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Was mein Leben reicher macht

Am zweiten Tag nach meiner Operation versuche ich, das leere Abendbrot-Tablett auf den im Klinikflur bereitstehenden Wagen zu bugsieren. Mit dem verbundenen Kopf und den Dränageschläuchen sehe ich recht abenteuerlich aus. Da vernehme ich von der Seite eine etwas verzagte Stimme: Kann ich Ihnen helfen? Ich blicke in das Gesicht eines mir völlig unbekannten, etwa zwölfjährigen Mädchens.

Hermann-Josef Froitzheim, Wegberg, Nordrhein-Westfalen

 

Was mein Leben reicher macht

Der Schwangerschaftstest ist positiv ausgefallen! Mein Mann und ich freuen uns riesig, beschließen aber, die frohe Botschaft vorerst für uns zu behalten. Danach gehe ich – wie immer – in die Uni, um einer Handvoll chinesischer Studierender Deutsch beizubringen. Die Studenten mustern mich, fangen an zu tuscheln. Auf meinen fragenden Blick hin fasst sich eine Chinesin ein Herz und sagt: »Eva, you are so beautiful today.«

Eva Ehrmann, Essen

 

Was mein Leben reicher macht

Mit unserem zehnjährigen schlagzeugverrückten Sohn Alex besuchten wir ein Folkkonzert in unserem Nachbarort. Sein »cooler« Religionslehrer, Schlagzeuger der Gruppe, forderte ihn auf, bei einem Gesangstitel den Takt mitzuschlagen. Anerkennender Applaus und später auf der Heimfahrt voller Glück und mit bereits geschlossenen Augen der abschließende Kommentar unseres Sohnes: »Jetzt kennt mich schon die ganze Welt!«

Katrin Sokoll, Quedlinburg, Sachsen-Anhalt

 

Was mein Leben reicher macht

Wonnemonat Mai: leuchtend rosa Kirsch- und strahlend weiße Apfelblüten, duftende Magnolien und das zarte Grün des Gingko im Garten meiner Nachbarin … Ich liebe den Frühling!

Karla Wagner, Bremen

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Freund, der mir auf der Gitarre vorspielt und so schön singt, dass ich weinen muss. Der aufschaut und mich ernsthaft fragt: »Das war Mist, oder?« Die Glücksträne, die in meinen Schal gesickert ist, hat er nicht gesehen.

Katja Pilisi, Karlsruhe

 

Was mein Leben reicher macht

Ich laufe durch unseren Park und sehe einen Mann, der einen großen, alten Baum umarmt, ganz fest. Nach einer langen, langen Weile löst er sich widerwillig von ihm und klopft zum Abschied zärtlich auf den Stamm, wie bei einem alten Freund.

Johanna Köpp, Bad Dürkheim, Rheinland-Pfalz

 

Was mein Leben reicher macht

Die Tagebücher von Joseph Goebbels strotzen von Berichten über »tolle Versammlungen«, auf denen er nach eigener Einschätzung höchst erfolgreich geredet hat. Unter dem 9. Mai 1928 findet sich dann folgende Eintragung: »Montag ab nach Aschaffenburg. In Aschaffenburg eine saumäßige Versammlung. Kaum 100 Menschen. Ich habe eine Stinkwut …« Die Katastrophe hat das zwar nicht verhindert, aber meine Heimatstadt kann trotzdem stolz sein.

Helmut Euler, Aschaffenburg

 

Was mein Leben reicher macht

Flughafen Frankfurt, Passkontrolle: Zurück von einer Vietnamreise, warten wir müde in der EU-Schlange auf unsere Abfertigung, vor uns drei asiatisch aussehende Männer. Genervtes Getuschel: »Die sind hier falsch, die müssen sich doch in der anderen Reihe anstellen!« Darauf halten die drei Männer ihren Pass in die Höhe – ohne sich umzudrehen und gleichzeitig, wie auf Kommando. Es sind deutsche Pässe! Betretenes Schweigen. Deutschland ist ein Einwanderungsland.

Ute Stöffler, Kressbronn, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Mann feiert seinen 70. Geburtstag. Als sich die Familie unseres Sohnes zur Heimreise verabschiedet, frage ich, ob sie auch alles eingepackt haben. Darauf antwortet unser achtjähriger Enkel Adrian: »Nein, die Oma müssen wir noch einpacken und mitnehmen.«

Elfriede Bochtler, Staig, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Die Kommunikation, die mein Mann mit seinen Kommunikationsmedien pflegt: Neulich etwa musste er sehr früh aufstehen und schaffte es am Vorabend unter einigen Mühen, die Weckfunktion seines neuen Handys zu aktivieren. Tags darauf ertönte pünktlich zur eingegebenen Zeit ein Dadülelütt, Dadülelütt. So weit, so gut. Am nächsten Morgen – in aller Herrgottsfrühe – leider wieder: »Dadülelütt, Dadülelütt«. Da knurrt es aus dem Kissenberg neben mir: »Das war gestern, du Schwachmat!«

Ilse Hering, Schweinfurt