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Kalfaktor: Mein Wort-Schatz

»Kalfaktor gesucht« lautete eine Stellenanzeige in unserer Lokalzeitung. Wie lange habe ich diesen Ausdruck nicht mehr gehört? Und was bedeutet er eigentlich? Der Duden erklärt, dass es sich um einen Dienstleister für einfache Arbeiten handelt, in der Vergangenheit eher mit einem negativen Beiklang behaftet. Und heute? Was mag sich der Inserent dabei gedacht haben? Hat er sich gescheut, die Tätigkeiten klar zu benennen? Auf alle Fälle hat seine Annonce zum Blättern im Duden angeregt.

Elisabeth Peper, Cuxhaven

 

Behende: Mein Wort-Schatz

In einem Gedicht von Storm fand ich es wieder, und gleich rief es Kindheitserinnerungen wach: das Wort behende. Da heißt es im Gedicht Morgens: Nun gib ein Morgenküßchen! du hast genug der Ruh; und setz dein zierlich Füßchen behende in den Schuh!

Wie schön ist es, an einem Sonntagmorgen Storm zu lesen beim Klang der Kirchenglocken! Spornstreichs – auch so ein schönes Wort – lief ich zum PC, um es Ihnen zu schreiben.

Grethlis Thomas-Talvik, Kiel

 

Bottschamber: Mein Wort-Schatz

Unsere Enkelin entwächst den Windeln, und so kommt bei uns der Bottschamber wieder zu Ehren. Früher durfte er als pot de chambre oder schlicht als Nachttopf auch bei Erwachsenen in keinem Schlafzimmer fehlen. Man benutzte das Wort ohne Hintergedanken. Despektierlich allerdings war der Gebrauch des Begriffs im Zusammenhang mit auffälligen Kopfbedeckungen vornehmer Damen…

Dieter Walker, Mannheim

 

Rauslassen: Mein Wort-Schatz

Als Kielerin und überzeugte Wahlberlinerin kann man an Stuttgart nur scheitern – das fängt schon bei der Sprachbarriere an. Dennoch gibt es ein Wort, das sich seinen Weg in mein Herz gebahnt hat: rauslassen. Es kommt so schön unprätentiös und vor allem unschuldig hochdeutsch daher und ist doch so unglaublich vielseitig. Man kann sich ein Word-Dokument rauslassen oder einen Fahrschein am Automaten, man kann sich heute zur Belohnung eine Tafel Schokolade rauslassen, oder man lässt sich etwa einen Professor raus (man angelt sich einen). Und zu guter Letzt habe ich mir jetzt einen neuen Job in Berlin rausgelassen. Für diesen Neuzugang in meinem Wortschatz danke ich Dir, liebes Stuttgart, von ganzem Herzen. Und diese späte Liebeserklärung musste ich einfach rauslassen!

Ronja Tripp, noch Stuttgart

 

Hinterfragen: Mein Wort-Schatz

Zwei Jahre lang hatte ich in Madrid gelebt. Als ich 1955 nach Deutschland zurückkehrte, fand ich neue Begriffe und diese und jene Änderung der deutschen Sprache. Mir fiel ein ganz einfaches Wort auf, das mir vorher nicht geläufig gewesen war: hinterfragen. Hatte es an den tausend großdeutschen Jahren gelegen, in denen ich sozialisiert worden war und in denen Befehl und Gehorsam das Leben bestimmt hatten? Wie glücklich war ich, als ich dieses Wort auch in einem der Kernsätze des Aufklärers Kant fand: Man möge das Wesen der Sachen hinterfragen. Jeder Leserin, jedem Leser, mir selbst, allen möchte ich dieses Wort anempfehlen. Nicht mit einem Ausrufungszeichen, sondern mit einem freundlichen Einladungszeichen versehen –, auch wenn es dieses Zeichen derzeit noch nicht gibt.

Helmut Willenbrock, Maulbronn

 

Dabei: Mein Wort-Schatz

1984, als ich drei Jahre alt war, ist meine Familie aus der Türkei nach Deutschland migriert. Damit wir so schnell wie möglich Deutsch lernten, gingen meine Zwillingsschwester und ich schon wenige Wochen nach unserer Ankunft in München in den Kindergarten. An unserem ersten Tag im Kindergarten dachte unsere Mutter gar nicht daran, uns was zu essen einzupacken. Sie nahm an, dass wir im Kindergarten etwas zu essen kriegen würden, wie sie es eben aus der Türkei kannte. Zur Mittagszeit packten dann alle Kinder ihre Brote aus. Nur wir hatten nichts zu essen. Als die Kindergärtnerin bemerkte, dass wir mit großen Augen die Brote der anderen Kinder anschauten, kam sie auf uns zu und fragte: »Na, ihr zwei, habt ihr nichts dabei?« Da wir noch kein Deutsch konnten, verstanden wir gar nichts. Schauten uns fragend an und dann wieder mit großen Augen auf die Brote der anderen Kinder.

Zu Hause sagten wir unserer Mutter, dass wir von jetzt an auch »Dabei« haben wollten. Unsere Eltern wussten natürlich erst mal gar nicht, was wir meinten, und fragten am nächsten Tag die Kindergärtnerin, was ein »Dabei« sei. »Dabei« war eines der ersten Wörter, die wir auf Deutsch lernten, und das Wort hat in unserer Familie immer noch eine ganz besondere Bedeutung. Noch heute fragen meine Zwillingsschwester und ich uns manchmal scherzhaft: »Na, Lust auf ›Dabei‹?«

Basak Tezcan, Brüssel

 

Altjüngferlich: Mein Wort-Schatz

Altjüngferlich ist ein Wort, das nun endlich ausgestorben zu sein scheint. In den letzten Jahrhunderten wurden von vielen Dichtern Erzählungen über alte Jungfern, das heißt sitzen gebliebene junge Frauen ab 25, ausgesponnen. Sie fanden den hämischen Beifall abgewiesener Männer, aber auch schadenfroher Frauen, denen es gelungen war, rechtzeitig einen Mann an Land zu ziehen. Im Zeitalter der Singles gibt es keine alten Jungfern mehr, stattdessen reichlich Junggesellen, die man mit Lächeln immerhin als achtbare Kandidaten unter die Lupe nehmen sollte.

Eva Schwarz, Berlin

 

Anmut: Mein Wort-Schatz

Toll, die Frauen von heute. Selbstbewusst, kess, sexy. Sie warten nicht auf den Richtigen, sie holen ihn sich – vielleicht auch nur vorübergehend. Die neue Freiheit eben, die hier keineswegs in Bausch und Bogen verteufelt werden soll. Doch eine urweibliche Eigenschaft bleibt dabei häufig auf der Strecke: die Anmut. Gilt halt als etwas gestrig, als die Frau sich dem Mann anpasste oder gar unterordnete und dabei vieles allzu ergeben erduldete. Doch die Anmut, die ich meine, ist nicht so: Sie passt ganz gut zu natürlicher Selbstsicherheit, sie geht einher mit Charme und macht es dem Mann keineswegs zu leicht. Vielleicht bin ich ja ein hoffnungsloser Romantiker, doch wenn ich das Glück habe, ein weibliches Wesen zu treffen, das diese besondere Ausstrahlung hat, empfinde ich das als Glücksfall.

Hans Trachsel, Zollikofen, Schweiz

 

Tollpatsch: Mein Wort-Schatz

Einer meiner Wort-Schätze ist der Tollpatsch. Ein wunderbares Wort, bei dem, wie ich finde, schon aus dem Klang die Bedeutung herauszuhören ist: eine insgesamt doch noch gutmütige Bezeichnung für einen etwas ungeschickten Menschen.

Bernd Steinheimer, Hamburg

 

Hansdampf in allen Gassen: Mein Wort-Schatz

Mein Kollege bezeichnete neulich einen Bekannten als Hansdampf in allen Gassen. Diesen Ausdruck habe ich schon ewig nicht mehr gehört, finde ihn aber grandios. Und er passt auf ebenjenen Bekannten auch äußerst gut: Dieser ist umtriebig, vielseitig und mischt überall mit.

Barbara Engelen, Neustadt am Rübenberge