Im Linienbus. Neben mir ein älterer Mann, der sein Gegenüber, einen jungen Farbigen, permanent beobachtet. Sein geringschätziger Blick hat etwas Verletzendes. Plötzlich neigt sich der Beargwöhnte lächelnd vor und sagt: »Ich bin Schwarzfahrer.« Wir lachen gemeinsam Tränen über diesen doppeldeutigen Begriff. An der nächsten Sta tion steigen wir aus. Zurück bleibt ein Fahrgast, der wohl nichts verstanden hat.
Meine Frau setzt ihrem Enkel einen Marienkäfer auf die Finger. Alle Anwesenden verfolgen gespannt diesen Vorgang. Der Blick der Eltern wirkt besonders angestrengt: in einer ähnlichen Situation hat ihr Sohn eine Spinne mit dem Mund geschnappt und runtergeschluckt. Alle freuen sich, als der Käfer seine Flügel aufspannt und davonfliegt.
In der Straßenbahn auf dem Weg zur Geburtstagsfeier unseres Chorleiters spontan For the Longest Time von Billy Joel zu singen und die überraschten Gesichter der Mitfahrer und den Applaus zu genießen!
Mein Glas mit 73 »Momente-Zetteln«, das mir meine Tochter geschenkt hat, bevor sie zu ihrer großen Reise nach Kolumbien auf gebrochen ist. Für jeden Tag ihrer Abwesenheit hat sie einen schönen Moment aus unserem gemeinsamen Leben aufgeschrieben, damit ich jeden Morgen froh an sie denke anstatt voller Sorge. Und es wirkt!
Am Donnerstag bekommt mein Mann, 52, Hörgeräte. Am Freitag früh steht er neben seinem Wagen in unserer Einfahrt und sagt: »Ich höre die Vögel zwitschern!« Zum ersten Mal wieder seit 20 Jahren.
Der erste richtige Frühlingstag! Euphorisch bugsiere ich meine Gartenmöbel vom Speicher auf den Balkon. Zurücklehnen mit einem Kaffee und Vivaldis Frühling lauschen. Das leben ist schön!
Meine Frau muss seit zwei Jahren in einem Pflegeheim leben. Kürzlich, beim Abschied von ihr ein längeres, freundschaftliches Gespräch mit ihrem Arzt. »Du musst dich jetzt nicht kasteien«, sagt er. »Du hast auch ein Anrecht auf ein eigenes Leben!«
Ich parke in einer Straße im Stuttgarter Westen. Am Straßenrand stehen zwei Männer. Der eine gehört zu der Kfz-Werkstatt, die sich im Hinterhof befindet, wie seine Arbeitskleidung mit dem Logo verrät. Der andere ist wohl ein Kunde. Der aus der Werkstatt rezitiert einen Text. Die Sprache klingt nicht wie Latein, aber auch nicht wie heutiges italienisch. Ich sage: »Das hört sich an wie Dante.« Er antwortet mit strahlendem lächeln: »Das ist Dante, Signora!«