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Was mein Leben reicher macht

Mein Sohn ist Asperger-Autist. Ich betrete das große weiße Schulgebäude und finde im ersten Stock den Schulleiter, der seit Herbst hier ein Gymnasium aufbaut. Für zwei Stunden tauchen wir in ein Gespräch. »Würden Sie ihn nehmen, meinen Sohn?«, lautet am Ende die bange Frage. »Ja«, sagt er, »ja, ich würde ihn nehmen.«

Anne Lehmann, Leipzig

 

Internationale Küche

Auf Madeira fanden wir beim Studieren des deutschen Teils der Speisekarte die Rubrik »Nachspeisen« mit Wüste betitelt. Erst beim Vergleich mit der englischen Karte kamen wir auf die Ursache und lachten uns krumm: »Wüste« war die Übersetzung von »Des(s)ert«.

Christine Scherg, Scheyern, Bayern

 

Was mein Leben reicher macht

Meine zehnjährige Tochter bekommt abends – schon im Schlafanzug – überraschend Besuch. Der zwölfjährige Nachbarsjunge drückt ihr etwas verlegen ein Urlaubsmitbringsel in die Hand: Ohrstecker. Sie lässt sich beiläufig die zuvor hinter die Ohren geschobenen Haare ins Gesicht fallen, lächelt ihn an und bedankt sich freundlich.

Sie hat keine Ohrlöcher.

Amei Fischer, Althengstett, Baden-Württemberg

 

Freie Liebe

Berlin ist groß, laut und berühmt für seine »Berliner Schnauze«. Auch für die hohe Dichte an Singlehaushalten ist die Hauptstadt bekannt. Stadt der einsamen Herzen? Immerhin scheint es Berliner zu geben, die ihre Liebe teilen wollen …

Rinke Kloppe, Berlin

 

Internationale Küche

Vor einiger Zeit sah ich auf einer englischsprachigen Speisekarte in Wien folgende Speise: Imperial Nonsense. Auf der nächsten Seite fand ich dann das Originalgericht: »Kaiserschmarren«.

Günter Kirchhain, Leverkusen

 

Was mein Leben reicher macht

Mit 66 Jahren habe ich mit dem Klavierspielen begonnen. Ich spiele nun seit über zwei Jahren und kröne meine morgendliche Übungsstunde jedes Mal mit Beethovens Freude, schöner Götterfunken. Dann bin ich für den Tag gerüstet.

Peter Jalufka, Greven

 

Herzzerreißend: Mein Wort-Schatz

Da ist er, mein Wort-Schatz: herzzerreißend! Seit Jahrzehnten bin ich das, was man als Bücherwurm oder Leseratte bezeichnet, und immer wieder sind es die anrührenden Szenen, die ich körperlich empfinde – eben als herzzerreißend. Selten passiert es, dass ich bei einer späteren Gelegenheit über solche Stellen gleichgültig hinweglese. Meistens »reißen« die Wörter oder Sätze wie beim ersten Mal.

Monika Bahne, Sprockhövel, Nordrhein-Westfalen

 

Reise-Andenken

Unser Enkel war kürzlich mit der Schulklasse nach London unterwegs. Da erinnerte ich mich meiner ersten Klassenreise im Jahr 1951. Ein Bus brachte uns von Hamburg in die Lüneburger Heide. 18,50 Mark mussten unsere Eltern für die zwölf Tage in der Jugendherberge zahlen, was niemandem leichtfiel. In den Wochen zuvor hatten wir Altpapier gesammelt, der Erlös aus dem Verkauf beim Trödler schloss die finanziellen Lücken. Unsere Lehrerin belohnte ihre Schüler ob der Selbsthilfe, etwa mit einem Reclam-Heft mit Widmung »für fleißiges Sammeln«. Vierzig Jahre später übernachteten die Überlebenden der Klasse zur Erinnerung noch einmal in dieser Herberge, aber das ist auch schon wieder lange her …

Klaus Prochazka, Waldbronn, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Eben auf dem Flughafen Düsseldorf gelandet. Als ich mit Koffern, Rucksack und Handtasche in den schon fahrbereiten Zug umsteigen will, stupst mich eine Frau an: »Hier, Ihr Fotoapparat!« Eben noch befand sich der Apparat mit 1.160 Urlaubsbildern aus Madeira in der Tasche. Was war passiert? Ich werde es wohl nie erfahren, aber ich bin der Frau zutiefst dankbar.

Kerrin Jürgensen-Deppe, Bad Salzuflen