Lesezeichen
 

Fachsimpeln: Mein Wort-Schatz

Was gibt es im Rentenalter Schöneres, als genüsslich seine Hobbys zu pflegen und darüber mit anderen zu diskutieren – oder wie man früher auch sagte: zu fachsimpeln.

Werner Müller, Berlin

 

Leerschwätzer: Mein Wort-Schatz

Jeder kennt sie. Politiker, die uns salbungsvoll Dinge erklären, die sie selbst nicht verstehen, sogenannte Experten, die höchst wissenschaftlich verpackt Banalitäten verbreiten, oder Kollegen, die meinen, zu jedem Thema den ultimativen Beitrag leisten zu können. Ich habe schon viele Bezeichnungen für diese Spezies gehört und gelesen. Heute ist mir in einer Diskussion zu diesem Thema ein Wort rausgerutscht, das im Duden wohl nicht vorkommt. Ich sagte: »Ich kann diese Leerschwätzer nicht mehr hören.« Und je mehr ich dann darüber nachdenke, umso besser gefällt es mir. Es trifft die Sache zumindest besser als »Schwätzer« (zu allgemein) oder »Dummschwätzer« (dumm sind diese Leute ja meist gar nicht). Vielleicht können Sie die Begeisterung für die Neuschöpfung ja teilen.

Norbert Sachs-Paulus, Gießen

 

Logorrhöe: Mein Wort-Schatz

Als der Latein- und Griechisch-Kollege den Begriff zum ersten Mal verwandte – Anlass war der Redeschwall eines Museumsführers – hielt ich Logorrhöe für ein Kunstwort, spontan gebildet als Parallele zur Diarrhöe. Doch ein Blick in den Fremdwörter-Duden belehrte mich eines Besseren: Es gibt den Begriff tatsächlich – als medizinischen Fachbegriff für »krankhafte Geschwätzigkeit«. Nun ist man als Lehrer am Gymnasium nicht selten mit Schülern auf Noten- und Punktejagd konfrontiert, die unter dieser Krankheit zu leiden scheinen. Man kann sie nur bestimmt, aber diskret und höflich in ihre Schranken weisen. Genervte Mitschüler sind da oft direkter. So erlebte ich, dass einem solch geschwätzigen Kursteilnehmer kurzerhand ein Schild vorgehalten wurde: »Einfach mal die Schnauze halten!«

Gerd Heimann, Wünsdorf, Brandenburg

 

Bruddeln: Mein Wort-Schatz

Beim Besuch in der alten Heimat begegnete mir das Verb Bruddeln und jetzt wieder in dem Buch Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben. In 40 Jahren, seit ich aus Württemberg wegzog – zunächst nach Baden, dann nach Bayern – habe ich das Wort nicht mehr gehört, das in meiner Kindheit zum täglichen Sprachgebrauch gehörte.

Was heißt bruddeln? Es ist ein leises oder halblautes, brummelndes Vor-sich-hin-Schimpfen. Mit Nörgeln ist es jedoch nicht gleichzusetzen. Man kann an einer Entscheidung herumnörgeln, aber allenfalls darüber, aber mehr noch über Gott und die Welt bruddeln.

Christof Leitz, Erlangen

 

Gackel und Demmeln: Mein Wort-Schatz

Ich bin nach dem Krieg in Thüringen groß geworden. Wenn wir Kinder ein wenig Blödsinn machten, kam die Ermahnung »Mach keinen Gackel« oder »Gackel nicht so«. Verteilte man dagegen Fußtritte, dann hieß es: »Du sollst mich nicht demmeln«. Ich habe diese Wörter später nie wieder gehört, schon gar nicht im Schwäbischen, wo ich seit über fünf Jahrzehnten lebe.

Wolfgang Teubner, Herrenberg

 

Kruschen: Mein Wort-Schatz

Meine Lieblingstätigkeit in dieser Jahreszeit jenseits von Golfplatz und Blumengarten ist Kruschen! Diese Tätigkeit besteht aus Nachschauen, Aufräumen und darin, Dinge von der einen Seite auf die andere Seite zu legen. Zum »Kruschen« braucht man Zeit und Muße – wie zu einer Meditation!

Schon als Kind habe ich gerne gekruscht auf dem Dachboden und im Keller, sehr zum Missfallen meiner Mutter, die mit acht Kindern für sinnlose Tätigkeiten wie das Kruschen keine Zeit hatte.

Erst viel später, mit über achtzig, hab ich sie mal gefragt: »Was hast du heute denn alles gemacht?« Antwort: »Ich hab nur ein wenig rumgekruscht!«

Sie sehen, es ist nie zu spät für sinnlose und doch erfüllende Dinge.

Rosa Laube, Neumarkt

 

Männer-Lockfädchen: Mein Wort-Schatz

Bei einer Klassenreise begleitete mich eine Kollegin, die ihre Kindheit und Jugend in Rostock verbracht hatte. Eines Morgens trug ich eine Bluse, deren oberster Knopf offen stand. Mit geschärftem Blick stürzte sich die Kollegin auf diesen Knopf. »Ein Männer-Lockfädchen!«, rief sie aus. »Nein«, sagte ich und zog an dem Faden, bis sich der Knopf von der Bluse gelöst hatte und sicher verwahrt war. Ob es sich bei dem Wort um einen typisch ostdeutschen Ausdruck handelt oder um ein sprachliches Vorkriegsrelikt, das in der DDR überlebte, weiß ich nicht. In jedem Fall stammt es aus einer Phase, als die Herren die Garderoben ihrer Damen genau überprüften und gern auch mal korrigierend eingriffen – was sich die eine oder andere wohl zunutze machte.

Claudia Guderian, Hamburg

 

Fersengeld: Mein Wort-Schatz

Meine kleine Tochter liest in einem Kinderbuch, runzelt die Stirn, blättert zurück und fragt schließlich skeptisch: »Mami, können Jungen ihren Fersen Geld geben?« Ich muss lächeln, das Wort Fersengeld habe ich schon ewig nicht mehr gehört. Durch meinen Kopf wirbeln fast 40 Jahre alte Bilder. Ich erinnere mich, was meine Schulfreundin Gaby und ich – damals etwa so alt wie meine Tochter heute – so alles anstellten und wie oft wir vor Strafe oder Vergeltung flüchteten: Fersengeld gaben. Nur einmal klappte es nicht. Da stand bald darauf ein Polizist in der Wohnungstür. Er suchte die Kinder, die Mehlmatschbomben auf arglose Passanten geworfen hatten. Ich erkläre meiner Tochter die Bedeutung des Wortes Fersengeld. Nur über Beispiele schweige ich lieber.

Anke Berlett, Neuss

 

Sockenschuss: Mein Wort-Schatz

Wenn mein Vater jemand für verrückt oder dessen Meinung für abwegig hielt, sagte er früher oft: »XY hat einen Sockenschuss!« Als Kind freute ich mich an dem Ausdruck, an Vaters Erfindung – wie ich dachte. Erst kürzlich habe ich erfahren, dass es den Begriff wirklich gibt, und zwar im Wäschereiwesen, wo man durch das paarweise zusammenheften von Socken deren Vereinzeln beim Waschen verhindert. Wie nun das eine mit dem anderen zusammenhängt, weiß ich nicht, aber schöner als »Macke« oder »Meise« finde ich »Sockenschuss« noch immer.

Bernd Abesser, Seevetal