Meine Oma benutzte oft den Begriff Läusknäcker für Menschen, die bei gewissen Dingen Haarspalterei bis zum Exzess betrieben. Das kann man einer Person an den Kopf werfen, ohne sie zu verletzen. Daher ist dieser Begriff ein fester Bestandteil in meinem Wortschatz geworden. Außerdem sorgt er meistens für Erheiterung.
Auf einer Familienfreizeit unterhielt ich mich mit einem anderen Westpfälzer beim Abtrocknen. Wir verfielen in unsere Mundart und kamen auf Poussieren und auf die Freierei gehen. Ausdrücke, die ich früher in meiner Westpfälzer Heimat oft gehört habe, wenn es darum ging, dass irgendeiner mit irgendeiner angebandelt hat oder zwei zusammen waren. Aber »poussieren« und »auf die Freierei gehen« klingt doch schöner!
In meiner Kindheit gab es das schöne Wort Postbeamter. Das fiel mir ein, nachdem ich nun schon seit mehr als zwei Wochen täglich in meinen leeren Briefkasten schaue. Denn es wird ja (unbefristet) gestreikt. Was war das für eine Zeit, in der die Post noch ein Staatsunternehmen war und alles pünktlich – mitunter sogar zweimal am Tag – zugestellt wurde! Inzwischen streiken auch die Geldautomatenbefüller. Was für eine Zeit, als es noch den Geldbriefträger gab!
»War’s schön in Rom?«, fragte ich meine Mitschülerin Elfe im Italienischkurs. »Ja, Pfeifendeckel! Es hat drei Tage lang geregnet, und der Papst war in Turin«, schimpfte sie. Ich musste lachen, weil ich den Ausdruck »Ja, Pfeifendeckel« seit meiner Kindheit nicht mehr gehört hatte. Meine Mutter hat ihn immer benutzt, wenn das Gegenteil von dem eintraf, was sie erwartet hatte. Man beachte das »Ja« am Anfang! Was Griechenland betrifft, könnte man bei jeder neuen Verhandlungsrunde antworten: »Ja, Pfeifendeckel!«
In der Eifel spricht man vom Jrompers-Messje, wenn man das Kartoffelmesserchen meint, und verwendet es außer zum Schälen der Erdäpfel noch für 100 andere Sachen. Es musste aber immer ein NICHT-rostfreies Windmühlenmesser sein!
Ich erinnere mich, dass mein Großvater, der bei Bremervörde lebte, den Ausdruck Knief für Messer benutzte, was irgendwie dem englischen knife ähnelt.
Angestachelt durch die vielen regionalen Messer-Begriffe hier im »Wortschatz«, habe ich mich auch ein wenig umgehört, dabei hatte eine Chor-Freundin, die aus Krummhörn in Ostfriesland stammt, den Ausdruck Meestje beizusteuern.
Von einer ledigen Frau, die die 30 überschritten hatte, erwartete man früher, dass sie bei den Eltern bleiben und sich nützlich machen würde. Eine solche Dame wurde bei uns die Useketante genannt (von engl. to use, gebrauchen, zu etwas zu gebrauchen). Ich hörte als Kind, wie eine andere Tante von ihr sprach: »Die hat doch den Klappaltar schon hinter der Tür stehen.« Was wohl nichts anderes bedeutete, als dass die Betreffende einen Mann, der ihr gefiele, vom Fleck weg zu heiraten bereit gewesen wäre.
Meine Tischnachbarn unterhalten sich in der vollbesetzten Berghütte über eine gemeinsame Bekannte und ihren »Tschamsterer«. Wie lange habe ich dieses Wort nicht mehr gehört! Tschamsterer, das ist der Freund, Dauerverlobte, Partner, das Bratkartoffelverhältnis – immer mit einem leicht spöttischen Unterton. Inzwischen erfuhr ich, dass er auch ein weibliches Gegenstück hat, das Matschakerl. Wie man die beiden Ausdrücke korrekt schreibt, weiß ich nicht, leider auch nicht, woher sie stammen. Immerhin jedoch belegt ihre langjährige Existenz, dass es auch früher schon »gschlamperte Verhältnisse« gab!
Früher fuhren wir oft aufs Land zu Gaststätten, in denen eine Band oder Combo spielte. Wenn man dann eine junge Dame um einen Tanz gebeten hatte und versuchte, der Auserkorenen bei langsamen Titeln etwas näher zu kommen, vielleicht sogar Wange an Wange zu tanzen, dann nannte man dies bei uns im Raum Nienburg/Hannover Anbukkern. Vielleicht gelingt es mir ja, diesem schönen Ausdruck neues Leben einzuhauchen.