risikobereitschaft dann wieder doch nicht.

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas.

 

Hier ist Afrika (8)

Neulich besuchte ich meine Nachbarin und ihren kleinen Enkel. Nach dem Essen holte sie fünf verschiedene Arzneimittel hervor und machte sich daran, sie ihm zu verabreichen. Dabei hatte der Junge bisher einen fitten Eindruck auf mich gemacht. Die erste Dosis spuckte er sofort aus und erbrach anschließend sein gesamtes Essen. Ich fragte, welche Beschwerden er denn genau hätte. „Etwas mit dem Magen“, sagte meine Nachbarin. „Vielleicht Würmer, der Stuhl sei so schleimig. Auch habe er leichtes Fieber. Sie war im Gesundheitszentrum gewesen, und da hatten sie bei ihm unter dem Arm eine Temperatur von 36,5 Grad gemessen. Sie hatten ihr die fünf verschiedenen Medikamente gegeben, und sie dosierte jetzt einfach wahllos, fragte dann auch noch, ob ich mal kosten wolle, es würde gar nicht schlecht schmecken. Zunächst war da Paracetamol-Sirup, dann ein flüssiges Multivitaminpräparat, ein Antibiotikum und schließlich ein Mittel gegen Bronchitis und Ohrenentzündung, nicht zu vergessen das Malariamittel „wegen des Fiebers“. Kein einziges Wort von Magenproblemen oder Würmern auf allen Beipackzetteln!

©ZEIT Grafik

Ich riet ihr, am nächsten Tag mit dem Enkel einmal ins Krankenhaus zu gehen. Dort wurden zwar alle Medikamente sofort gestrichen, aber als ich die beiden besuchte, hing der Kleine tapfer und stolz am Tropf mit einer Glukoselösung. Vier Tanten, zwei Großmütter, ein Großvater und schließlich auch sein Vater scharten sich um sein Bett. Zwei Tage später wurde der Kleine nach Hause entlassen. Gesund.

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas

 

Hier ist Afrika (7)

Stundenlang warten und probieren, doch immer wieder die Meldung: „Diese Seite kann nicht aufgerufen werden. Bitte versuchen Sie es später … später … später.“ Wann auch immer. Und trotzdem ist das Internet auch aus Kamerun nicht mehr wegzudenken. Es ist Informationsquelle, Kommunikationsmittel und ebenso – Einnahmequelle für diverse Techniker. Zum Beispiel: Das Netz funktioniert nicht. Wir gehen zum Provider. „Habt ihr bezahlt?“, fragt die Mitarbeiterin. Und ob! Ja, dann sei es ein allgemeines Problem, versucht sie uns zu trösten. „Warum klappt’s dann beim Nachbarn?“ – „Okay, ich schicke jemanden vorbei.“ Dieser Jemand sagt dann den Termin ab, weil es regnet oder sein Auto kaputt ist. Oder er kommt gar nicht, bis man wieder anruft. Als er endlich da ist, tritt überraschend der Vorführeffekt ein. Falls nicht, schaut er mich – die einzige Weiße im Büro – an: „Madame, du (wer sonst?) musst einen neuen Router kaufen!“

©ZEIT Grafik

Der Router ist zwar brandneu, gerade drei Monate alt. Doch Garantie ist eine europäische Erfindung. Was bleibt mir übrig? Stromschwankungen, Viren, Gewitter, schlechte Qualitätsware – irgendwas scheint die Lebensdauer dieser Geräte drastisch zu verkürzen. Also spendiere ich wieder einmal umgerechnet gut 100 Euro. (Immerhin können wir einen der zahlreichen Computerzubehörverkäufer glücklich machen.) Am nächsten Tag findet unser Experte heraus, dass die Netzwerkkarte nicht funktioniert. Die tauscht dann ein anderer Kollege aus. Vorübergehend ist damit das Problem gelöst. Doch schon am nächsten Montag, siehe da, große Überraschung: „Diese Seite…“

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas.

 

Hier ist Afrika (6)

Bevor wir auf Safari gehen, müssen wir zunächst den (unbeschilderten) Eingang zum Nationalpark finden und den Obolus bezahlen. An der Tür zum Büro prangen ausnahmsweise die Eintrittspreise. Drinnen gibt es ein paar verstaubte Raffiataschen zu kaufen und vergilbte Postkarten. Ich fühle mich wie in einem Polizeipräsidium, obwohl der Park doch zum Ministerium für Wald und Wild gehört. Ein Mann mit grimmigem Blick sitzt hinter einem breiten Schreibtisch. Es ist Sonntagmorgen, sechs Uhr früh. Der Beamte beginnt, auf einem Kindertaschenrechner mit bunten Tasten herumzudrücken und stirnrunzelnd irgendwelche komplizierten Summen auszurechnen. Parkeintritt für drei Erwachsene à 3000 plus 2000 Fotogebühr für zwei Kameras plus 2000 für das Auto macht 15 000 zentralafrikanische Francs, die ich vor Minuten abgezählt vor ihn hingelegt habe. Ehe er auch auf diese Summe kommt, sind fünfzehn Minuten vergangen, und ich verfolge inzwischen eine englischsprachige Sonntagspredigt im Radio. Nun hat er also unsere Nationalparkeintrittsgebühr korrekt berechnet und beginnt, vier verschiedene Bons auszustellen.

@ZEIT Grafik

Die Summen sind plötzlich völlig andere: für den Parkeintritt von drei Personen quittiert er 4950, fürs Auto 1100 und für die Fotogebühr insgesamt 2200 Francs. Die Differenz notiert er auf einem vierten Bon. Stempel. Stempel. Stempel. Stempel. Vier Unterschriften. Pamm! Sie hätten so eine komplizierte Buchhaltung, lässt er mich wissen. Ein Glück, dass ich den Betrag passend hatte. Bloß schnell raus zu den wilden Tieren! 15 000 Francs sind übrigens knapp 23 Euro.

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas.

 

Hier ist Afrika (5)

„Kämmst du deine Haare selbst?“ Erst irritierte mich die Frage. Ich leide darunter, dass sich kein Friseur an meine Haare traut, aber kämmen kann ich sie selbst. Die Frisur ist das Allerwichtigste an einer kamerunischen Frau. Sie bestimmt ihre Attraktivität, ihre ganze Persönlichkeit. Mir passiert es, dass ich Frauen, mit denen ich gestern gesprochen hatte, heute nicht mehr wiedererkenne: Sie haben von einem Tag zum anderen eine völlig neue Frisur. Gestern noch lange Zöpfe, heute eine glatte Kurzhaarfrisur, übermorgen plötzlich wieder Pony und Pferdeschwanz. Eine gestern grauhaarige ältere Dame lässt sich mal eben blonde Stränchen arrangieren und verjüngt sich gleich um mehrere Jahrzehnte. Wozu dieser ganze Aufwand? Keine Frau ist mit ihrem Haar zufrieden. „Zu stark, zu drahtig, unmöglich zu kämmen, zu dick“, klagen sie.

© ZEIT Grafik

Eine Möglichkeit ist, die Haare ausgiebig mit fetthaltigen Pasten und diversen Chemikalien zu bändigen und nach Belieben um Lockenwickler zu rollen. Alternativ werden die eigenen Haare weitgehend abrasiert und badekappenartige Perücken aufgesetzt. Bei der aufwendigsten Variante werden die eigenen Haare mit Kunsthaar verflochten oder vernäht. Das dauert bis zu sechs Stunden! So kann man rothaarigen oder blonden Kamerunerinnen begegnen, aber auch älteren Frauen mit Jungmädchenfrisur. Diese Konstruktionen werden meist staubschützend unter einem Kopftuch oder Haarnetz verborgen, denn Waschen ist nicht möglich. Allenfalls ölen die Frauen ihre Haare, bis sie sich zwei bis vier Wochen später einen neuen Haarschmuck gönnen.

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas.