Es gibt nur wenige Fotos, die unsere ganze Familie zeigen – was damit zu tun hat, dass wir Zeit unseres Lebens viel unterwegs gewesen sind. Das linke Bild entstand 1952, wenige Jahre nach der Flucht aus Oberschlesien. meine beiden älteren Schwestern Ingrid und Brigitte (von links) sind noch dort geboren, ich kam »unterwegs« zur Welt, Heidrun, das Nesthäkchen, dagegen schon in dem Bauernhaus im Niederrheinischen Wachtendonk, das man uns zuteilte, als mein Vater aus der russischen Gefangenschaft entlassen wurde. Weil die Verhältnisse dort so beengt waren, pflegte er Spaßeshalber zu sagen, dass wir alle mit spätestens 20 Jahren aus dem Haus sein müssten. Interessanterweise kam es wirklich so. Sowohl meine älteste Schwester (Hotelkauffrau) als auch meine jüngste (Fotolaborantin) führte das Leben bis nach Afrika. Brigitte heiratete einen Marineoffizier und ging nach Schleswig-Holstein. Ich selbst (wie Brigitte gelernte Schneiderin) zog mehrfach zwischen Norddeutschland und Franken hin und her. Dennoch versuchen wir alle zwei Jahre ein Geschwistertreffen zu organisieren, beim jüngsten – 2012 in München – entstand dann das rechte bild.
In meiner Kindheit erzählte mein Großvater (Foto oben, rechts, 1916) oft aus dem Ersten Weltkrieg. Er diente als Telefonist beim Generalkommando und war in Savigny-sur-Aisne (Champagne), also hinter der Front, stationiert. So kam es etwa, dass er als passionierter Gärtner den Garten der Telegrafenstation bewirtschafte. Er baute dort, wie er sagte, die besten Tomaten seines Lebens an und versorgte aus seiner Kartoffelernte sogar die Familie daheim. Diese Erzählungen von der kleinen heilen Welt inmitten des Krieges haben mich als Kind so gefesselt, so sehr, dass ich schon damals den Ort des Geschehens unbedingt kennenlernen wollte. Während einer Tagung vor einigen Jahren kam ich nun mit einem Kollegen aus dem Elsass über unsere gemeinsame – leider so oft kriegerische – Geschichte ins Gespräch. Wir nahmen uns für die Zeit unserer Rente vor, die Stätten zu besuchen, an denen unsere Großväter gekämpft hatten. Im vergangenen Herbst waren wir nun in Savigny und versuchten, die Stellen wiederzufinden, die im Fotoalbum meines Großvaters abgebildet waren. Unter den etwa 400 Einwohnern des Örtchens wurden wir so lange »weitergereicht«, bis sich jemand fand, der die Regionalgeschichte während des »Grande Guerre« zu seinem Hobby gemacht hatte. Überraschend für mich (Foto unten, 2011) war, mit welcher Freundlichkeit ich als Enkel eines damaligen deutschen Frontsoldaten aufgenommen wurde.
Wir heirateten im August 1962. Das Foto links entstand am Ende der Festlichkeit. Danach klappten wir die Fronttür zu und fuhren auf »Hochzeitsreise« (es waren drei Tage am Chiemsee). Zur goldenen Hochzeit in diesem Jahr bescherten uns unsere Kinder eine gelungene Überraschung: Wir durften eine Spazierfahrt in der Isetta machen, die einem Freund unserer Tochter gehört. Als Dankeschön an den Besitzer des Oldtimers haben wir unser 50 Jahre altes Hochzeitsfoto noch einmal nachgestellt. Die Veränderungen – vor allem am Bräutigam – sind allerdings nicht zu leugnen …
Chicago im August. Wir sind zu Besuch bei Sohn und Schwiegertochter. Die Stadt machte ihrem Beinamen windy city alle Ehre: Regen und Wind peitschen fast waagerecht durch die Stadt. So hielten wir einen Museumsbesuch für eine gute Idee und entscheiden uns für das Aquarium am Lake Michigan. Dass die Idee doch nicht so gut war, stellten wir schnell fest, als wir von 12 bis 13 Uhr (im Regen!) auf Einlass warten mussten. Die Zeit vertrieben wir uns mit dem Aufnehmen von – Regenfotos. Bald aber, schon gegen 14 Uhr, verließen wir das Museum entnervt, weil es so überfüllt war. Und waren total begeistert von dem veränderten Bild, das sich uns bot. Anschließend begleitete uns das schöne Sommerwetter für den Rest des Urlaubs.
Alex und ich kennen uns schon lange. Wir sind zusammen aufgewachsen, wohnten fast nebeneinander, besuchten gemeinsam den Kindergarten und die Grundschule.
Durch einen gemeinsamen Freundeskreis verloren wir uns auch später nicht ganz aus den Augen. Doch als ich mich dazu entschloss, in einer anderen Stadt zu studieren, fiel es uns zunehmend schwer, den Kontakt zu halten.
Im Jahr 2010 fuhr ich während der Semesterferien wieder in die alte Heimat. Auf der Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Freundes sahen wir uns nach längerer Zeit wieder. Und es funkte. Nach mehreren Verabredungen wurden wir schließlich ein Paar. So konnten wir das Foto nachstellen, das damals auf der Treppe meines neu gebauten Elternhauses entstanden war.
Wir hoffen beide, dass es in 20 Jahren eine dritte Ausgabe geben wird. Vielleicht sogar zu dritt?
Obwohl sich die zwei Bilder auf den ersten Blick überhaupt nicht ähneln, ist doch auf beiden ein und derselbe Ort zu sehen: die sogenannte »Brunst« im Böhmerwald – bis 1946 die Heimat meiner Großeltern. Meine Großmutter war erst zwölf Jahre alt, mein Großvater ein junger Mann von 20 Jahren, als sie ihren Geburtsort verlassen mussten. Beide gehörten zu den Sudetendeutschen, die nach Kriegsende ausgesiedelt wurden. Und auch wenn von ihrer Heimat nur noch ein paar alte Bäume übrig sind, pflegen sie bis heute eine tiefe Beziehung zu diesem Flecken Erde. Regelmäßig fahren sie »hoam«. Vor einigen Wochen hatten nun meine Schwestern und ich endlich die Möglichkeit, sie dabei zu begleiten. Bei dieser Gelegenheit zeigt uns unsere Großmutter (Foto unten), wo früher ihr Geburtshaus (Bild oben) stand. Für mich war und ist es faszinierend, wie man nach fast 70 Jahren noch eine solch innige Verbundenheit zu einem Ort herstellen kann, von dem man so harsch vertrieben wurde. Doch es ist wohl wahr, dass die Kindheit den Menschen am meisten prägt.
Die Welt eines Paares kann komplex sein. Was aber, wenn dann noch drei Kinder dazu kommen? Die Veränderung wirkt sich auf das gesamte Leben aus. Und an Orten wie dem Badezimmer zeigt sie sich am deutlichsten. Das obere Bild entstand 2006 noch in unserem Zwei-Personen-Haushalt, das untere Bild zeigt unser Bad nach der Ankunft von Pauline, Anton und Mona im Jahr 2012.
Die Zunahme von Komplexität ist – so glaube ich doch – das, was man Leben nennt! Manchmal ein Tsunami, manchmal ein buntes Spiel der Dinge.
Die linke Aufnahme wurde in dem kleinen Dorf Breden bei Bad Salzuflen von einem Amateurfotografen gemacht, den es wahrscheinlich reizte, die bäuerliche Landschaft mit Strohgarben und Bismarckturm zu fotografieren. Im Jahr 2011, zur Erntezeit, habe ich die gleiche Situation mit den großen Strohballen festgehalten. Verändert hat sich neben der landwirtschaftlichen Technik die Größe der Häuser, wobei heute dort fast genauso viele Menschen leben wie sechs Jahrzehnte zuvor. Am meisten stört die heutigen Anwohner, dass der Bismarckturm, der einzige im Kreis Lippe, nicht mehr zu sehen ist. Im Lauf der Jahre ist der Wald derart zugewachsen, dass Ortsfremde nicht ahnen können, welch interessantes Denkmal sich dort oben am Vierenberg befindet. Steht man jedoch auf dem Turm, bietet sich eine herrliche Aussicht über das gesamte Lipperland bis zum Hermannsdenkmal im Süden und zur Porta Westfalica mit dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal im Norden.
Zu Pfingsten 1929 besuchte der damals sechsjährige Hans Schwank zum ersten Mal mit seinen Eltern das Benediktinerkloster Beuron. Auf dem oberen Foto steht er neben seiner Mutter vor der Holzbrücke über die Donau. Noch heute erinnert er sich, wie sehr ihn die Fresken mit abenteuerlichen Szenen aus dem Leben des heiligen Benedikt im Kreuzgang des Klosters beeindruckten. Nur wenige Monate nach seiner Rückkehr aus dem Krieg trat Hans Schwank 1946 als Mönch in die Erzabtei Beuron ein und erhielt den Ordensnamen Benedikt. Ich habe Pater Benedikt 1986 während eines ökumenischen theologischen Studienjahrs in Jerusalem als Professor für Neues Testament und Leiter unserer archäologischen Exkursionen kennengelernt – und noch heute ist die Forscher- und Entdeckerfreude, mit der er die Bibel liest, ansteckend. Jetzt feiert er sein 65. Professjubiläum. Bei einem Besuch in Beuron entstand vor Kurzem wieder ein Foto an der Holzbrücke über die Donau, das den inzwischen 89-jährigen Pater zeigt.
Diese beiden Fotos wurden in der Nähe unserer Lieblingsbadestelle an der Nordsee bei Lüttmoorsiel aufgenommen.
Das obere Bild entstand im Februar 1999 auf einem winterlichen Spaziergang. Gut ausgerüstet mit heißem Kakao und Keksen legten mein Mann Hauke und unsere Tochter Sirka mit unserer Hündin Nala, die damals etwa neun Monate alt war, eine Verschnaufpause oben auf dem Deich ein.
Das untere Bild habe ich in diesem Jahr fotografiert. Inzwischen sind mehr als dreizehn Jahre ins Land gegangen. Unsere Tochter ist inzwischen erwachsen, Herrchen und Hund sind etwas ergraut. An diesem stürmischen Sommertag 2012 war es nicht einfach, Nala zum Stillhalten zu bewegen: Der Wind brauste über den Deich, und die Kekse drohten wegzufliegen. Dennoch hatten wir viel Spaß – nach dem Fototermin setzten wir die Kakaopause allerdings in einer windstilleren Ecke fort.
Jutta Hogrefe-Feddersen, Bredstedt, Schleswig-Holstein