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Begegnung mit Kormoran

Nach der Arbeit abends auf dem Rennrad durchs sommerlich erwärmte Weserbergland. Kaum Autos, alle Sinne auf Empfang, so gleite ich dahin. Rechts spiegelglatt der ruhige Fluss. Am Ufer sitzt ein Kormoran und hat die Schwingen zum Trocknen gespreizt. Wir schauen uns an und er segnet meine Vorüberfahrt. So fühle ich Leben.

Norbert Klenke, Bodenwerder, Niedersachsen

 

Bunter als gedacht

Nach drei Jahren aus Vancouver, Kanada, nach Deutschland zurückzukehren und festzustellen, dass dieses Land viel multikultureller, viel offener, freundlicher, liberaler, fortschrittlicher, bunter und grüner ist, als manche Menschen in Nordamerika einem weismachen wollen.

Peter Borowski, Markgroeningen

 

Schwimmen im Paradies

Sommer. Auf zum Titisee! Im angenehm temperierten, sauberen Wasser bis zur Mitte schwimmen und dort die Aussicht auf das Schwarzwaldpanorama genießen: Feldberg, Hochfirst, das historische Gebäude des Schwarzwaldhotels. Mehr Paradies geht nicht!

Trisi Alf, Titisee-Neustadt

 

Camping auf dem Balkon

Als es am vergangenen Wochenende besonders heiß war und die Luft auch am späten Abend noch reglos in meinem Zimmer stand, schnappte ich mir Matratze und Decke und legte mich auf den Balkon. Beim Einschlafen den frischen Windhauch auf der Haut spüren, nachts aufwachen und den Sternenhimmel bewundern und am frühen Morgen von einem Vogelkonzert geweckt werden. Das ist Sommer!

Claudia C. Wolf, Münster

 

Besser spät als nie: die Türen der Kreativität entdecken

Leicht rebellisch veranlagt, das Ego laut Sternzeichen, recht ausgeprägt, fügte sich mein Weg. Heute, mit 31 Jahren, entdecke ich lieber später als nie deutsche Literatur-, Kunst- und Kulturgeschichte, die mich reichhaltig erfüllt. Es sind die Kräfte, die von diesen Werken und von den Machern ausgehen. Die Leidenschaften und Energien, die zu spüren sind, wenn man sich ihren Werken annimmt. Sie haben uns ein tolles Erbe hinterlassen. So gehe ich jetzt mit 31 Jahren nochmals den Weg in die Schule, um mein Abitur nachzuholen, damit mir ebenfalls die Türen der Kreativität offen stehen und ich weiterhin in der Lage bin mein Leben selbst zu leben, ohne mich leben lassen zu müssen. Zu wissen, mein Leben selbst gestalten zu können, wie ich es möchte, durch erfolgreiches Selbstdenken, eine Portion Mut und den Glauben an mich selbst, macht mich glücklich und zufrieden.

Daniela Kerling, Unterfranken

 

Herr Frosch

Wir leben in einem Dorf im Elsass. Einmal hocke ich hinter unserem Zaun, um eine kleine Reparatur vorzubereiten. Da schlendert ein Junge vorbei, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Er bleibt stehen, beobachtet ein Weilchen neugierig, was ich da so mache, und verabschiedet sich mit einem „Bonjour Monsieur Grenouille!“ – „Guten Tag, Herr Frosch!“ Auf einmal fällt mir meine Arbeit viel leichter.

Uwe Heppner, Salmbach/Frankreich

 

Schönheit am Stehpult

Wie viele Kunst- und Fotobände wohl eingepresst zwischen anderen Büchern im Regal stehen? Und niemand hat etwas davon. Die blaugrüne Herrlichkeit der Naturfotos und die goldene und farbige Himmelslust der Barockkirchen verschwinden in der Bücherwand. Ich hatte das Glück, beim Antiquitätenhändler ein Stehpult zu finden. Und so stehen auch meine „Bilderbücher“ wieder aus dem Grabe auf, liegen aufgeschlagen und beim Vorübergehen zum Blättern bereit, und ich wundere mich, was ich alles an Schönem besitze und bisher versteckt habe.

Laurenz Thekook-Terhalle, Wesel

 

Deutsch-französische Freundschaft

Ende Juni fuhren meine Freundin und ich nach Südfrankreich in ein kleines Dorf bei Lyon. Vor 30 Jahren wurde die Partnerschaft zwischen der deutschen und der französischen Gemeinde begründet, sie besteht immer noch, auch die Jungen treffen sich gern, hier wie dort. Wir aber wollen Dédé besuchen, eine alte Dame, sie ist 86, fast blind, lebt allein in ihrem großen Haus. Der alten Dame geht es nicht gut, doch sie freut sich sehr über unseren Besuch. Jeden Morgen beim Frühstück macht sie einen Plan, was sie uns an französischen Köstlichkeiten zubereiten kann. Am Abend vor unserer Abreise – wir sitzen bei einer Flasche Champagner zusammen – gesteht sie uns, dass sie, bevor ihr Mann dem Partnerschaftskomitee beitrat, sich geschworen hatte, niemals wieder einem Deutschen die Hand zu schütteln. Jetzt beim Abschied umarmt und küsst sie uns, sagt, dass ihr Haus immer für uns offen sei und sie uns als Freunde, ja sogar als ihre Töchter betrachte.

Ulrike Nöth, Schwabach, Mittelfranken

 

Berliner Mondfahrt

In einem chaotisch-bunten Kinder- und Jugendzentrum in Berlin-Neukölln. In einer Ecke sitzt auf dem alten Sofa eine kleine Frau, die wohl schon fast siebzig ist. Ihren kranken Fuß hat sie auf einen Hocker hochgelegt. Auf ihrem Schoßsitzt ein kleiner, arabisch aussehender Junge und liest ihr sehr langsam, mit dem Zeigefinger die Zeilen verfolgend, aus Peterchens Mondfahrt vor.

Sarah Klein, Berlin

 

Geimsames Schicksal, das befreit

Ich fand es per Zufall in meiner Buchhandlung: das Buch Die vergessene Generation. Sabine Bode berichtet darin über Kriegskinder, die ihr Schweigen brechen, und ich erkannte mich in vielen Schilderungen wieder: „Na ja, wir sind doch durchgekommen.“ – „Wir leben ja noch.“ – „Hab dich nicht so!“ – „Tüchtiges Mädchen!“ – „Beiß die Zähne zusammen!“ Vieles, was ich bisher als persönliches Unvermögen eingeordnet hatte, begegnete mir plötzlich als gemeinsames, traumatisches Schicksal. Es war wie eine Befreiung.

Ingrid Riwalsky, Berlin
„Die vergessene Generation“ ist bei Klett-Cotta und als Taschenbuch bei Piper erschienen