Über ein ganzes Jahr hinweg, zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten, habe ich diese Eiche fotografiert. An einem sonnigen Wintertag zeigte sie sich in dieser Pracht.
Ja, er steht sehr weit weg von meiner Heimat, dieser wunderschön gewachsene Baum, nämlich in Worpswede, dem Künstlerdorf bei Bremen. Es handelt sich um eine Kugel-Eiche aus dem späten 16. Jahrhundert, die da mit ihren breiten Ästen ausgreift, als wollte sie einen umarmen und beschützen. Und weil der Maler Fritz Mackensen sich umgekehrt sehr für ihren Schutz eingesetzt hat, wird sie heute Mackensen-Eiche genannt.
Seit 1989 besuche ich Worpswede in jährlichen Abständen, und immer führt mich mein erster Spaziergang zu diesem Wunder der Natur.
Jetzt wissen wir, wo es sich der Weihnachtsmann nach getaner Arbeit gemütlich macht: Er schaut aus seinem Lieblingsbaum im Lichterfelder Schlosspark in Berlin heraus und grüßt eingeweihte Spaziergänger mit seinem schmunzelnden Borkengesicht.
Meine Baumfreundin ist eine Buche, im Friedwald Bad Münstereifel. Ich habe mir diese Freundin vor einigen Jahren gesucht, denn ich wollte sie gerne zu Lebzeiten kennenlernen und mit ihr älter und knorriger werden. Mindestens einmal im Jahr fahre ich zu ihr und mache mich mit ihrer Lebenswirklichkeit vertraut, die irgendwann auch mal meine sein wird. Auf dem kleinen Schild steht ein Satz von Hilde Domin: »Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug.« Er beschreibt für mich den Übergang in diese andere Welt. Inzwischen haben sich noch zwei (menschliche) Freundinnen entschieden, ihren letzten Platz unter dieser Buche zu wählen. Da werden wir unsere Schwätzchen weiterführen können, über den Tod hinaus!
Als ich vor Jahren begann, mit einem Lauf durch die Umgebung in den Tag zu starten, verliebte ich mich in diesen Baum. Unzählige Male habe ich die Manna-Esche fotografiert. Alle Jahreszeiten sind mir vertraut. Jeder Monat bringt etwas Neues, selbst täglich verändert der Baum sich.
Normalerweise erhellt der Anblick von toten Bäumen nicht unbedingt meine Stimmung. Stumm und kahl geben sie Zeugnis ihrer einstigen Pracht. Dieser Baum hingegen zauberte während unseres Urlaubs auf Bornholm allen Familienmitgliedern ein Lächeln auf die Lippen. Und irgendwie fällt es einem fast schwer, ihn als tot zu bezeichnen. Mehr Angebot für Leben geht nun wirklich nicht.
Unter einem Baum findet man Schutz bei Regen oder Hitze; wir genießen seine Früchte und Nüsse. Dass man auch »in einem Baum« etwas von ihm haben kann, hätte ich eigentlich nur Spechten zugestanden. Doch in Usbekistan wurde ich eines Besseren belehrt.
Dort entdeckte ich im Wurzelwerk dieses Baumes einen kleinen Raum, der – sogar ausgestattet mit Tisch und Bänken – Kindern als Unterrichtsraum diente.
Klaus Prinz, Remseck am Neckar, Baden-Württemberg
Auf diese Gruppe von Ahornbäumen stieß ich bei einer spontanen Herbstwanderung im Augsburger Umland. Der Himmel ein strahlendes Blau, die Temperaturen spätsommerlich und die Blätter in den leuchtenden Farben des Indian Summer: Da kann man schon mal für kurze Zeit vergessen, dass man sich ja in Bayern und nicht in den weiten Wäldern Nordamerikas bewegt.
Vor vielen Hundert Jahren wuchs dieser Olivenbaum auf Kreta unter erschwerten Bedingungen heran: Eine antike Säule stand ihm im Weg. Er umschloss sie mit seinem Stamm und bezog sie in sein Wachstum mit ein. Für mich ein ermutigendes Beispiel für Lebenskraft trotz äußerer Einschränkungen.
Die Geste meines Lieblingsbaums bleibt zweideutig. Will er sagen: »Stop! Bis hierher und nicht weiter!«? Seine Arme freilich sind dünn. Liegt deshalb das Stück Totholz im Weg? Oder sagt die Geste: »Komm zu mir! Übersteige das Hindernis, und umarme mich«? Mein Baum steht mitten in den tausendjährigen Eichen im mecklenburgischen Dorf Ivenack. Der folgenschwere Todesschuss in Sarajevo, die Mordmaschinen der Nazis: gestern! Der 30-jährige Krieg: vor ein paar Jahren! Die Städtegründungen der Slawen im 13., 14. Jahrhundert: Ja, da waren wir fast noch Kinder… Was ohne Worte erzählt werden kann, ist grenzenlos.