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Kofferheule: Mein Wort-Schatz

Ich erinnerte mich kürzlich daran, wie wir uns Anfang der siebziger Jahre mit dem Kofferradio auf dem Arm an der Straßenecke trafen und Popmusik von Radio Luxemburg hörten – kurzwellen- und vielleicht auch störsenderbedingt meist in einer lausigen Qualität. Wir mussten zudem aufpassen, dass kein Vopo (DDR-Volkspolizist) vorbeikam und uns die Kofferheule wegnahm, weil wir einen verbotenen Sender hörten. Aber es war »Westmusik«, die Musik, die wir hören wollten!

Michael Silo, Meiningen, Thüringen

 

Pneumokokken: Mein Wort-Schatz

Auch Österreich kann, die deutsche Sprache betreffend, durchaus kreativ sein: Zugfahrt von Hallein nach Bischofshofen. Aufgeregt warte ich – nein, nicht auf die Fahrkartenkontrolle, sondern auf die unvermeidliche Ansage. Ich warte begierig auf den Namen des Zugs. In Österreich nämlich haben Schnellzüge nicht nur Nummern, sondern auch mehr oder minder originelle Namen. Und diesmal erlebe ich den absoluten Höhepunkt in meiner Laufbahn als Bahnkundin: »Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie an Bord des IC 542 – PNEUMOKOKKEN AB50.AT!« Mein Tag ist gerettet. Selten so gelacht!

Susanne Kreuzberger-Zippenfenig, Kuchl bei Salzburg

 

Kiesätig: Mein Wort-Schatz

Das Wort ist mir im Laufe meines langen Lebens verloren gegangen. Jetzt aber habe ich es bei Fontane wiedergefunden, denn genau wie sein Vater sagte auch meiner: »Sei nicht so kiesätig!« Ich war eigentlich keine kiesätige Esserin, bekam es aber zu hören, wenn es Fisch gab. Später dann, als es unsere Familie nach Hamburg verschlug, musste ich umlernen und durfte nicht »krüsch« sein.

Christine Naegele, Frankfurt am Main

 

Kreuzschlitzschraubenzieher: Mein Wort-Schatz

Beim Eisenwarenhändler erlauscht: Zum Einziehen oder Entfernen einer Schraube, die zwei gekreuzte Schlitze hat, benötigt man einen Kreuzschlitzschraubenzieher. Ein wunderbares Wort, das die Fähigkeit der deutschen Sprache zeigt, mit einem einzigen Begriff komplexe Zusammenhänge zu beschreiben, für die man in anderen Sprachen ganze Sätze benötigen würde! Und ganz nebenbei auch noch ein phonetischer Genuss, dessen Vielfalt an Zischlauten jeden Sprachschüler in die Verzweiflung treiben kann!

Holger App, Frankfurt am Main

 

Gedankenstrich: Mein Wort-Schatz

Wenn mein Vater eine E-Mail-Adresse oder einen Link vorliest, nennt er den kurzen Querstrich nie »minus«, sondern Gedankenstrich. Und jedes Mal genieße ich die unverhoffte Pause, die dieses Wort mir bedeutet.

Katinka Weise, Bergisch Gladbach

 

Mühewaltung: Mein Wort-Schatz

1968 begann ich meine Tätigkeit als Sozialarbeiter in einer Wiesbadener Sozialbehörde. Damals hieß das noch »Fürsorger«. Beim Studium von alten Akten stieß ich häufig auf den Begriff Mühewaltung, mit dem sich eine Behörde bei einem anderen Amt für geleistete Amtshilfe und Auskünfte bedankte. Der Ausdruck des Dankes, der heute so verstaubt klingt, war bis in die fünfziger Jahre üblich. Man kann sich die damaligen Beamten mit ihren Ärmelschonern dabei richtig vorstellen. Kürzlich traf ich es wieder, das Wort »Mühewaltung«: in der Novelle Die drei Falken von Werner Bergengruen. Es war wie ein Gruß aus meiner frühen Berufspraxis.

Winfried Dahlen, Waldalgesheim, Rheinland-Pfalz

 

Schneiseln: Mein Wort-Schatz

Es ist schon einige Jahre her, da rief meine Frau beim Anblick der ersten zaghaft fallenden Schneeflocken spontan aus: »Es schneiselt!« Selbst unsere damals noch kleine Tochter verstand gleich, dass sie damit die komplette Liedzeile Leise rieselt der Schnee zu einem einzigen Verb verdichtet hatte. Seitdem ist dieses entzückende Wort zu einem festen Bestandteil unseres Sprachschatzes geworden, mit dem wir schmunzelnd die weiße Pracht begrüßen.

Lothar Reinhardt, Biebesheim am Rhein

 

Herzensbildung: Mein Wort-Schatz

Herzensbildung! Ich kann dieses Wort nur schwer umschreiben. Jeder Versuch, ins Pädagogische, ins Psychologische zu fassen oder gar zum Knigge zu greifen, trifft nicht das, was ich genau fühle und verstehe, wenn ich dieses Wort höre: eine Feinheit im Umgang miteinander, ein Hören der unausgesprochenen Botschaften, die unsere Nächsten uns mitteilen. Herzensbildung ist die schöne Folge einer gelungenen Erziehung, sei es durch andere oder durch sich selbst.

Renate Zerfaß, Wetter, Hessen

 

Herrenkommode: Mein Wort-Schatz

Auf meine Frage, wo er denn die neuen Batterien hingelegt habe, antwortet mein Mann: »In die Herrenkommode, unterste Schublade.« Was für ein herrlich altmodisches Wort! Kommode bedeutet laut Duden: kastenförmiges Möbelstück mit Schubladen. Aber was macht die Kommode männlich? Der Inhalt – schwarze Wollsocken und Seidenkrawatten? Da steht sie nun bei uns, geradezu weiblich zweckentfremdet, gefüllt mit Batterien und anderem Krimskrams. Die Zeit der Herren ist wohl doch vorbei.

Anne Stroux, Rhede, Nordrhein-Westfalen

 

Bubikopf: Mein Wort-Schatz

In meiner Jugend hat man über eine Frau, die eine Kurzhaarfrisur hatte, gesagt, dass sie einen Bubikopf trägt. Das war natürlich in einer Zeit, als der Haarstylist noch Friseur hieß und die Gleichberechtigung noch ein Fremdwort war.

Karin Reitlinger, Salzburg, Österreich