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Regenbogenpresse: Mein Wort-Schatz

Ich bin nicht sicher, ob mein Lieblingswort schon bei Ihnen erschienen ist. Jedenfalls ist Regenbogenpresse wirklich aktuell: Da gaukeln die bunten Seifenblasen zu Skandalen und Skandälchen mal wieder durch den Medienwald, bis die raue Wirklichkeit der Journalisten dem gläubigen Publikum alle Regenbogenträume platt walzt.

Susanne Privat, Bonn

 

Kunststoffstoßstange: Mein Wort-Schatz

Es gibt ein Wort in der deutschen Sprache, das jedem Autofahrer geläufig sein sollte, spätestens wenn er beim Ein- oder Ausparken auf ein anderes Fahrzeug auffährt: Kunststoffstoßstange! Richtig flüssig geht das nicht von der Zunge, und ein Ausländer – besonders aus dem spanischen oder englischen Sprachraum – wird bei der Aussprache auf große Schwierigkeiten stoßen. Vielleicht sollte man daraus ein Silbenkurzwort formen, etwa »Kustostosta« oder noch kürzer »Kusta« – wie »Azubi« für »Auszubildender«.

Gerhard Bauer, München

 

Rückwärts: Mein Wort-Schatz

Als Kinder sprachen und lasen wir Wörter rückwärts, kichernd und mit Freude am Kauderwelsch. Wir hüpften rückwärts mit Kribbeln im Bauch. Heute hat »rückwärts« eine andere Bedeutung für mich. Seit dem Tod meines Mannes, mit dem ich in einer liebevollen vierzigjährigen Ehe lebte, ist mein Denken und Fühlen rückwärts gewandt. Ich werde rückwärts gelebt und treibe steuerlos, in assoziativer Verkettung, durch die Erinnerungen. Und bemerke, wie im Aushalten und Durchleben des Abschieds ein winziges Vorwärts durchschimmert.

Martha Böttger, Witzwort

 

Putzteufel: Mein Wort-Schatz

Ich mag das Wort Putzteufel. Meine Mutter putzt das Haus immer blitzblank. Als Kind fühlt man sich dann wie im 4-Sterne-Hotel, ohne viel Arbeit. Herrlich! Aber wenn es die Mutter übertreibt und beim Putzen die ganz privaten Sachen durchstöbert, regt einen das richtig auf. Daher das Wort »Putzteufel«. Ist das nicht eine perfekte Beschreibung für Mütter?

Pascal Zwally, Dahn, Südwestpalz

 

Glimpf: Mein Wort-Schatz

Als Liebhaber seltener und seltsamer Trouvaillen möchte ich für diese Rubrik den Glimpf anbieten. Im heutigen Sprachgebrauch taucht nur noch das Verb »verunglimpfen « in der Bedeutung »verunstalten, besudeln, verleumden « auf. Dass in früheren Tagen aber auch einmal das Substantiv »Glimpf« kursierte, weiß nur noch das Lexikon. »Glimpf« bedeutete »Nachsicht, Rücksichtnahme, Fug, Billigkeit, Schicklichkeit im Verhalten« – lauter Dinge, denen das Odium des Altmodischen anhaftet und die deshalb selbst fast aus dem heutigen Sprachgebrauch verschwunden sind. »Glimpf« bedeutete auch »Zufall« oder »Schickung«. Mich fasziniert dieses Wort wegen seines offenbar geräuschimitierenden Schalles und seines kuriosen Charakters sehr, und einmal habe ich es für den Offenen Kanal sogar zu einer Figur eines Hörspiels für Kinder gemacht: »Wer ist dieser Pimpf? Es ist der Glimpf!« Ein Glimpf ist selbstverständlich ein gutmütiger Kerl von zwergenhafter Statur mit knallroter Mütze, der die Dinge wieder ins Lot bringt.

Volker Zobel, Hamburg

 

Sekundärrohstoffannahmestelle: Mein Wort-Schatz

Dieses Wort geht mir nicht aus dem Kopf: Sekundärrohstoffannahmestelle. Tatsächlich war das in meinen Kindertagen in der damaligen DDR ein nicht nur gebräuchliches Wort, sondern eine kleine Einnahmequelle für Kinder. Es war nichts anderes als eine Annahmestelle für Flaschen, Gläser und Papier. Diese wurden – soweit mir noch bekannt ist – nur an diesen Stellen abgegeben und nicht im Geschäft, wo man eingekauft hatte. Ausgerüstet mit einem Bollerwagen, zog man samstags von Plattenbau zu Plattenbau. Hundertmal geklingelt, hundertmal treppauf, treppab, hundertmal die Frage: »Guten Tag, haben Sie Flaschen, Gläser und Altpapier?« Ich war froh, wenn jemand Marmelade lieber mochte als Bier, denn für Gläser gab es ein paar Pfennige mehr als für Flaschen. Altpapier war nicht sehr rentabel, aber wer wollte schon auf eine zusätzliche Tafel Schokolade verzichten? Resultat eines ganzen Samstags: vier Stunden Sammeln, vier Stunden Anstehen, fünf Minuten am Kiosk für ein paar Süßigkeiten. Heute werde ich schon nervös, wenn ich am Mehrwegautomaten eine Minute zu lang warten muss. An Gummibärchen und Co gehe ich lustlos vorbei. Aber an das Wort und die Anstrengungen von damals erinnere ich mich heute noch gern. Da war Zeit noch relativ.

Sylke Brand, Wiesloch

 

Akklimatisieren: Mein Wort-Schatz

Ich mag das Wort akklimatisieren. In den achtziger Jahren fuhr ich als Kind jedes Jahr mit meinen Großeltern in den Urlaub. Egal, ob im Sommer am Gardasee oder im Herbst an der Nordsee – erst mussten wir uns langsam an die ungewohnten Temperaturen, das andere Essen, die raue Luft gewöhnen. In der Hitze Italiens verließ man zur Mittagszeit den Strand, um sich in der Kühle des Hotelzimmers eine Auszeit zu gönnen, in Büsum war Barfußlaufen in den ersten Tagen tabu. Körper und Seele mussten erst mal ankommen können. Nach drei bis vier Tagen fing der Urlaub dann so richtig an! Heute jetten wir für zwei Nächte zum Sightseeing oder über Silvester in die Karibik. Mein Lieblingswort und sein Sinn spielen dabei keine Rolle mehr. Dafür haben wir gar nicht die Zeit! Vielleicht hat man deshalb manchmal das Gefühl, gar nicht weg gewesen zu sein!

Simona Ernst, Hamburg

 

Einmummeln: Mein Wort-Schatz

Was mir bei einmummeln alles einfällt: Sonntagmorgen, Tannenspitzen vor dem Fenster, leise knackendes Feuer, knisternde Daunendecken, kalte Nasenspitzen, müde Augen, warme Haut, an die man sich kuschelt, um sich beschützt und sicher zu fühlen.

Katharina Becker, Karlsruhe

 

Plusquamperfekt: Mein Wort-Schatz

In meiner Schülerzeit hat mich ein Wortungetüm aus der Grammatik in Angst und Schrecken versetzt: Plusquamperfekt. Heute ist mir erst bewusst, dass es eigentlich ein sehr schönes Wort ist. Es enthält immerhin die beiden positiven Begriffe »plus« und »perfekt«.

Peter Rackebrandt, Schiffdorf

 

Heidewitzka: Mein Wort-Schatz

Heidewitzka! Dieses Wort verbinde ich mit meinem Kronshagener Elternhaus. Mein Vater, heute 80 Jahre alt, fügte als Kapitän zur See gern hinzu: »Heidewitzka, Herr Kapitän!« Das bedeutete für uns vier Kinder stets, dass er etwas Angenehmes oder Unangenehmes entdeckt hatte und dies in einem laut vernehmbaren Selbstgespräch kundtat. Ich eignete mir diesen Ausruf des Erstaunens an und ertappe mich bis heute dabei, leise oder laut auszurufen: »Heidewitzka!« Eine sprachlich wohltuende Weise, andere an der eigenen Gefühlswelt teilhaben zu lassen.

Felix Evers, Ratzeburg