(Nach Robert Gernhardt, »Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs«)
Annette find ich so was von gerissen,
so streng, frigide, einfach ohne Glut;
es macht mich ehrlich krank, wenn wir uns küssen,
dass sie so lustlos bleibt. Wer hier den Mut
hätt, dieser Frau die Show mal zu versauen;
allein das Wissen tät mir richtig gut,
kann mich an dem Gedanken sehr erbauen.
Ich hab vor so was Achtung. Und die Wut
darüber, dass ihr höhnisches Gegacker
mich bei den andern Wichsern so blamiert,
schafft in mir Groll als abgewracktem Macker.
Ich raff nicht, was das Weibsbild motiviert.
Ich raff es echt nicht. Wills auch gar nicht wissen.
Ich find Annette unheimlich gerissen.
Kürzlich hörte ich im Radio ein lange Zeit nicht mehr vernommenes Wort, nämlich Schuldiener. Der Historiker, der es benutzte, bestand darauf. Denn »Schuldiener«, laut Wörterbuch »veraltet«, ist eben doch nicht völlig bedeutungsgleich mit »Hausmeister einer Schule«. Die Respektsperson, die gleichzeitig eine dienende und manchmal eine komische ist, findet sich im Hausmeister weniger. In einem südhessischen Dorf aufgewachsen, habe ich das Wort Schuldiener lange und ganz selbst verständlich benutzt. Der Hausmeister begegnete mit erst im Gymnasium und der eher österreichische Pedell erst in der Literatur. Doch auch dort findet sich der Schuldiener wieder: Kafkas Landvermesser K. wird im 7. Kapitel ersatzweise und vorübergehend die Stelle eines Schuldieners angeboten. Er scheitert selbstverständlich.
Frühmorgens fahre ich mit dem Motorrad zur Arbeit. Klarer Himmel, am Boden Morgendunst. Mehrere Pkw haben defekte Lichter, ich blinke sie kurz an und frage mich: Ob mich wohl auch jemand an blinkt, wenn ich etwas habe? Da blitzt es in beiden Rückspiegeln so stark, dass ich für einen Moment kaum was sehen kann. Direkt hinter mir ist die Sonne aufgegangen.
Beim Probieren selbst gemachter Marmelade, des Geschenks einer netten Nachbarin, fiel mir das Wort deliziös ein. Klingt etwas abgehoben, ist schon lange, lange nicht mehr im Sprachgebrauch, aber allemal besser als »lecker«.
Ich bringe meinen Enkelsohn Magnus, vier Jahre, zu Bett. Zwischen Gutenachtgeschichte und Beten muss ich fragen: »Was war heute das Schönste?« Er antwortet: »Omi, es fängt mit A an!« Ich kann es nicht erraten. Da sagt er: »Alles, Omi, alles!« Und nimmt meinen Kopf in seine Hände und küsst mich auf die Stirn und auf den Mund. Was will ich mehr?
Das obere Bild zeigt meinen Großvater Oskar im September 1934 vor seinem Wohnhaus im französischen Viertel von Shanghai. Es muss heiß gewesen sein an diesem Tag. Seit 1906 lebte mein Großvater als Kaufmann in China, verließ Shanghai 1937 nach dem japanischen Einmarsch für immer, träumte aber bis zu seinem Tod im Jahr 1947 weiter von einer Rückkehr. Im vergangenen Jahr habe ich Shanghai besucht und mich – achtzig Jahre nach meinem Großvater – vor dem Haus fotografieren lassen. Und so gewaltig die Veränderungen in Stadt und Land auch sind: Das Haus im Art-déco-Stil ist das gleiche geblieben. Was mir durch den Kopf ging? Wie gut es uns als Enkelgeneration doch geht!
Jeden Samstag und dennoch immer wieder unverhofft sagt mir mein Mann, wie viele Wochen wir schon zusammen sind. Ich freue mich auf die vierstelligen Zahlen!
Das achtjährige Nachbarsmädchen, das neulich am Sonntagmorgen an unserem Garten vorbeiradelte und dabei inbrünstig und weithin hörbar »Freude schöner Götterfunken« sang. Das »Elysium« lag leider hinter der Kurve, und so werde ich nie erfahren, wie sie mit dem schwierigen Wort klarkam.
Tinte und Füllfederhalter, beides sollte auf einem alten Blatt auf Funktion getestet werden. Gedacht, gekritzelt! Nach Jahren in der Schublade offenbarten sich nach Umzugsarbeiten diese wirren Streifzüge der Feder als ein Bild mit zwei Charakteren.