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Sassafras: Mein Wort-Schatz

Sassafras! Für mich klingt dieses Wort verheißungsvoll, magisch, voller Überraschungen. Eventuell ein geheimer Begriff? Als ich vor sehr vielen Jahren über dieses Wort stolperte und neugierig im Lexikon nachschlug, wurde ich allerdings enttäuscht: Es ist der Name eines Lorbeergewächses in Nordamerika. Immerhin ist es ein nicht heimischer Baum. Dennoch hat mich dieses Wort nicht mehr losgelassen. Es hat in der Sammlung besonderer Lieblingswörter (neben »Ichneumon« und »Scheltopusik«) in meinem Herzen einen Ehrenplatz. Wann immer es mir einfällt, muss ich es – wenigstens in Gedanken – mehrmals hintereinander sagen. Klingt es nicht wie die unmissverständliche, barsche Antwort auf eine allzu dreiste Frage? »Sassafras!«

Anja Schirk, Lübeck

 

Mitbringsel: Mein Wort-Schatz

Gerade ist es mir wieder eingefallen, als ich eine französische Freundin, die ich demnächst besuchen will, fragte, ob sie einen Wunsch habe. Meinen Wort-Schatz gibt es nicht in Frankreich, nicht in England, nicht in Spanien. Dort muss man sich begnügen mit blassen Umschreibungen wie »kleines Geschenk«, »Andenken«. Die Italiener haben wenigstens einen pensierino, ein kleines Drandenken. Aber nur wir haben das Mitbringsel. So gern ich das Wort habe, so gespalten stehe ich der Sache gegenüber. Wie schön war es, als Kind von Gästen etwas mitgebracht zu bekommen! Ich erinnere mich an unseren Sonntagnachmittagsbesuch, eine befreundete Lehrerin, die mir meine ersten Bücher mitbrachte, darunter mein langjähriges Lieblingsbuch Andschana von Käthe von Roeder-Gnadeberg. Andererseits: die mühsame Suche in kitschigen Souvenirläden! (»Was könnten wir denn für die Oma kaufen?« – »Für Anneliese haben wir auch noch nichts!«) Und eben kommt mir noch ein Gedanke. Soll ich den einer in Hamburg erscheinenden Zeitung mitteilen? Nur Mut: Könnte es sein, dass mir das Mitbringsel auch deshalb so gut gefällt, weil es in seiner Klangfarbe viel eher nach Bayern passt als nach Norddeutschland?

Gisela Dietrich, Planegg

 

Sammelsurium: Mein Wort-Schatz

Als Kind herrschte ich über einen wunderbaren Schatz, der in meinem Kinderzimmer, ohne erkennbares System, weitflächig verteilt war. Diesen Schatz hatte ich in vielen Jahren liebevoll zusammengetragen. Es handelte sich um außerordentlich wertvolle Dinge, wie Muscheln, Steine jeder Größenordnung, rostige Schrauben mit Muttern und Unterlegscheiben, Hunderte von Einzelteilen aus dem Märklin-Baukasten, halb fertige Traktoren und Portalkräne, speckige Stofftiere, Sportabzeichen der verschiedensten Leistungsstufen und viele andere Herrlichkeiten. Nichts davon hätte ich hergegeben, es sein denn über meine Leiche. Meine Mutter allerdings konnte den Wert der außergewöhnlichen Sammlung offenbar auch nicht andeutungsweise ermessen. Sonst hätte sie nicht eines unschönen Tages in wenig freundlichem Ton zu mir gesagt, ich solle doch endlich das ganze Sammelsurium wegschaffen. Geblieben ist mir ein frühkindliches Trauma neben der Gewissheit, dass es kein hässlicheres Wort auf der ganzen Welt gibt, als das Teufelswort Sammelsurium, vor allem im Zusammenhang mit den Schätzen eines Kindes. Und sollte ich jemals einen Meuchelmord begehen, wird mein Anwalt gut daran tun, diese tiefe Verletzung strafmindernd vorzubringen.

Willi Oberholz, Wittlich

 

Herzensbildung: Mein Wort-Schatz

Herzensbildung liegt ganz zuoberst in meiner Wortschatzkiste. Ein Wort wie ein Füllhorn der Fantasie. Bestehend aus zwei Begriffen, die in ihrer ursprünglichen Bedeutung den Körper ertüchtigen und den Geist bereichern. Doch erst zusammengesetzt machen sie den ganzen Menschen aus, zeigen uns ein Stück seiner Seele. Ich bedaure sehr, dass der Begriff und seine anstiftende Wirkung immer mehr in Vergessenheit geraten. Denn was schließt dieser Wort-Schatz nicht alles ein: Mitgefühl, Güte, Anstand und Hilfsbereitschaft. Gelassenheit und Lebensweisheit. Auch Beherztheit und Selbstsicherheit, Verantwortungs- und Handlungsbereitschaft schwingen mit. Und vieles mehr. Wer denkt dabei nicht an die führende Hand der Großeltern, den prägenden Rat des Vaters, die weisende Liebe der Mutter? An Geschwister, Freunde, Lieblingslehrer. Mag es auch pathetisch klingen: Jenseits von Pisa und G 8 ist Herzensbildung der goldene Schlüssel zu einer besseren Welt – zumindest aber zu einem besseren Miteinander. Heben wir den Schatz!

Christof Krüger, Ostfildern

 

Papperlapapp: Mein Wort-Schatz

Mein Wort-Schatz ist einer für die Optimisten dieser Welt. Einer für diejenigen, die nicht alles angepasst hinnehmen oder nur machen, weil man »das eben so tut«. Es ist das wunderschöne Wörtchen Papperlapapp. Leider weiß ich nicht mehr, wann das Wort in meinen Wortschatz geriet; aber ich weiß genau, wann es mich jedes Mal aufs Neue begeistert: zur Weihnachtszeit in dem Kultfilm Der kleine Lord. Es ist die wunderbar herzliche Art, mit der Lady Lorradaile, die Schwester des einst so vergrämten Earls, mit diesem Wort um sich wirft. Und damit so unbekümmert und begeisterungsfähig ist, wie man sich das in vielen Situationen des Lebens für sich selber wünscht. Das hat etwas von mit dem Kopf durch die Wand wollen – im positiven Sinn: »Ach was, wir machen das jetzt, keine Widerrede und ganz egal, ob alle uns davon abraten.« Manchmal – das gilt für die Politik und auch im privaten Leben – muss man einfach seinen Mut zusammennehmen, muss die ewigen Zweifler hinter sich lassen, die Sorgen über Bord werfen. Manchmal muss man einfach »Papperlapapp« sagen.

Gesine Heger, Heidelberg

 

Wundervoll: Mein Wort-Schatz

Mein Wort-Schatz ist das Wort wundervoll: ein Wort, das glücklicherweise zu dem Teil unserer Sprache gehört, der noch nicht in Vergessenheit in geraten ist. Ein Wort, so schlicht und in sich so selbsterklärend, dass es keiner weiteren zusätzlichen Worte in seiner Nähe bedarf. Es sagt uns, das ein Mensch, ein Erlebnis oder eine Sache voll(-er) Wunder steckt. Man könnte einwenden, dass bei aufmerksamer Betrachtung wohl alles und jeder Wunder in sich birgt. In einer Zeit, in der Wunder und Sensationen meist recht inflationär gehandelt werden, möchte ich dennoch anregen, diesen Wort-Schatz immer mit Bedacht zu wählen.

Oliver Geffken, Berlin

 

Zugedacht: Mein Wort-Schatz

Als ich Ende März zwei Medinilla-Pflanzen verschwenken wollte, waren sie in den Fachmärkten fast ausverkauft. Eine wollte ich zum runden Geburtstag meiner ältesten Cousine verschenken. Die andere war für meine Schwägerin vorgesehen, deren Geburtstag erst Mitte April war. Da ich befürchten musste, im April keine Pflanze mehr zu bekommen, kaufte ich beide Pflanzen noch im März.  Der erbärmliche Zustand der zweiten Pflanze hielt mich davon ab, sie nach zwei Wochen noch zu verschenken. Ich behielt sie zur Pflege. Erst Ende Mai hatte ich sie soweit aufgepäppelt, dass sie als Geschenk auch wirklich Freude machen konnte.

„Der Geburtstag ist ja wohl schon eine Weile her“, sagte meine Schwägerin am Telefon — sie ist es gewohnt, dass ich ihren Geburtstag vergesse. Ich erklärte die Umstände und sagte: „Beim Einkaufen wusste ich noch nicht, ob dein Geschenk überlebt, deswegen komme ich jetzt erst. Aber vor deinem Geburtstag hatte ich es dir schon rechtzeitig zugedacht.“

Als ich die Pflanze brachte, fanden wir auch schnell einen passenden Platz, an dem die große rosa Blütenrispe frei herunterhängen konnte. Auch für meinen Bruder, der große Zimmerpflanzen liebt, war sie etwas Neues — ein großer Erfolg.

Das zudenken habe ich von meiner Großmutter gelernt, die ich leider nur in den Sommerferien besuchen konnte. Sie war eine einfache Frau, die ein weites Herz hatte und eine ungezwungene Gerechtigkeit im Umgang mit Kindern und Halbwüchsigen walten ließ; nie kam jemand bei ihr zu kurz. Fürsorge und Verlässlichkeit, Mitfühlen und Umsicht liegen in so einem einzigen Wort. Und viele liebenswerte Erinnerungen.

Jörg Jahn, Langen

 

Pampelmuse: Mein Wort-Schatz

Als ich Kind war, gab es Kolonialwarenläden, die führten Zitronen, Apfelsinen, Mandarinen und Pampelmusen. Dann kamen Krieg und Nachkriegszeit, das Angebot verschwand. Erst nach Einführung der D-Mark änderte sich die Lage. Kolonialwarenläden wurden zu Supermärkten, Apfelsinen nannte man jetzt Orangen. Meinetwegen. Aber als das herrliche Wort Pampelmuse durch Grapefruit ersetzt wurde, empfand ich das als Verlust. Pam-pel-mu-se! Das singt und klingt, birgt Vorfreude auf den Verzehr, bringt Glück beim Essen und hinterlässt Wohlsein danach. Doch heute wissen viele damit nichts mehr anzufangen. Pampelmuse? Was soll das sein? Ich aber hüte das Wort als Schatz – und freue mich, wenn ich es bei einem Besuch bei unseren westlichen Nachbarn höre: »le pamplemousse«. In Frankreich existiert es, neben der Grapefruit, glücklicherweise weiter fort.

Reinhart Riehm, Dreieich

 

Kleinod: Mein Wort-Schatz

Mein Lieblingswort, das meines Wissens bisher durch kein neues ersetzt wurde: Kleinod. Es bedeutet für mich etwas Schützenswertes, etwas, das einem besonders am Herzen liegt. Ich benutze das Wort daher selten. Aber wenn, ist es mir wichtig.

Lydia Diermann, Aurich

 

Saumseligkeit: Mein Wort-Schatz

Eine Gelegenheit verpasst, nicht in der allseits geforderten Höchstgeschwindigkeit gehandelt zu haben – das ist ein Versäumnis. Dieses unglückliche, wie ein abgefahrener Zug nicht mehr einholbare Wort hat mich schon immer abgestoßen. Wie weich und verträumt wirkt dagegen jene Saumseligkeit, mit der einstmals derselbe Vorgang umschrieben wurde. Es heißt, langsamer zu sein als erwartet und mit der Erledigung von Pflichten im Rückstand sein – dabei aber selig. Eben: saumselig. Die immer ungeduldiger klingende Aufforderung meiner Mutter, vom Spielen endlich ins Haus zu kommen, um zu Abend zu essen; das genüssliche Gefühl, es immer noch einen Augenblick hinauszuzögern – das war eine der Saumseligkeiten meiner Kindheit. Heute komme ich bisweilen in diesen vorparadiesischen Zustand, wenn ich immer noch eine Weile dabei vergehen lasse, den Pflanzen auf meinem Balkon beim Wachsen zuzusehen und meinen Gedanken nachzugehen. Eigentlich müsste ich die Küche aufräumen, die Wohnung putzen, groß einkaufen, kochen und waschen, die eine oder andere Rechnung begleichen, Anrufe erledigen und die tausendste EMail schreiben… Ich kann die drängenden Rufe förmlich hören, aber ich stelle mich taub. Welch eine Seligkeit!

Antonia Landois, Würzburg