Oft liege ich im Bett und klage darüber, nicht einschlafen zu können. Wann immer meine Mutter das mitbekommt, sagt sie: „Wieso, ist doch auch schön einfach so vor sich hin zu durmseln.“ Ich weiß nicht woher das Wort kommt, und kann es leider auch in keinem Wörterbuch finden. Zu schade, es ist doch so schön. Durmseln, dass klingt wie Amseln. Und erweckt die Vorstellung von Vögeln, die nebeneinander im aufgeplusterten Federkleid auf einem Ast sitzen, geborgen und voller Gemütlichkeit. Durmseln ist manchmal noch besser als schlafen, denn man nimmt die wohlige Wärme bewusst wahr.
Neulich musste ich herzlich lachen, als die zwei temperamentvollen Hunde unserer Nachbarn Radau machten und mir spontan in den Kopf kam: Die machen ja mal wieder ordentlich Rabatz und Remmidemmi – das sind meine drei »R«-Wörter, die ich sehr mag, aber nur noch selten höre.
Das »sch« ist in der deutschen Sprache offensichtlich gut für dadaistische Laute geeignet. Unlängst montierte mein Klempner eine Schlupfschnute an den Wasserhahn in meiner Küche. Und in der Schweiz entdeckte ich einen Schneckenschrägschleifer – ein Großgerät zum Tunnelbau.
Lustbarkeiten – ein Wort, das bestenfalls noch ironisch gebraucht wird. Dabei klingt es so wunderbar und macht schon als bloße Bezeichnung Spaß! Ein bisschen frivol, ein wenig unschuldig, duftet es nach einem Parkspaziergang im Sommer, klingt nach Lachen und Tanz… In der Betheler Studentenschaft gab es in den 1970er Jahren den »Lustbarkeitsminister«, der für die Organisation des jährlichen Theologenballs zuständig war. Eine Lustbarkeit kann alles mögliche Schöne sein – wenn es nur in Gesellschaft stattfindet.
Von meinen Eltern kenne ich noch das Wort ausklamüsern. Sie benutzten es, wenn ich eine heikle Sache zu lösen versuchte – den Reifen eines Hinterrads am Fahrrad flicken, eine grammatikalische Regel korrekt anwenden oder hinter den Sinn einer Erklärung steigen. Ich musste das Problem eben mit Mühe und Ausdauer ausklamüsern; gelang es, waren alle stolz, scheiterte man, hatte man sich leider umsonst »abklamüsert«. Auch heute muss man noch vieles, etwa unverständliche Aufbauanleitungen, ausklamüsern.
Mein Schulfreund Ralph war ein Tausendsassa. Er stand in allen Fächern »sehr gut«, auch in Sport. Rock-Gitarre konnte er auch, die Mädels stritten sich um ihn. Gibt es nicht? Gab es doch. Wenn wir in Österreich aufgewachsen wären, wäre Ralph dort ein Wunderfuzzi gewesen. Auch schön!
In Stefan Zweigs Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam heißt es: »Im Humanismus feiert die Zeit ihren eigenen Denkmut und ihre neue Hoffnung.« Denkmut gehörte zur Zeit des Erasmus (1465 bis 1536) wahrhaftig dazu, die Kirche und den Papst zu kritisieren und sich darüber lustig zu machen in einer Satire und im Lob der Narrheit. Nach Erasmus ist zu Recht das Programm der EU für grenzüberschreitende Mobilität und Zusammenarbeit in der europäischen Hochschulbildung benannt. Denkmut bringen die vielen Millionen Studenten in Europa auf, die daran teilnehmen. Aber warum ist das schöne Wort aus unserem aktuellen Wortschatz verschwunden?
Spätestens seit Beginn der Finanzkrise(n) liebe ich die Fantastillion. Nicht selten war ich schon am nächsten Tag unsicher, sprachen die Medien gestern von Milliarden oder waren es gar schon Billionen? Für mich waren es dann eben Fantastillionen. Und wenn es noch schlimmer kommt, habe ich noch die Myriaden von Fantastillionen in Reserve…
Leichenbittermiene – das Wort erinnert mich an meine Kindheit in den sechziger Jahren in einem kleinen ostwestfälischen Ort. Ich weiß noch genau, dass immer dann, wenn jemand gestorben war, der Leichenbitter von Haus zu Haus ging, alle von dem Tod in der Nachbarschaft informierte und sie zur Beisetzung und dem anschließenden Leichenschmaus bat. Das Phänomenale an unserem Leichenbitter war, dass er auch im Alltag traurig und bedrückt wirkte und man ihn nie ohne Leichenbittermiene sah.
Was die deutsche Sprache betrifft, bin ich keine Muttersprachlerin. Ein Leben lang außerhalb eines deutschsprachigen Raums lebend, bin ich eher eine Beobachterin. Aber ich habe auch meine Wort-Schätze. Der neueste stammt aus dem deutschen Fernsehen. Nie vorher habe ich solch ein schönes und lustiges deutsches Wort gehört wie vor Kurzem beim Wintersport schauen: Skischuhschnalle. Das Wort klingt so, als ob es sich die Dadaisten ausgedacht hätten. Meine achtjährige Tochter war genauso begeistert, noch bevor sie merkte, dass das Wort auch Semantik hat. Es lebe die Konsonanz!