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Vierter!

4. Liga Fußball, 92. Minute, 1:0 – wir warten bei frostigen Temperaturen auf das Ende. Ich blicke mich um. Mir fällt ein Junge auf, neben ihm ein alter Mann. Beide schauen wie gebannt auf das Spielfeld. Sie eint der Wunsch nach einem Pfiff. Als er endlich kommt, strahlen sich beide kurz an und gehen dann wieder ihrer Wege. Wir sind Vierter! So gut waren die Lilien lange nicht mehr.

Alexander Ludwig, Weiterstadt

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn meine Frau neue Wörter erfindet, zum Beispiel „lugolugo“. Das bedeuted „in den Arm nehmen, kuscheln“. Danke, liebe Nelly, für deinen unermeßlichen Wortschatz.

Theo Haider, Erding

 

Ohne Rute

1978. Ich biete meinem 3-jährigen Sohn zum Auswendiglernen das Gedicht „Lieber, guter Weihnachtsmann…“ an. Er will wissen, was eine Rute ist. Nach meiner Erklärung sagt er: „Nee, Mama, das lern ich nicht!“ Wir haben dann eine freundliche Umdichtung vorgenommen – ohne Rute.

2010. Ich biete meiner 3-jährigen Enkelin das gleiche Gedicht an. Auch sie will wissen, was eine Rute ist. Danach sagt sie entschieden: „Nein Oma. Das geht nicht! Das darf auch kein Weihnachtsmann!“

Etta Wilken, Hildesheim

 

25 Jahre nach der Mondscheinsonate

Als er drei Jahre alt war, lag er am Boden neben dem Klavier und hörte mir zu, wie ich die Mondscheinsonate übte. Heute stehe ich in der Küche und koche ein Kürbissüppchen und höre ihn oben, in seinem Zimmer, wie er, jetzt 28, Impromptu Nr. 4 in cis-Moll von Chopin einstudiert. Da sag ich zu meinem Kürbis: „Siehst du? So was macht das Leben reicher!“ Und beinahe fällt mir eine Träne der Dankbarkeit in den Kochtopf.

Herbert Stummvoll, Langenau

 

Was mein Leben reicher macht

In der Dunkelheit bei 10 Zentimetern Neuschnee in Mondlicht und Kälte federleichte Pulverschnnee-Wolken von der Einfahrt schaufeln. Und mit den Kindern dieses Erlebnis teilen!

Susanne Conzen, Baierbrunn

 

Nie mehr Ärger

5.30 Uhr. Kein Wecker klingelt. Aufwachen aus Gewohnheit, meine Katze kommt kuscheln, auch sie darf weiterschlafen. Welch Glücksgefühl, fast wie Schmetterlinge im Bauch. Heute beginnt meine Altersteilzeit. Nie mehr Ärger, nie mehr hetzen. Ein schönes Gefühl.

Karin Küfer-Müller, Stuttgart

 

Schneeflöckchen

Gestern in der vollgepackten Tram zwischen Findikli und der Galatabrücke: Aus dem Nichts piepst ein Stimmchen: „Schneeflöckchen, Weißröckchen…“ Vermutlich ein Kind, das in den deutschen Kindergarten gebracht wird. Und heute Morgen schneit es.

Erika Broschek, Istanbul

 

Was mein Leben reicher macht

Ich hatte ein Spielzeug meines fast 2-jährigen Enkelsohnes Felix repariert. Mit zartem Stimmchen sagte er: “Dankeschön, Opa Dieter.“ Ich hätte dahin schmelzen können.

Dieter Herz, Hamburg

 

London, Kensington Road

Nur mit einem 20-Pfund-Schein ausgestattet nehme ich im Erdgeschoss eines roten Doppeldeckerbusses Platz. Kurz nach Abfahrt von der Haltestelle steht auch schon der uniformierte Ticket-Verkäufer mit Vollstreckerblick vor mir. Auf meine Frage, was ich ihm denn für meine beabsichtigte Strecke schuldig bin, vernehme ich: „One pound!“ Die Annahme meines 20-Pfund-Schein lehnt er mit dem Hinweis kein Wechselgeld zu haben ab. Auf mein: „Ist nicht mein Problem“ entgegnet er „doch“ und verweist auf die Hinweisschilder. Dort steht sinngemäß, dass die Fahrscheinverkäufer aufgrund häufiger Raubüberfälle kein Wechselgeld bereithalten und der Passagier das Fahrgeld passend bereitzuhalten habe. Ein in der Nähe sitzender freundlicher Brite, der die Dramaturgie erkennt und mich offenbar als Nichtangelsachse identifiziert, reicht mir wortlos eine Ein-Pfund-Münze. Mit einem mehrfachen „Thank you“ in Richtung des Problemlösers bedanke ich mich für die ausgezeichnete Völkerverständigung.

Thomas Fürbaß, Bad Schönborn