Schneechaos in Luxemburg! Im Stadtzentrum liegt der Schnee als immer dicker werdende weiße Decke, Busse fahren schon lange nicht mehr, der Verkehr steht. Um 21 Uhr bin ich immer noch im Büro gefangen, in Anzug und Halbschuhen vom plötzlichen Wintereinbruch überrascht. Ich bin müde und friere, als ich nach Hause will. Dann treffe ich Momo, den Taxifahrer. Er heißt eigentlich Mohamed, hat eigentlich Feierabend und ist eigentlich auf dem Weg nach Hause, zu seinem sechs Monate alten Sohn und seiner Frau. Das erfahre ich allerdings erst, als wir bereits zwanzig Kilometer unterwegs sind. An einer Bushaltestelle lesen wir noch zwei Passagiere auf, die an der Strecke wohnen: eine kapverdische Frau, die zu ihren Kindern nach Hause will, und einen englischen Bankangestellten. Ich spendiere ihnen die Fahrt. Im Taxi ist es warm, und wir Geretteten unterhalten uns auf Französisch, Englisch, Spanisch und Portugiesisch über Kinder, Oldtimer, Kochen, Integration und Grenzgänger. Die Frau von den Kapverden möchte uns alle irgendwann zu sich einladen. Eine Einladung, die nie stattfinden wird, das wissen wir alle, aber es ist gut so. Nach über zwei Stunden Fahrt bin ich zu Hause, ich danke Momo mit einer Umarmung und einem ordentlichen Trinkgeld und sehe meine Frau am Fenster – sie hat gewartet. Die Quittung habe ich beim Aufräumen im Büro wiedergefunden, und sie erinnert mich an jene Nacht, auch wenn Momo längst wieder am Flughafen steht und der Schnee vom letzten Jahr längst geschmolzen ist.
Sven Knepper, Nospelt, Luxemburg