Lesezeichen
 

Freundin: Mein Wort-Schatz

Leidenschaftlich freuen kann ich mich über diese Wort-Schätze! Und noch schöner als Perlen wie »Sommerfrische« und die beileibe nicht lärmende Botanisiertrommel finde ich die Freundin, den weiblichen Freund. Ein Glücksfall, der von Frauen wahrscheinlich weniger geschätzt wird und von Ehefrauen wohl überhaupt nicht. Für meinem Vorschlag erwarte ich also wenig Beifall. Dennoch bleibt die Vorstellung, eine Freundin auch so nennen zu dürfen, ohne dass es ein Missverständnis gibt, ein gern gehegter Gedanke, mithin die weibliche Version des Freundes vorerst mein Favorit.

Leidenschaftlich ärgern kann ich mich dagegen über den »Windpark«, in dem viele Räder auch bei frischem Wind stillstehen. Wenn gerade kein Strom gebraucht wird, genügt ein Dreh der Blätter aus dem Wind. Aber wie funktioniert das bei Solarzellen? Der Sonnenschirm wäre zu simpel. Mit dem überflüssigen Strom aber könnte man das überflüssige Windrad oder dessen Plural antreiben. Optisch wäre das optimal – und fertig wäre der gemischte »Wind- und Gebläsepark«.

Dietrich Ehlers, Falkensee

 

Gewogen: Mein Wort-Schatz

Mein Wort-Schatz ist das kleine doppelsinnige Wörtchen gewogen – aber eben nicht im Sinne von »gewogen und zu leicht befunden«, sondern in dem sprachlich heute völlig ungebräuchlichen Sinne von »zugeneigt« oder »wohlgesinnt« sein. Und warum ist dieses vermeintlich ungewichtige Wörtchen ein Schatz? Das hat seinen Ursprung in meiner späten Kindheit, als ich begann, auch längere Geschichten und Sagen zu lesen, etwa über die Nibelungen und ihre einprägsamen wie unvergesslichen Könige und Ritter: Gunther, Gernot, Giselher, Rüdiger von Bechelaren – und, sie alle überragend, Jung-Siegfried. Noch heute, mit 73, vermag ich das herzzerreißende Gefühl in mir wachzurufen, das mir als kleinem Jungen die Tränen in die Augen trieb, wenn ich las, wie Siegfried sich zum durstlöschenden Trunk an der Quelle niederkniete und Hagen ihm den Speer in die einzige verletzliche Stelle im Rücken stieß. In mir brach damals eine Welt des Vertrauens in Ehrlichkeit, Anstand, ja das Gute im Menschen zusammen, als Siegfried sterbend seine letzten Worte sagte: »Wie habt Ihr mich betrogen, wenn freundlich Ihr getan, ich war Euch stets gewogen und sterbe nun daran.«

Seitdem ist das Wort »gewogen« für mich zu einer Art Nibelungen- (sprach)schatz geworden, als Ausdruck für eine zwar eher altmodisch anmutende Sympathie-Empfindung, die aber gleichermaßen das Vertrauen enthielt, dass diese Gewogenheit auch auf entsprechende Wertschätzung durch den stößt, der dieses Gewogensein erfährt.

Heiner Kuse, Dietzenbach

 

Mutterseelenallein: Mein Wort-Schatz

Einer meiner Wort-Schätze ist: mutterseelenallein. Ein starkes Wort: achtzehn Buchstaben, drei Doppellaute, acht Vokale. Wenn man es ist, ist man es tatsächlich ganz und sehr und kostet wohl auch von der Verzweiflung des in die Weltgeworfenseins.

Vor rund 25 Jahren, im frühen Erwachsenenalter mit vielen Entwicklungsaufgaben wie der Loslösung vom Elternhaus, Partnerwahl und Familiengründung, habe ich es einmal an die Tür einer sogenannten Szenekneipe buchstabiert. Viele Jahre später habe ich das schöne Wort von anderer Hand in einer anderen Stadt an eine Wand geschrieben gesehen. Da dachte ich: „Da kennt noch eine das Gefühl!“

Jetzt bin ich seit zwölf Jahren Mutter und frage mich, ob meine Tochter auch einmal den Geschmack des Wortes kennenlernen muss.

Elisabeth Huy, Freiburg

 

Linde: Mein Wort-Schatz

Schon in meiner Schulzeit (wie schön ist solch eine Alliteration!) haben meine Lehrer die Liebe zur deutschen Sprache in mir geweckt. Da ging es um das, was bestimmte Konsonanten in uns auslösten, das k-alte K, das ge-m-ütliche M, das zerreißende stimmlose S, ebenso das stimmhafte S, das knarrende R, das strömende W (Wind, Welle, Wasser, Woge, Wut). Wir haben Worte gesucht, die mit diesen – und natürlich auch anderen – Konsonanten begannen. Das war schon in meiner Volksschulzeit, und diese Lehrer waren in Lehrerbildungsanstalten ausgebildet worden, nicht etwa in Universitäten. Das Wort Linde lebt heute fast nur noch in der Bezeichnung eines Laubbaumes. Wer mahnt schon, wenn ein Streitgespräch sich anbahnt: »Gelinde!« Martin Luther noch hat in der Bibel übersetzt: »Eure Lindigkeit lasset kund sein.« Fast lebenslang aber liebe ich das Wort »lind« und lasse mir Alliterationen wie in dem Gedicht von Friedrich Rückert lustvoll auf der Zunge zergehen:

Ich atmet’ einen linden Duft!
Im Zimmer stand
Ein Zweig der Linde,
Ein Angebinde
Von lieber Hand.
Wie lieblich war der Lindenduft!
Wie lieblich ist der Lindenduft!
Das Lindenreis
Brachst du gelinde!
Ich atme leis
Im Duft der Linde
Der Liebe linden Duft.

Claus Ocker, Bremen

 

Liebkosung: Mein Wort-Schatz

Ein Wort, das ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört oder gelesen habe, heißt: Liebkosung. Obwohl das, was es meint, natürlich nicht ausgestorben ist und man es heute genauso macht wie ehedem. Vom Taktilen her mehr als ein Streicheln, aber weniger als Knuddeln, steckt in dem Begriff schon das Gefühl, das die Ausführenden füreinander haben. Es ist also ein treffendes Wort. Weshalb benutzt man es dann nicht mehr? Vielleicht liegt das daran, dass es sich so brav und anständig anhört, so gar nicht zielgerichtet, und vielleicht hat gerade diese träumerische Ziellosigkeit dieses Wort unmodern gemacht. Außerdem ist liebkosen ziemlich zeitaufwendig.

Charlotte Bensch, Weimar

 

Demut: Mein Wort-Schatz

Im Forum für die nur noch selten gehörten Wörter sollte das Wort Demut einen Platz finden. Demut bedeutet nicht Schwäche oder Unterwerfung. Im Althochdeutschen hieß muot »Kraft der Sinne, des Willens«, ähnlich wie das englische mood. Willensstärke also, aber nicht aggressiv, sondern mit Augenmaß. (Auch ein fast vergessenes Wort!) Wahre Demut ist fern aller theologischen Enge die Stärke des Geistes, des Menschseins.

Hildegard Wissing, Bleckhausen

 

Blümerant: Mein Wort-Schatz

Ich habe mehrere Lieblingsworte, aber eines benütze ich besonders gern: blümerant. Es ist zwar nicht weniger schlimm als bleu mourant, man fühlt sich aber nicht gleich so sterbend, sondern eher blumig schwebend.

Erika Link, Stuttgart

 

Schockschwerenot: Mein Wort-Schatz

Im Grunde ist mein Wort-Schatz ein Schimpfwort, aber da er so herrlich altmodisch ist, würde ich sogar sagen, er klingt ein bisschen vornehm. Wenn ich über etwas erstaunt bin und darüber, was mir jemand zumutet, auch ein wenig befremdet bis ärgerlich: Was steht mir zur Verfügung? »Ach du Sch…!«, nein, das gebrauche ich nie. »Mein lieber Schwan!«? Nein, zu sehr Lohengrin. Viele sagen oder schreiben gar »Weia!« – im Grunde auch Wagner: »Wagala weia, woge, du Welle«. Also: nein! Oder: »Mann, ej!« oder »Menno!«? Nee! Da ich ein freundlicher und langmütiger Mensch bin oder zumindest so tue, will ich den Gesprächspartner nicht gleich selber ärgern. Und so passt mir ein Wort am besten, das das Gegenüber überrascht und die Zumutung gleich ein wenig entschärft, wie ich meine: »Schockschwerenot

Ich hörte das, wenn ich mich recht erinnere, erstmals in Cyrano de Bergerac (einer der jungen Soldaten wagt es, über die große Nase des Titelhelden zu sprechen, worauf dieser es ausruft).

Ich habe mit diesem Wort immer den erwünschten Erfolg: Der, der mich ärgert oder ärgern wollte, ist erst mal baff. Ich bekam sogar mal das Kompliment, ich sei der einzige Mensch im Bekanntenkreis, der dieses Wort verwende. »Schockschwerenot« ist übrigens präzise. Das Wort bezeichnet doch genau das, was man angesichts einer überraschenden Zumutung empfindet: erst einen Schock, dann eine schwere Not bei der Suche nach der angemessenen Reaktion.

Jürgen Hartmann, Stuttgart

 

Müßiggang: Mein Wort-Schatz

Gemeinsam mit einem guten Freund habe ich mich vor einiger Zeit dazu entschlossen, dass wir beide (nach anderen Studien) ein Lehramtsstudium in Deutsch beginnen. Wir sind beide begeisterte Genießer alter Raritäten und verbringen einen nicht unerheblichen Teil unserer freien Zeit in Buchantiquariaten. Jeder von uns hat seine Lieblingsplätze in unserer wunderschönen Heimatstadt Bonn, wo er der Muße hingebungsvoll frönt. Das reicht von stillen Plätzchen an der Sieg – das ist eher so meins – bis zum belebten Café in der Altstadt. Wenn wir uns dann mal wieder treffen und uns über ein gerade verschlungenes Buch (gerne 19. oder frühes 20. Jahrhundert) unterhalten, dann machen wir oft begeistert Gebrauch von wiederentdeckten Wortschätzen. Das mag für Zuhörer vielleicht etwas befremdlich und altmodisch wirken, uns aber bereitet es Freude. Eine dieser Entdeckungen ist der Müßiggang. Das ist produktives Wenigtun als entschleunigendes Heilmittel für hektische Zeiten, und nur Unbedarfte bezeichnen den Müßiggang – völlig zu Unrecht – als Faulenzerei.

Christoph Alexander Paul Cambeis, Bonn

 

Behende: Mein Wort-Schatz

Zu meinen schönsten Kindheits­erinnerungen gehören die Samstag­morgen, an denen unser Vater meinem Bruder und mir vorlas. Ich war neun Jahre alt, mein Bruder drei Jahre älter. Deshalb variierte die Literatur von der Unendlichen Geschichte über Momo bis hin zu den Büchern von Enid Blyton. Mein Bruder und ich lagen an un­ seren Papa geschmiegt in seinem Bett und lauschten seinen Worten. Oft war er schon ganz heiser, weil er häufig unserem Bitten nachgab: »Nur noch ein Kapitel, jetzt ist es gerade so spannend!« In der Abenteuerserie von Enid Blyton kommt mein Wort­Schatz vor. Ich weiß nicht mehr, in welchem der acht Bücher beschrieben war, wie ein Kind behende einen Fels hochklettert. Mein Bruder und ich jedenfalls mussten uns von un­ serem Vater erklären lassen, was das bedeutet, denn das Wort wurde auch schon 1986 kaum noch be­nutzt. Zum Amüsement unseres Vaters ließen mein Bruder und ich uns minutenlang über dieses ko­mische Wort aus. Nun lebe ich seit fast neun Jahren in der Schweiz und arbeite als Lo­gopädin mit Kindern. Vor zwei Jahren entdeckte ich meinen Wort­ Schatz in einem Förderbericht, da verwendete eine Therapeutin tat­ sächlich das Wort »behende«! So­ gleich hatte ich wieder das Bild des kletternden Mädchens vor Augen – und den 22 Jahre zurückliegen­ den Samstagmorgen.

Ruth Schulte Meyer, Bern