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Was mein Leben reicher macht

Meine Enkel schauen ein Familienfoto an, auf dem auch der kleine Antoine abgebildet ist, der im Alter von nur acht Monaten tragisch verstarb. Da fragt der dreijährige Célestin, der noch nicht geboren war, als das Bild entstand: »Und wo ich bin auf dem Foto?« Darauf seine sechsjährige Schwester: »Du warst noch nicht auf der Welt, und als Antoine in den Himmel gekommen ist, hast du dem lieben Gott gesagt: »Bitte, bitte schickt mich runter, dass diese Familie nicht mehr so traurig ist!«

Vera Szlauer, Wien

 

Augenmerk: Mein Wort-Schatz

Ich habe noch die Stimme meiner Mutter im Ohr, die meine beiden Brüder ermahnt, auf mich, das Nesthäkchen ein Augenmerk zu haben. Eigentlich dürfte ich mich in Anbetracht meines damaligen Alters nicht daran erinnern, dennoch (vielleicht aus Erzählungen?) habe ich die Situation genau vor Augen, in der ich im Graben landete und mir die Seele aus dem Leib schrie, weil meine Brüder Rennen mit mir gefahren waren. Mein Vater befreite mich dann aus meiner misslichen Lage. Später – und auch das ist auch schon wieder viele Jahre her, gab ich diesen Wortschatz an meinen älteren Sohn weiter, indem ich ihm einschärfte, »ein besonderes Augenmerk« auf seinen kleinen Bruder zu haben. Und weil auch das nicht gelang, sorgt das Wort auf Familienfeiern bis heute für Schmunzeleien.

Mariéle Runge, Esslingen

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn meine 24jährige studierende Tochter mich bei der Vorbereitung der Steuererklärung beobachtet und seufzt: »Mama, ich will nie erwachsen werden.«

Birgitta Brunner, Hornbek, Schleswig-Holstein

 

Was mein Leben reicher macht

Meine – eher scheue – Katze, die zu mir kommt, während ich mit Kaffee und der ZEIT am Tisch sitze: Sie legt sich auf die Zeitung und entscheidet, dass nun Zeit zum Kraulen, nicht zum Lesen ist. Ihr Schnurren sagt mir: »Lass uns den Moment genießen.«

Angelika Schneider, Köln

 

Die Kritzelei der Woche

Ich bin ab und zu in Berlin und liebe es, den Alltag der Stadt zu erkunden. Begonnen habe ich das bei einer Fahrt in der Ringbahn. Dort sieht man wohl die ganze Palette der Berliner. Und wenn ich mir meine Skizze von damals im Nachhinein anschaue, meine ich den Beat der kleinen Reise zu hören.

Vinzenz Handrick, Weimar

 

Woll-Welpen

s88-selbstgemacht

Meine Leidenschaft ist das Filzen. Man benutzt dazu ungesponnene Schafwolle und verdichtet sie mit den Widerhaken der Filznadel so lange, bis sich aus dem Gespinst Figürchen modellieren lassen. Auf diese Art und Weise sind bei mir diverse Schafe, Bären und auch dieses kleine Rudel Hunde entstanden. Anregungen dazu laufen draußen ja genug herum.

Heidi Elbrecht, Bochum

 

Was mein Leben reicher macht

In meiner Heimatstadt hin und wieder doch noch echt »Berliner Schnauze mit Herz« zu hören. So zum Beispiel aus dem Mund einer älteren Dame am vergangenen Samstag: »Halt die Klappe«, sagt sie bei Feinkost-Rogacki in Charlottenburg zu ihrem Mann, »den Text kenn’ wah schon.«
Ja, dit is mein Berlin 😉

Carsten Alex, Berlin

 

Augenstern: Mein Wort-Schatz

Für uns Kinder war, solange wir klein waren, wenig Zeit und Raum, da meine Eltern in einem sehr kleinen Haus eine Tierarztpraxis aufbauten. Ein echter Familienbetrieb, in dem meine Großmutter den Haushalt, meine Mutter die Praxisassistenz und mein Vater im Keller des Hauses die Arbeit in der Kleintierpraxis erledigte. Für mich kleinstes Familienmitglied war damals mein Großvater zuständig, ein großer hagerer, schon etwas klappriger Herr mit einer großen Portion Mutterwitz. Er hat mich bedingungslos und leidenschaftlich geliebt und für mich immer »Puppchen, du bist mein Augenstern« gesungen, denn ich war ganz und gar sein Liebling – dieses Gefühl hat mich lange gestärkt und begleitet. Heute habe ich beruflich viel mit vierjährigen Kindern zu tun und darf bei dieser schönen Arbeit viele kleine Augensterne kennenlernen. Und immer, wenn ich merke, dass die Eltern ihre Kinder genauso wahrnehmen und hüten, freue ich mich für beide Seiten.

Petra König, Dorfmark, Niedersachsen

 

Frühling

(nach Eduard Mörike, »Er ist’s«)

Frühling lässt sein blaues Band
Wieder knattern durch die Lüfte.
Treibstoff! Wohlbekannte Düfte
Streifen abgasvoll das Land.
Fahrradfahrer träumten schon,
Wand’rer wollten kommen.

– Horch, von fern ein Martinshorn!
Frühling, ja das ist dein Ton!
Dich hab ich vernommen.

Claudia Kufeld, Kierspe, Nordrhein-Westfalen