Die Wörter »Kausche« und »Schäkel«, verblüfften Ihren Leser, dabei sind sie jedem Segler zur Hand, wenn eine Trosse zu belegen ist. Frivoler mutet da schon der Lümmelbolzen an. Dieses Wort lernte ich 1955 als Maschinenbau-Praktikant auf einer Schiffswerft kennen. Die Leute auf der Werft sind ja bekanntermaßen nicht zimperlich, verbarg sich hinter dem Wort also eine erotische Anspielung? Nein, der Lümmelbolzen gehört(e) zum Ladegeschirr jedes Stückgutfrachters. Am zugehörigen Mast abgestützt, gestattet(e) er dem Ladebaum die Hub- und Schwenk-Bewegung. Das Präteritum (siehe Klammer) ist übrigens dem Container-Zeitalter geschuldet: Moderne Frachter benötigen keine Ladebäume mehr.
In der Ausgabe ZEIT Nr. 3/13 wurde in dieser Rubrik der »Schäkel« erwähnt, der in der Schifffahrt und im Maschinenbau dazu dient, Tauwerk, Seile und Ketten zu befestigen. In diesem Zusammenhang existiert noch ein anderes wunderschönes Wort und zwar bemusen. Einen Schäkel bemusen bedeutet, ihn mit einem Draht gegen unbeabsichtigtes aufdrehen zu sichern. Obwohl ich oft mit Schäkeln hantiere, bin ich, mangels technischer Notwendigkeit, bisher jedoch noch nie in den Genuss gekommen, selbst zu bemusen. Die Musen küssen eben nicht jeden.
Hungerharke, diesen Ausdruck kennen wohl nur noch die etwas älteren Semester. Bei großen, etwas dürren Frauen war dieser Ausdruck in unserer Kinderzeit ein weit verbreiteter Begriff. Wurde er auch bei Männern angewendet? Ich kann mich nicht erinnern!
In meiner Kindheit nannte man einen unverheirateten Mann Hagestolz. Ich kann mich an einen erinnern, der mein Lehrer in der Volksschule war. Er war alt, (also vielleicht um die 50 Jahre!), alleinstehend und ärmlich gekleidet und strafte gerne mit Linealschlägen. Als ich 20 Jahre später in der großen Kreisstadt bei einer Bank arbeitete, sah ich ihn wieder. Er hatte dort ein Aktiendepot, war aber immer noch mit dem ärmlichen grauen Mantel bekleidet. Beim Nachschlagen findet man unter Hagestolz: »Ein älterer Junggeselle, ein Mann, der die Ehe verabscheut, Sonderling«. Auch wird das Wort »Geiz« erwähnt. Gibt es heute noch Hagestolze? oder sind sie im weiten Feld der »Singles« untergetaucht?
Wenn meine Oma mit uns Fußball schaut, dann nicht der Tore wegen. Am spannendsten findet sie die Fouls und Rangeleien – und die Spieler, die alle paar Minuten Kobolz schiessen, also hinfallen oder sich überschlagen. Die Zeitlupe lässt das ja oft sehr lustig aussehen. »Kobolz schießen« ist ein Ausdruck, den auch ich mir früher oft von meiner Oma anhören musste – wenn ich mal wieder über meine eigenen Füße gestolpert bin. Ihn beim Fußball zu verwenden scheint mir gar nicht so weit hergeholt: Schließlich haben alle Profispieler mal auf dem sogenannten »Bolzplatz« angefangen.
Kürzlich ging es bei uns um den »Purzelbaum«, also die Rolle vorwärts. Meine Frau – sie kommt aus Norddeutschland – sagt dazu Koppheister schiessen. Ich selbst dagegen stamme aus dem Siegerland und lernte den Purzelbaum als Bullewums kennen. Es gibt schon merkwürdige Ausdrücke. In jedem Fall sind sie lautmalerisch!
Herzlich willkommen. Egal, ob im Fernsehen, im Supermarkt oder auf dem Display des Bankautomaten, alle »herzen« uns. Ein Missbrauch. »Herzlich willkommen« sind Freunde und die Familie! Ansonsten reicht »Willkommen« oder ein »Guten Tag«.
Meine Frau ist Erzieherin in einer Kindertagesstätte. Neulich, als sie ziemlich erschöpft nach Hause kam, erzählte sie, dass zwei Mütter ihr, unabhängig voneinander, gesagt hätten, wie froh sie darüber seien, ihre Kinder so gut aufgehoben zu wissen. Sonst sind die Eltern sparsam mit Lob. Die Komplimente wirkten im wahrsten Sinne des Wortes herzerfrischend.
In meinem Umfeld ist niemand, der »wohlfeil« im Gespräch noch aktiv einsetzt. Stattdessen punktet in Zeiten des geilen Geizes das Allerweltswort »billig«. Wohlfeil kennt indes keine negative Facette wie das Synonym billig, das auch spottbillig oder gar banal mit umfasst. Das Wort wohlfeil ist von dem Wörtchen »feil« abzuleiten, das so viel wie vorrätig oder lieferbar bedeutet. Wohlfeile Ware ist zu günstigen Bedingungen erhältlich. Man muss nicht unbedingt »feilschen«, um ihren Preis herunterzuhandeln. Das angebotene ist seinen Preis wert und somit preiswert.
Ein kleiner Beitrag aus meiner rhetorischen Schatzkiste: immens. Ich benutze dieses Wort, wenn ich einem Wert mehr Wichtigkeit geben will. So kann man etwa sagen: »Das Abitur war schon ein ganz schöner Zeit- und Energieaufwand.« aber »immenser Zeit- und Energieaufwand« wirkt doch gleich viel eindringlicher. Es gibt keine »Immensität« oder »Immensitäter«, aber wenn etwas »immens« wichtig ist, klingt das einfach besser als »sehr« wichtig oder »ungeheuer« wichtig. Ich liebe es, dieses Doppel »m« und dann das »w« von wichtig mit dem Füllfederhalter zu schreiben. Toll überdies, so ein kleines Wörtchen auch noch trennen zu können: »immens«. Es ist so klein, aber gibt dem, den es unterstützt, den Kick zu unermesslichem Wert.
So, das wollte ich schon lange mal schreiben, habe aber als 52-jähriger Abiturient des Peter A. Silbermann-Abendgymnasiums hier in Berlin zwischendurch immens wenig Zeit gehabt…