Meine Kritzeleien entstehen im Unterricht und nachmittags manchmal noch im Konfi-Unterricht. Manche Themen in der Schule finde ich einfach zu langweilig, daher habe ich schon in der dritten Klasse (oder so) angefangen, nebenher Bilder zu malen. Den Lehrern fällt das natürlich auf, doch was sollen sie tun? Ich störe keinen Mitschüler, und über meine Noten gibt es auch nichts zu klagen, also habe ich bis heute, bis in die neunte Klasse damit weitergemacht. Wahrscheinlich werde ich auch noch in der Uni Bilder malen, während die Professoren Vorträge oder Sonstiges halten.
Nach einem dichten Arbeitstag in der Klinik entstand dieses Bild am Abend während einer Vorstandssitzung unseres Schweizerischen Fachverbandes für Gestaltende Psychotherapie und Kunsttherapie. Etwa drei Stunden lang habe ich meinen Stift leicht rhythmisch über die gesamte Rückseite der Einladung bewegt. Ich mag die Sicherheit in der Strichführung, die der Kugelschreiber mir dabei vermittelt. Das Zeichenspiel mit dem Kugelschreiber habe ich hier für mich (und vielleicht auch für meine kunsttherapeutische Arbeit) neu entdeckt.
Während einer vierstündigen Gesamtkonferenz hat mich beim Zeichnen dieses Bildes wohl eher die Wohnungsfrage beschäftigt. Wir haben nämlich drei kleine Kinder, und unsere Wohnung platzt langsam aus allen Nähten.
Der Dozent der Vorlesung Spectroscopic Methods hatte uns Studenten mal wieder abgehängt. Während ich mir immer mehr Sorgen um die anstehende Prüfung machte, wurde mein Kommilitone Paul Sonntag kreativ. Er fragte seine Nachbarn nach Tieren, die er nacheinander zeichnerisch zusammenfügte. Heraus kamen wunderbare Kreaturen, bestehend aus Katze, Schmetterling, Kobra… auch bekannt als „Flübübelüblü“. Bei der Prüfungsvorbereitung lachen sie mich jetzt an!
Als Designer und Illustrator pflege ich bei Besprechungen und Telefonaten schon fast manisch alles vollzukritzeln, was mir unter den Stift kommt. Hier sehen Sie eine ältere A2-Schreibtischunterlage. Inzwischen haben sich mehr als ein Dutzend solcher großen, farbigen Zettel bei mir angesammelt und auch jede Menge kleinerer Schmierzettel.
Beigefügte Kritzelei entstand während eines Skype-Telefonats mit unserer Tochter Pauline, die im Rahmen ihres Masterstudiums in Tunesien an einem Biologie-Forschungsprojekt teilgenommen hat und währenddessen plante, für ein Auslandssemester nach Norwegen zu gehen. Ursprünglich stand auf dem Zettel nur die Notiz, dass wir Flugverbindungen nach Trondheim recherchieren wollten. Die Köpfe um die Notiz herum entstanden dann peu à peu, während Pauline uns von ihrem Alltag mit der Arbeit in der Wüste, den Riesenkakerlaken in Küche und Bad und den Kontakten zur einheimischen Bevölkerung etwa beim Baguettekauf in der Bäckerei berichtete. Fröhliches Gespräch – fröhliche Gesichter in der Kritzelei, denn nun waren auch die letzten elterlichen Sorgen weggewischt, es wäre womöglich zu risikoreich gewesen, angesichts der jüngsten politischen Entwicklung in Tunesien für mehrere Wochen dorthin zu reisen.
Diese Zeichnung besteht aus einer einzigen Linie, die, im Zentrum des Blattes beginnend, erst Hunderte von Irrgärten durchlaufen muss, ehe sie ihren Zielpunkt erreicht. Entstanden ist die Kritzelei auf der Rückseite meines Collegeblocks in ein paar Vorlesungen meines Studiengangs Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie an der Universität Hohenheim. Doch die Linie bleibt nicht auf dem Papier, sie endet nicht in einer der vier Ecken, sie durchbricht irgendwo die Wirklichkeit und windet sich in Schleifen und Sackgassen durch mein Leben. Auf ihrem Weg begegnet sie der Mikroökonomie, der komplexen Verfahrenstechnik von Biogasanlagen, der energetischen Ernterückstandsverwertung im Pflanzenbau, sie schlängelt sich vorbei am Rechnungswesen und der Analyse nachhaltiger Agroforstsysteme bis zur stofflichen Nutzung von Hanfpflanzen.
Vor einiger Zeit war ich auf einem Seminar für Zivildienstleistende in Kiel. Und immer, wenn ich mich nicht mehr auf das behandelte Thema konzentrieren konnte, begann ich, auf der Mappe mit den Seminarunterlagen herumzukritzeln. Das kam dabei heraus.
Dieses »Ich kann mich beim Zeichnen wirklich gut auf Ihren Unterricht konzentrieren«-Bild, eines von vielen, hat mir meine Schülerin Irina kürzlich überlassen. Vollkommen freiwillig übrigens! Und damit habe ich ein kleines, sehr persönliches Andenken an meine Abschlussklasse 2011.
Kürzlich haben wir am Nationaltheater Mannheim einen Ferienkurs gegeben, die »TheaterSEHwerkstatt«. Vier Tage lang besprachen wir mit Jugendlichen verschiedene
Theaterformen und -ansätze, bereiteten Vorstellungsbesuche vor und gingen jeden Abend in eine andere Inszenierung. Oft wussten wir nicht so genau, wie die Jugendlichen diesen Kurs und die Themen fanden. Ihre Reaktionen und Aktionen schienen uns manchmal ambivalent. Am letzten Abend räumten wir das Büro wieder, das uns als Kursraum gedient hatte. Dabei entdeckte ich diese Kritzelei der 14-jährigen Paula. Es war offenbar doch eine ganz gute Woche für sie!