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Was mein Leben reicher macht

Freitagnacht im Wohnzimmer mit unserer 50-jährigen Freundin zu elektronischen Beats zu tanzen, bis der Vermieter von oben klopft. Dabei würde unsere Freundin wahrscheinlich lieber die Amigos hören – und der Vermieter auch.

Irina Straßheim, Burg Stargard, Mecklenburg-Vorpommern

 

Klassische Lyrik, neu verfasst

Die totgesagte frau
(nach Stefan George, »Komm in den totgesagten park«)
Schau sie dir an, die totgesagte frau:
Ihr fernes lächeln zeugt von jenen tagen,
Da sie – so jung, und blond statt grau –
Ihr los auf sich nahm, ohne viel zu klagen.
Nimm ihren mut (ja, doch, er ist noch ganz,
Bei ihrer krankheit braucht sie ihn erst recht).
Dann küsse sie und flicht ihr einen kranz.
Ein bisschen zärtlichkeit: es wärmt sie echt.
Vergiss nicht, ihr von deiner zeit zu geben,
In ihrem alter hat sie so viel nicht.
Doch auch was übrig bleibt von ihrem leben,
Es schimmert hell in ihrem herbstgesicht.
Elfie Riegler, Genf, Schweiz

 

Zeitsprung

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Im Mai 1963 wurden wir in der Evangelischen Kirche von Breithardt im Taunus konfirmiert, konnten also kürzlich goldene Konfirmation feiern. Und wir schätzen uns glücklich: Alle Konfirmanden von damals leben noch, und alle, die geheiratet haben, sind noch mit demselben Partner zusammen. Wie vor 50 Jahren stellten wir uns neben der Kirche auf und fragten uns dabei, was sich in der Zwischenzeit verändert hat. Also: In der Mitte, wo früher ein Pfarrer stand, steht jetzt eine Pfarrerin. Der große Baum im Hintergrund ist nicht mehr da. Das Schulgebäude links steht noch, wird aber nicht mehr als Schule genutzt. Die Fachwerkscheune wurde abgerissen; an ihrer Stelle steht nun ein Gemeindezentrum. Die Kirche hat neue Fenster und ein neues Dach bekommen. Am meisten haben wir uns, am wenigsten hat sich der mehr als tausend Jahre alte Kirchturm verändert.

Roland Ziss, Wiesbaden

 

Was mein Leben reicher macht

Dass meine Frau Heike mir diese vier sonnigen Frühlingstage am Gardasee gönnt. Sie ist mit dem sieben Monate alten Luca zu Hause geblieben, und ganz allein, langsam zur Ruhe kommend, bin ich immer wieder in Versuchung, noch eine liebevolle SMS nach Hause zu schicken.
Vismay G. Huber, Bad Aibling

 

Ehrenkäsig: Mein Wort-Schatz

Vor allem im Süddeutschen ist das Wort ehrenkäsig auch heute noch verbreitet. So bezeichnet man einen Menschen, der oft bei Bagatellen seine Ehre verletzt  fühlt. Kritisiert man jemanden als ehrenkäsig, so kann man sein Verhalten nicht akzeptieren. Mancher allerdings verwendet das Wort auch schmunzelnd und selbstironisch, um eine Sache zu bereinigen.

Ewald Steinert, Murrhardt, Baden-Württemberg

 

Kritzelei der Woche

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Diese Zeichnung ist während meiner Famulatur am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München entstanden, genauer  gesagt: während eines eher langatmigen Vortrages im Rahmen der Münchner EEG-Tage.
Carolin Jacob, Jena

 

Strunzen: Mein Wort-Schatz

Das Wort strunzen kennt man kaum noch. In meiner Jugend- und Schulzeit mussten wir es oft hören, wenn wir übertrieben, prahlten oder angeberisch auftraten. Dann hieß es: »Strunz doch nicht so!« Der frühere FC-Bayernund Nationalspieler Thomas Strunz aber kann – trotz mancher Kritik von Trapattoni – wirklich mit seinen Erfolgen und Titeln strunzen.

Karl-Josef Mewaldt, Buxheim, Allgäu

(Anm. d. Red.: Im Westmitteldeutschen wird »strunzen« laut Duden Online salopp auch für »urinieren« verwendet.)

 

Was mein Leben reicher macht

Morgens, mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit. An einer Kreuzung muss ich stoppen und sehe am Ampelpfahl einen Aufkleber von Pink. Meine Tochter hat ihn vor Jahren angebracht und mir davon erzählt. Inzwischen sind die Farben verblasst, aber er ist noch da. Jetzt studiert Lara an einem anderen Ort, und nur wir  beide teilen dieses kleine Geheimnis.
Anke Prinzler, Schwerin

 

Was mein Leben reicher macht

In der Randspalte der Morgenzeitung lese ich, dass der vietnamesische Vize-Gesundheitsminister sich für die Legalisierung der Homo-Ehe einsetzt. Ein Lichtblick für die Menschlichkeit, nun auch in Asien.

Julian Clement, Heist, Schleswig-Holstein

 

Was mein Leben reicher macht

Bei Sonnenaufgang die Balkontür weit zu öffnen, mich noch einmal ins warme Federbett zu kuscheln und dem vielstimmigen Frühlingskonzert der Vögel zuzuhören.

Ulla Feldhaus, Solingen