Lesezeichen
 

Einmummeln: Mein Wort-Schatz

Die Außentemperaturen sind gesunken. Ich muss die Kübelpflanzen auf der Terrasse warm einpacken, ehe der Frost kommt. Als ich das Verpackungsmaterials herbeihole, fällt mir ein Wort aus meinen Kindertagen wieder ein: Ich werde meine Pflanzen einmummeln. Meine Mutter hat uns eingemummelt, ehe wir uns schlafen legten, damit die Kühle des Schlafzimmers uns nichts anhaben konnte.

Gudrun Radziewicz, Königsbrunn

 

Klapperatismus: Mein Wort-Schatz

Mein Vater sprach von »Klapperatismus«, wenn ein Gegenstand billig hergestellt war und nicht funktionierte. Ich war mir nie sicher, ob er dieses Wort selbst erfunden hatte oder ob es wie er aus Donauschwaben stammte. Sein erster, bodenständiger Teil erinnert an klappern, die Endung -ismus aber hat dann doch einen wissenschaftlichen Anklang. Das hat mir immer an dem Wort gefallen. Eines Morgens hatte ich die Idee, es zu googeln, und siehe da, es ist im Österreichischen bekannt. Unter www.ostarrichi.org fand ich: »Klapperatismus – schlechte oder (zu) filigrane od. unübersichtliche Mechanik«.

Elisabeth Hamel, Ebersberg

 

Inniglich: Mein Wort-Schatz

Vor Jahren saß ich mit meiner damals vierjährigen Tochter in der Vorweihnachtszeit am Küchentisch. Die Kerzen brannten am Adventskranz. Wir verzierten Spanschachteln, die wir an Tanten und Omas verschenken wollten. Der Kleinen gefiel das sehr. Sie blickte plötzlich auf, lächelte ganz selig und fragte: »Mama, fühlst du dich jetzt auch so inniglich?« Ja, auch ich fühlte mich so. Mein Mann kam aus dem Nebenzimmer, fotografierte seine beiden »Lieblingsfrauen« und fühlte sich wohl auch inniglich. Ein Jahr später teilte er mir mit, dass er uns verlassen würde. Er hatte sich in eine Arbeitskollegin verliebt. Am Tag vor Weihnachten zog er aus. Heute ist meine Tochter 22 Jahre alt und viel im Ausland unterwegs. Nie wieder hörte ich das Wort inniglich.

Ingrid-Maria Lux, Linz

 

Doktorvater: Mein Wort-Schatz

Seit ich mit meiner Dissertation anfing, gewinnt das Wort Doktorvater für mich mehr und mehr an Bedeutung. Es fühlt sich wirklich manchmal an, als wäre ich mit dreißig noch einmal Kind. Mein Doktorvater (der vom Alter her tatsächlich mein Vater sein könnte) weiß mich immer wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Er hört zu und gibt seine Erfahrungen an mich weiter.

Mira Schlitt, Trier

 

Schwenkel: Mein Wort-Schatz

Als aus meinem Freund mein Mann wurde, fragte sich meine Oma, wie von dem neuen Enkelsohn zu sprechen sei, der doch kein echter Enkel ist. Das wohl am nächsten liegende Wort »Schwiegerenkelsohn« erschien ihr offenbar zu lang. So sprach sie fortan vom Schwenkel und verblüfft damit viele Gesprächspartner. »Wie bitte, von wem reden Sie?« – »Na, von meinem Schwenkel, dem Mann meiner Enkeltochter«, gibt meine Oma dann stets tough zurück.

Ich habe eine gewisse Hoffnung, dass ihre Wortschöpfung es irgendwann in den Duden schafft. Es wäre dem Schwenkel zu gönnen.

Anca Leuthold-Wergin, Halle (Saale)

 

Mit der Wurst nach dem Schinken werfen: Mein Wort-Schatz

Als Kind prägte sich mir diese auf der Insel Fehmarn geläufige Redewendung ein: Mit der Wurst nach dem Schinken werfen. Wir nutzen diesen Ausdruck bis heute, um zu verdeutlichen, dass man mit Einsatz, Ausdauer und Geduld etwas Großes erreichen kann. So lernten auch meine Kinder, dass nur der im Leben Erfolg hat, der bereit ist, Eigeninitiative zu zeigen: Von nichts kommt nichts! Gerade heutzutage erscheint mir diese Kombination von »Fördern« und »Fordern« in der Pädagogik aktueller denn je.

Bärbel Evers, Kronshagen, Schleswig-Holstein

 

Fleischmann guckt aus Wollmanns Laden: Mein Wort-Schatz

Als Erstes lese ich auf dieser Seite immer die Rubrik »Mein Wort-Schatz«. Einiges erinnert mich an meine Jugend. Dabei fällt mir folgender Spruch von uns Kindern ein, wenn am Abend ein Loch im Strumpf war: Fleischmann guckt aus Wollmanns Laden. Warteten dann genug Strümpfe auf das Stopfen, musste unsere Mutter mit Nadel, Faden und einem »Stopfpilz« an die ungeliebte Arbeit gehen. Erst wenn das Loch für den Stopfpilz zu groß war, schlug das letzte Stündlein für den Strumpf.

Juergen Niemann, Langenhagen

 

Bengeln: Mein Wort-Schatz

Als ich neulich an einem Kastanienbaum vorbeikam, erinnerte ich mich plötzlich daran, wie ich als Junge mit einem Holzstück nach Kastanien bengelte, also versuchte, sie mit einem gezielten Wurf vom Baum zu holen. Nach kurzer Recherche fand ich heraus, dass das Wort »Bengel« sowohl einen ungezogenen Jungen als auch ein kurzes Holzstück beschreibt.

Cyril Grether, Düsseldorf

 

Ramenterkasten: Mein Wort-Schatz

In meiner Jugendzeit war Ramenterkasten eine geläufige Bezeichnung für umtriebige Jungen und Mädchen; nichts war vor ihnen sicher, alles wurde untersucht oder kaputt gemacht. Erwachsene rauften sich oft die Haare über die kleinen Rangen. Heute sagt man eher: »Die Kleinen nerven.«

Karl-Josef Mewaldt, Buxheim, Bayern

 

Schellenputzen: Mein Wort-Schatz

Schellenputzen – ein Wort aus fernen Kindertagen. Im Norden wird man es nicht verstehen. Selbst Wikipedia hilft da nicht weiter. »Schellen« sind Klingeln oder Glocken. Aber auch wenn der Begriff »Schellenputzen« wahrscheinlich auf das Putzen der Kuhschellen nach dem Almabtrieb zurückgeht, geht es hier nicht etwa um schwäbische Reinlichkeitsrituale. Schellenputzen ist ein Streich. Der Mutigste klingelt, alle nehmen die Beine in die Hand oder verstecken sich. Es gibt dabei noch zwei Varianten der Steigerung. (Ich schildere sie im Vertrauen darauf, dass die Leser das Know-how nicht missbrauchen.) Für die erste Variante wird die Klingel mit zwei Streichhölzern fixiert und so zum Dauerläuten gebracht. Sie hilft besonders bei Zeitgenossen, die schon ahnen, dass sie Opfer vom »Schellenputzen« geworden sind und daher nicht an die Tür gehen wollen. Bei der zweiten verwendet man ein Stück Pappe, um mehrere Klingeln auf einmal zu erreichen – und kann so ein ganzes Hochhaus auf Trab bringen.

Hans-Peter Oswald, Köln