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Was mein Leben reicher macht

Zehn Tage vor meinem Geburtstag breche ich mir den Arm – habe aber schon zirka 40 Leute eingeladen. Doch dank der köstlichen Mitbringsel meiner Brüder, meiner Freundinnen und Freunde wird es doch noch ein wunderbares Fest. So heilen die Knochen gleich besser zusammen!

Hildegard Emde, Frankfurt/Main

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn mein Freund morgens um Viertel nach fünf zu seinem Semesterferienjob als Postbote aufbricht, streicht er mir noch einmal über den Kopf und wünscht mir schon mal einen guten Morgen – ganz ohne Groll darüber, dass ich noch mindestens drei Stunden weiterschlafen darf!

Charlie Wiemann, Bremen

 

Was mein Leben reicher macht

Eine Reise nach Kreta mit meiner 88 Jahre alten Mutter. Der Busfahrer, der uns vom Flughafen zum Hotel gebracht hat, hilft meiner Mutter liebevoll aus dem Bus. Holt unsere Koffer aus dem Gepäckraum und trägt sie zur Rezeption. Als ich mich bedanke und ihm ein Trinkgeld geben will, winkt er ab und sagt fröhlich: »Willkommen in Griechenland!«

Eva Hirsch, Hohberg, Schwarzwald

 

Was mein Leben reicher macht

Meine junge Zahnärztin. Zwei abgebrochene Zähne innerhalb der letzten beiden Wochen! Doch Frau Doktor behandelt nicht nur die Ursache der Schmerzen im Handumdrehen und erfolgreich, sie therapiert mit ihrem Einfühlungsvermögen auch die Folgen seelischer Brüche.

Eleonore Reck, Böblingen

 

Warum?

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Meine Freundinnen und Freunde behaupten, ich klebte überall überflüssige Hinweiszettel an. Stimmt aber gar nicht. Und auf diese grandiose sinnfrei-dadaistische Idee für einen Hinweiszettel, wie ich ihn am Münchner Hauptbahnhof sah, wäre ich nie gekommen. Der Bahn hätte ich so was Poetisches gar nicht zugetraut! Beim Weitergehen sah ich dann: Es ist nur die Rückseite eines Zettels mit der Aufschrift »Tür bitte immer schließen« an der Innenseite einer weiterverwendeten Telefonzelle, die irgendwelche Technik auf dem Bahnsteig beherbergt.

Maike Janßen, Berlin

 

Ratzeputz: Mein Wort-Schatz

Wir sind bei Freunden eingeladen. Es gibt Lasagne. Also spöttelt jeder ein bisschen. Unser Freund, der geschäftlich viel unterwegs ist, kommentierte den Spott mit: »Ich habe das Hackfleisch aus Rumänien mitgebracht.« Doch wir wissen, dass er nur mit frischen Produkten aus verlässlichem Handwerk kocht. Und essen die Lasagne ratzeputz auf. Das Wort gefällt mir in diesem Zusammenhang besonders gut. Was gut ist, das putzen auch die intelligenten Ratten weg.

Ursula Bechtle, Besigheim, Baden-Württemberg

 

Das ist mein Ding

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… eine metallene Zigarrendose, umfunktioniert zum Nadeldöschen. Meine Großtante hat sie im Jahr 1926 von einem ihrer Brüder erhalten und während ihrer Zeit als Kindermädchen in Wien, durch unterschiedlichste politische und persönliche Ereignisse, durch den Krieg und die Vertreibung aus dem Sudetenland nach Berlin und später nach Köln gerettet. Seit ich klein war, enthielt es Nadeln aller Art. Seit dem Tod meiner Großtante 1978 gehört das Döschen mir. Seinen Job als Nadelbewahrer hat es behalten und ist mit mir ins Schwabenland. Es erfüllt mich mit Achtung: 44 Jahre älter als ich, verkratzt und verschrammt und verbeult – aber immer noch leuchtend und glänzend und ganz charmant, wie es mir aus dem Handarbeitskorb entgegenlächelt. Es ist ein freundlich über den Strom der Zeit winkender Bote.

Marianne Meyer, Erlenbach, Baden-Württemberg

 

Fast schon bei Nacht

(nach Hans Carossa »Der alte Brunnen«)

Knips aus dein Licht und schnarch. Das ziemlich blöde
Geplansche aus dem Badezimmer klingt.
Reg dich nicht auf, und hört sich’s an auch öde.
Was willst du machen, wenn dort einer singt?

Vielleicht geschieht’s, wenn du schon liegst im Bette,
Dass plötzlich laut es wird – fast schon bei Nacht.
Es plätschert Wasser. Aus ’ner Operette
Singt einer Arien. Zwischendurch er lacht.

Und du schreckst hoch, – dann musst du nicht gleich zanken.
Der Wecker tickt wie immer etwas schrill.
Und nur dein Hauswirt kam auf den Gedanken,
Sich jetzt zu baden, doch er tut’s nicht still.

Es geht vorüber. Bald wird’s wieder leise.
O freue dich, dass er noch baden kann.
Und lausche der von ihm gesung’nen Weise.
Das wird dir noch passieren dann und wann.

Hans-Dieter Stolze, Kassel

 

Was mein Leben reicher macht

Wegen meines Jobs musste ich umziehen. Aber ich bin allein in der Gegend, in der ich jetzt seit einem halben Jahr wohne. Zum ersten Mal in meinem Leben spüre ich die Kälte der Einsamkeit. Während Bekannte aus früheren Zeiten heiraten und Familien gründen, verlieren sich meine sozialen Bindungen im Nirvana der Bedeutungslosigkeit. Vor drei Tagen schrieb mir dann eine alte Bekannte auf Facebook: »Ich würde Dich so gerne mal wieder sehen!« In Gedanken umarme ich sie.

Jochen Götzl, Kehl, Baden-Württemberg